"Schauen Sie, da lief gerade mein Tor", sagt Hans-Georg "Katsche" Schwarzenbeck beim Gang durch die FC Bayern Erlebniswelt. Natürlich läuft da sein Tor. Immer und immer wieder. Es war ja auch ein besonderes.
Mit einem Weitschuss zum 1:1 sicherte der Vorstopper Bayern München 1974 gegen Atletico Madrid ein Wiederholungsspiel - und somit am Ende auch den ersten Europapokal der Landesmeister. Doch damit nicht genug: Von 1966 bis 1981 lief der gebürtige Münchner 416 Mal für die Bayern auf und schoss 21 Tore. Schwarzenbeck war die feste Säule in der Mannschaft um Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß, Paul Breitner, Gerd Müller und Co.
Am 3. April feiert "Katsche" Schwarzenbeck seinen 65. Geburtstag. Die FC Bayern Erlebniswelt gratuliert ganz herzlich - und widmet dem Welt- und Europameister das Exponat der Woche: Den "Hattrick" im Europapokal!
Die Geschichten hinter den Erfolgen lesen Sie hier: Im großen Legenden-Interview!
Herr Schwarzenbeck, was empfinden Sie, wenn Sie hier mitten in der Erlebniswelt stehen? Sie sind ja ein Teil davon…
Ich gehe hier mit sehr vielen schönen Erinnerungen durch die Gänge. Ich war in der glücklichen Lage, mein Hobby zum Beruf zu machen und dabei auch noch recht erfolgreich. Das ist schon etwas sehr Besonderes für mich.
Haben sie die vielen Highlights ihrer Karriere alle noch im Kopf?
Nicht jedes Detail, aber klar, einige Bilder habe ich noch vor mir. Ich weiß zum Beispiel noch ganz genau, was bei diesem Spiel los war (er zeigt auf eine Mappe, die vor ihm auf dem Tisch liegt). In der Saison 1972/73 war das, Europapokal bei Galatasaray Istanbul. Da standen rund ums Spielfeld Soldaten, was uns schon ein bisserl eingeschüchtert hat – immerhin haben wir noch ein 1:1 geholt. Das Rückspiel haben wir dann deutlich mit 6:0 gewonnen.
Sie waren am Aufstieg des FC Bayern zum Weltklub direkt beteiligt. Hat man diese Entwicklung damals so abschätzen können?
Den Aufstieg in die Bundesliga habe ich in meinem letzten Jahr in der Jugend miterlebt, mit 18 Jahren wurde ich dann Profi. Die Löwen waren damals zwar noch die Nummer eins in München und wurden 1966 Deutscher Meister. Es war aber abzusehen, dass der FC Bayern mit Sepp Maier, Gerd Müller und Franz Beckenbauer vor einer erfolgreichen Zukunft steht. Nach den Pokalsiegen 1966 und 1967 gewannen wir dann ‘69 erstmals das Double.
An einem der ersten großen Erfolge hatten Sie großen Anteil. 1974, beim Endspiel gegen Atletico Madrid, als sie spät das 1:1 erzielten und damit das Wiederholungsspiel erzwangen. Wissen sie noch, wie sie das Tor geschossen haben?
Es waren nur noch wenige Minuten zu spielen und wir wussten, dass jetzt was passieren muss. Wir waren alle weit aufgerückt, selbst Sepp Maier stand nur kurz hinter mir an der Mittellinie. Da bekomme ich ein Zuspiel quer vom Franz – was mich schon gewundert hatte. Denn sonst hat er den Ball immer nach vorne gespielt und fast nie quer. Ich habe dann nicht lange überlegt, bin ein paar Schritte nach vorne und habe abgezogen – gerade in dem Moment, als der Gerd vorne schon angefangen hatte zu schimpfen, weil er den Ball nicht bekommen hat (lacht).
Im Wiederholungsspiel, was damals noch ausgetragen wurde, siegten Sie dann klar mit 4:0.
Bei uns entfachte der späte Ausgleich natürlich eine große Euphorie, während die Spanier am Boden zerstört waren. Die haben die halbe Kabine auseinander genommen. Zudem waren wir insgesamt wesentlich jünger als Atletico, was bei nur einem Tag Pause zwischen den beiden Finals auch ein Vorteil war. So haben wir dann das Wiederholungsspiel souverän gewonnen. Was aber kaum noch einer weiß, dass wir schon am nächsten Tag wieder in der Bundesliga gegen Gladbach ran mussten.
Wie ging das denn?
Das Endspiel fand an einem Mittwoch in Brüssel statt, die Wiederholung dann am Freitagabend. Nach dem Sieg haben wir gefeiert und sind am nächsten Morgen mit dem Bus von Belgien über die Grenze weiter nach Mönchengladbach gefahren, wo ganz normal um 15.30 Uhr angepfiffen wurde. Zum Glück waren wir schon Meister, denn das Spiel ging mit 0:5 verloren.
