Es gibt nicht viele Menschen, die derart bescheiden sind wie Fritz Kosar. Aber wenn der ehemalige Torhüter des FC Bayern auf seine Karriere angesprochen wird, fragt er sich selbst: Welche Karriere? Kosar, der zwischen 1960 und 1969 für den FC Bayern in der Oberliga Süd, in der Regionalliga Süd und auch in der Bundesliga gespielt hat, sieht sich nicht als ehemaligen Star. Im Gegenteil.
Als ein Bayern-Fan vor einigen Jahren ein Autogramm von ihm wollte, schrieb Kosar einen langen Brief zurück, der heute dem Team der FC Bayern Erlebniswelt vorliegt. Er erklärte ausführlich, dass er schon lange nicht mehr beim FC Bayern tätig sei, zudem auch keine Kontakte mehr zu seinen alten Kollegen habe. Und fragte den Adressaten des Briefs zum Abschluss: „Wie ist es möglich, ein Fan von einem ehemaligen mittelmäßigen Fußballspielers zu sein?“ Nun ja . . . ganz so mittelmäßig, wie Kosar behauptet, war er gar nicht. Der 50. Jahrestag seines Bundesliga-Debüts am 23. Oktober 1965 beim 1:1 auf Schalke ist ein guter Anlass, die kuriose Karriere des ehemaligen Keepers mal näher zu beleuchten.
„Die Geheimwaffe eingesetzt“
Fritz Kosar war ein – aus der FC-Bayern-Jugend hervorgegangener - begabter Junge, dessen Talent schon sehr früh erkannt wurde. Zwei Jugendländerspiele absolvierte er 1957 beim UEFA-Jugendturnier für Deutschland. Bei den Bayern gab er bereits als 20-Jähriger sein Pflichtspieldebüt im DFB-Pokal. Ab 1961 war er Stammtorwart. Kosar war allerdings nicht nur ein überdurchschnittlicher Tormann, er konnte auch richtig gut kicken. Damals war es unüblich, dass Torhüter – wie etwa heute Manuel Neuer – mitspielen. Kosar aber war so gut auf dem Feld, dass er sogar manchmal als Aushilfsstürmer ran durfte.
Seinen Einstand in der Offensive gab Kosar, als er im Messepokal (damaliger UEFA-Cup) notgedrungen aus seinem Kasten musste. Stürmer Ohlhauser war angeschlagen – und weil man damals noch nicht auswechseln durfte, musste der Verletzte ins Tor. Kosar ging also nach vorne – und siehe da: Gleich seine zweite Chance verwertete er zum 2:0 per Kopf, auch am 3:0 war er beteiligt. Trainer Helmut Schneider sagte nach der Partie, die 6:0 gegen Drumconda Dublin endete: „Wir haben diesmal unsere Geheimwaffe eingesetzt.“
Kosar als Sturmdirigent, Maier als neue Nummer 1
Kosar zeichnete sich durch Vielfältigkeit aus – aber irgendwie wurde ihm diese dann letztendlich zum Verhängnis. Denn während Trainer Schneider seinen neuen Aushilfsstürmer Ende des Jahres 1962 immer öfter brachte und Kosar in den Zeitungen als „mitreißender Sturmdirigent“ gefeiert wurde, hütete niemand Geringeres als der damalige junge Ersatz-Keeper Sepp Maier den Kasten der Bayern. Der spätere Weltstar gab in jener Zeit sein Oberliga-Debüt just als Kosar wieder einmal im Sturm ran musste. Beim 1:2 gegen Eintracht Frankfurt am 30. Dezember 1962 gehörten die Schlagzeilen dem 18-jährigen Maier, der durch einer Vielzahl von Paraden eine höhere Niederlage verhinderte. Es zeichnete sich ab, was für Kosar bald Realität werden sollte. Mit der neuen Spielzeit 1963/64 sollte Sepp Maier regelmäßig zwischen den Pfosten stehen.
Kosar nahm die Rolle als Mann hinter Maier viele Jahre hin, ohne zu murren. Er war schon damals so bescheiden, wie er es heute noch ist. Wie Maier war der 76-Jährige einer der besten seines Jahrgangs (1939) in Deutschland. Bei jedem anderen Bundesliga-Klub hätte er Woche für Woche auf dem Feld gestanden. Nach seinem Debüt vor 50 Jahren sollte ihm das beim FC Bayern in der Bundesliga allerdings nur noch zweimal in der Saison 1965/66 vergönnt sein.
Fritz Kosar aber blieb seinen Bayern trotzdem bis 1969 treu. Und zwar als echte Alternative zum späteren Welt- und Europameister Sepp Maier. Auch wenn Fritz Kosar das auch heute noch selbst nie zugeben würde.