Es gibt viele Anekdoten und viele Zitate über ihn – am liebsten aber erzählt Dettmar Cramer selbst. Über sich, über sein Leben, und vor allem über den Fußball. „Am Ende haben wir alle Abitur, aber keine Punkte“, sagte der ehemalige Bayern-Präsident Wilhelm Neudecker einst mit Blick auf den unglaublichen Redefluss, den Cramer auch als Trainer des heutigen Rekordmeisters in den siebziger Jahren an den Tag gelegt hat. Natürlich überspitzt formuliert.
Franz Beckenbauer sagte da schon etwas liebevoller: „Ich kenne keinen Menschen, der so viel über Fußball weiß und der so spannend darüber reden kann wie er.“ In der Tat konnte der gebürtige Dortmunder Cramer schon zu seiner Zeit in München vor seinen Spielern stundenlang über sein geliebtes Fußballspiel philosophieren. Manchmal war von Außenstehenden ein wenig Geduld gefragt. Aber Cramer wusste stets, wofür er das tat: Zwar holte er in seiner Zeit von 1975 bis 1977 mit dem FC Bayern keine Meisterschaft und keinen DFB-Pokal; immerhin aber gewann er als bis heute einziger Bayern-Coach zweimal den Europapokal der Landesmeister und als erster überhaupt auch den Weltpokal.
Flugkilometer-Millionär
Für Weltenbummler Cramer war die Zeit in München gleichzeitig die erfolgreichste seiner eigenen Karriere. Dabei hat er so viel erlebt in den 90 Jahren, die sein Leben seit dem 4. April zählt. In Deutschland trainierte er neben dem FC Bayern Eintracht Frankfurt, Bayer Leverkusen und eine Woche bei Hertha BSC Berlin, dazu arbeitete er für den DFB und auch die FIFA. Insgesamt war er in 90 Ländern als Fußballlehrer aktiv. Das brachte ihm zwei Ehrenprofessuren ein, von den Mohikanern und Sioux wurde er ehrenhalber zum Häuptling ernannt. "Ich bin mehrfacher Millionär, aber nicht in Euro, sondern in Flugkilometern", sagte Cramer einmal. Und trotzdem fügte er hinzu: „Man muss schon sehr weit reisen, um einen Verein von dieser Qualität zu finden wie den FC Bayern. Dieser Verein ist eine große Familie.“
In Japan etwa ist Dettmar Cramer mindestens genauso bekannt wie in Deutschland. Seit seiner Tätigkeit als Nationaltrainer Ende der 60er Jahre, als er bei Olympia 1968 Bronze gewann, wird er dort liebevoll „Vater des Fußballs“ genannt. Und auch er hat dem Land der aufgehenden Sonne nach eigenen Angaben viel zu verdanken. Eine Aussage Cramers dazu: "Ich habe einen ekligen Charakter, keine Geduld und ein hässliches Temperament. Das ist für einen Pädagogen berufsschädigend. Von den Japanern habe ich Geduld gelernt".
Geduldig musste Cramer auch sein, als er im Parc des Princes von Paris mit den Bayern 1975 den Europapokal der Landesmeister gewann und damit seinen ersten großen Titel feierte. Der 2:0-Sieg im Finale gegen Leeds United AFC war jedoch hart umkämpft. Die Bayern kamen durch Franz Roth und Gerd Müller zu zwei späten Toren.
Der Trenchcoat bleibt unvergessen
Der beige Trenchcoat, den Cramer an jenem 28. Mai 1975 in Paris trug, ist heute in der FC Bayern Erlebniswelt ausgestellt - und pünktlich zum 90. Ehrentag des wegen seiner geringen Größe auch Napoleon genannten ehemaligen Bayern-Trainers das Exponat der Woche. Cramer, der in der Konzeptionsphase der Erlebniswelt immer wieder eine tolle Unterstützung war, hat ihn sogar eigens noch in die Wäscherei gegeben, bevor er ihn dem Vereinsmuseum zur Verfügung stellte. Natürlich gibt es aber zahlreiche andere Stellen, an denen Cramer in der Ausstellung gewürdigt wird. Ein Trainingsanzug als „FIFA-Trainer“, eine kuriose Geschichte, in der er fast frühzeitig vom damaligen 1860-Trainer Max Merkel abgelöst worden wäre: Cramer ist in der FC Bayern Erlebniswelt mehrfach präsent.
Zur Ausstellungseröffnung im Sommer 2012 war Cramer übrigens selbst vor Ort. Man sah ihm die Freude inmitten der Bayern-Geschichte, von der er ein großer Teil ist, an. Er posierte vor der lebensgroßen Figur, die ihn in seinen Trainerjahren zeigt, lachte viel – und erzählte natürlich. Alles in allem passt ein Zitat von ihm immer wieder: „Fußball ist der springende Punkt.“
Die FC Bayern Erlebniswelt sowie der gesamte Verein mit seinen Mitgliedern und Fans wünscht dem „Fußball-Professor“: Happy Birthday, Dettmar Cramer!