Sie haben alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Gab es dennoch einen Titel, der der schönste war?
Natürlich war mein schönster Erfolg der Europapokal, bei dem ich das Tor geschossen habe. Aber jeder Titel war schön. Die erste Deutsche Meisterschaft oder Pokalsieg waren etwas Herrliches. Der Europapokal war halt nur der auffälligste, der bleibt am meisten im Kopf. Es ist einfach schön, wenn man sein Hobby zum Beruf macht und dann so einen Erfolg hat. Das hätte ich mir nie träumen lassen.
Sie gelten als zurückhaltender Mensch. Entsprach das eher Ihrem Charakter, mehr im Hintergrund zu bleiben, oder haben Sie sich gedacht, es gibt schon so viele, die bei uns immer die erste Geige spielen wollen?
Wenn man solche Typen hat wie den Franz, den Sepp und den Gerd oder später den Uli (Hoeneß, d. Red.) und den Paul, dann ist das ganz normal. Und ich war froh, dass ich nicht so im Fokus stand. Heute rede ich sicher mehr als vor 30, 40 Jahren. Wichtig war für mich nur, dass ich bei den Spielen dabei war, und so war‘s ja auch.
Fußballer sind heutzutage noch viel mehr Stars als früher, stehen viel mehr im Fokus der Öffentlichkeit. Sind sie froh, dass das damals alles noch etwas ruhiger zuging?
Ich glaube, die Generation heute wächst mit dem ganz Trubel auf und lernt schon früh, damit umzugehen. Die jungen Spieler können Kurse machen, wie man sich in den Medien am besten ausdrückt. So was hätten ich auch früher gut gebrauchen können. Angenehm war aber, dass es damals noch keine Fotohandys gab. Die Spieler heute müssen viel mehr aufpassen was sie tun, sonst steht‘s am nächsten Tag groß in der Zeitung. Und damals haben die Journalisten oft selbst noch mitgefeiert, oder ein Fotograf hat uns nach einem Auswärtsspiel einen Film zum Entwickeln mit auf den Rückflug gegeben.
Gibt es eine Anekdote von damals, über die Sie heute noch schmunzeln können?
Was ich zum Beispiel nie vergessen werde, ist eine Geschichte vom Uli, als er gerade zu uns gekommen war. Wir saßen vor einem Spiel mit mehreren Leuten zusammen in der Hotel-Lobby und er hat sich in der Früh am Telefon über Aktienkurse informiert. Da war der 17 oder 18 Jahre alt und wir saßen ungläubig da und haben uns gefragt, was der Junge da macht. Man hat damals also schon merken können, dass er es mit den Finanzen ganz gut kann.
Wie haben Sie damals eigentlich Vertragsverhandlungen geführt? Hatten Sie jemanden, der Sie professionell beraten hat?
Nein. Wenn dein Vertrag abgelaufen ist, hat es geheißen. „Katsche, was ist? Kommst Du rauf?“ Im Präsidiumszimmer warteten dann Geschäftsführer Walter Fembeck, Präsident Wilhelm Neudecker und Manager Herr Schwan und meinten: Du kriegst so und so viel, bist Du damit zufrieden? Dann habe ich den Vertrag mit heim genommen, angeschaut und wieder unterschrieben. Mir war immer wichtig, dass ich lange Verträge hatte. Auf dem Fußballplatz war ich immer auf Sicherheit bedacht, so wollte ich es auch im Leben haben.
Haben Sie sich für die Angebote nicht interessiert, weil es so schön war in der Bayern-Familie?
Ja, für mich hat das auf jeden Fall gegolten. Ich habe mich sehr wohl gefühlt und dazu in einer klasse Mannschaft gespielt, die zu dem Zeitpunkt schon viel erreicht hatte. 1971 bin ich auch Nationalspieler geworden, habe dort ebenfalls Erfolg gehabt. Warum sollte ich da wechseln? Und ich habe nicht schlecht verdient für die Zeit. Ich bin gelernter Buchdrucker – damit hätte ich das sicher nicht verdienen können.
Jupp Heynckes hat neulich gesagt, die Mannschaft jetzt sei vielleicht die beste Bayern-Mannschaft aller Zeiten. Was haben sie bei den Worten gedacht?
Es ist ja so: Man muss ja erst mal richtig was gewinnen. In den 1970er Jahren hat es eben eine Mannschaft gegeben, die hat drei Europapokale der Landesmeister gewonnen. Die aktuelle Mannschaft hat ein riesiges Potential, keine Frage. Aber im Fußball zählen Titel – und die musst du erst mal haben.
