
Es gibt mehrere tausend Exponate im FC Bayern Museum bzw. im Archiv des deutschen Rekordmeisters - jedes einzelne erzählt seine eigene Geschichte. Eine lange und bewegte hat die „Trofeo Santiago Bernabéu“ hinter sich, ehe sie den Weg in die Schatzkammer des Vereinsmuseums fand. Sie handelt von großer Fan-Liebe, die sich über Grenzen hinwegsetzt. Im Jubiläums-Jahr der Deutschen Einheit passt sie ganz besonders gut.
Uwe Richter konnte gar nicht anders, er musste Ja sagen. Das sieht er auch heute noch so, also knapp zehn Jahre später. „Ich habe so oft Karten bekommen, da dachte ich: Tu ich doch mal was Gutes!“, erzählt der Fan aus Lengenfeld in Sachsen. Der Aufruf aus dem Bayern-Magazin, in dem im Frühjahr 2011 nach einem „Hobby-Restaurator oder Liebhaber von alten Trophäen oder Pokalen“ gesucht worden war, erreichte Richter über Umwege. Lange überlegen musste er nicht. Der Maschinenbauer dachte „an eine schöne Aktion mit den Kindern am Wochenende im Garten“. Dass er am Ende 450 Stunden Arbeit auf sich nehmen musste, konnte er noch nicht ahnen.

Konkret ging es um jenen Pokal, der auch heute im FC Bayern Museum noch ein Hingucker ist. „Trofeo Santiago Bernabéu“ heißt die Trophäe, die unser Verein im Jahr 1979 bei der Premiere des Freundschafts-Turniers zu Ehren des ehemaligen Spielers, Trainers und Präsidenten Santiago Bernabéu gewonnen hat. Die imposanten Rahmendaten: Sie ist 1,70 Meter hoch, 1,50 Meter breit, wiegt 64 Kilogramm und hat einen geschätzten Wert von 100.000 Euro. In der Schatzkammer erstrahlt sie in dem Glanz, in dem sie auch Karl-Heinz Rummenigge, Paul Breitner und Co. vor mehr als 40 Jahren nach dem Finalsieg gegen Ajax Amsterdam (2:0) in Empfang genommen haben. Ohne den Einsatz von Uwe Richter allerdings wäre sie wahrscheinlich: Schrott.
Richters Geschichte: Fan-Dasein kennt keine Grenzen
Richter machte sich im August 2011 selbst ein Bild vom Zustand des Pokals, er musste erstmal schlucken. Die Arbeiten an der metallenen Büste Bernabéus hat er sich zugetraut. Da die langjährige Lagerung in der Geschäftsstelle sowie im Aufgang zum ehemaligen Fanshop an der Säbener Straße aber auch auf dem Holzsockel – einem Modell des Real-Stadions – gravierende Spuren hinterlassen hatte, musste er kreativ werden. „Eine knifflige Aufgabe“ sei das gewesen, erzählt er, für zwei Monate stellte Richter in seinem Unternehmen (Fachgebiet: Schienenfahrzeugbau) sogar einen Tischler ein. Viel Aufwand, aber für Richter, ein DDR-Kind, „Ehrensache. Der Verein hat mir viel gegeben. Ich wollte zu meinem Wort stehen.“

Jeder Fan hat eine besondere Bindung zum FC Bayern, eine eigene Geschichte mit seinem Verein. Jene von Richter allerdings erzählt nicht nur die einer langjährigen Verbundenheit, sondern auch eine, die vom politischen Ost-West-Konflikt und einem Fan-Dasein ohne Grenzen handelt. 1961 wurde der heute zweifache Familienvater geboren, mit sieben Jahren sah er zum ersten Mal ein Spiel der Bundesliga, und als sich der FC Bayern in den siebziger Jahren dann mit Borussia Mönchengladbach duellierte, war es um ihn geschehen. Sein Idol? „Natürlich schon immer Gerd Müller“, aber auch Sepp Maier und Franz Beckenbauer hatten es dem Buben angetan.
„Ich war fasziniert von der Cleverness, der Abgeklärtheit dieser Spieler“, sagt er. Die „Sportschau“ war auf dem kleinen TV in Sachsen ein fester Termin, nachmittags hörte Richter bereits im B1-Radio Reportagen. „Meine Eltern haben sich schon gewundert, ob alles normal mit mir ist“, sagt er lachend. Das Wochenende gehörte halt dem FC Bayern. Mit zehn Jahren wusste Richter, „dass ich irgendwann zu einem Bayern-Spiel möchte“. Er überlegt, erinnert sich an damals – und fügt hinzu: „Wie, das wusste ich nicht. Aber ich wusste es.“
Mit Tricks ins Hotel, mit Ticket wieder raus
Es dauerte ein wenig, aber Richter hielt an seinem Plan fest. Am 19. September 1979 schließlich war er „die treibende Kraft“, als eine Gruppe von Freunden sich aus der Schule auf nach Prag machte. UEFA-Cup, 1. Runde, Bohemians Prag – FC Bayern, 0:2. Auch 1981, als die Bayern im Viertelfinale des Europapokals der Landesmeister bei Banik Ostrau gastierten (4:2-Sieg) und 1982 im nächsten Viertelfinale beim rumänischen Meister Universitates Craiova (2:0-Sieg) war Richter dabei. Wann immer er die Möglichkeit sah, setzte er sich ins Auto. Jedes Mal ohne Eintrittskarte – aber jedes Mal war er am Ende im Stadion.
Richter spricht von „Tricks“, mit denen er sich Zutritt verschaffte. Briefe im Vorfeld – aus der DDR nach München – „kamen natürlich nie an“, in Ostrau ging Richter sogar leer aus, als Uli Hoeneß aus dem Bus heraus versuchte, den Bayern-Fans aus dem Osten Karten zu überreichen („wir wurden fast erdrückt“). Dafür verschaffte sich Richter halt Zutritt ins Hotel. Ein paar West-Mark an Sicherheits- oder Service-Kräfte, meist ein kleiner Umweg über die Küche – dann war er drin. Raus ging er erst wieder, wenn er sich eine Karte organisiert hatte. Es klappte immer, „und das sind schon Erlebnisse, die sich eingeprägt haben“.
Natürlich war Richter nicht der Einzige, „es gab bei uns viele Bayern-Fans damals “, sagt er. Allerdings fand er immer Mittel und Wege, auf seinen Reisen keine Aufmerksamkeit der StaSi auf sich zu ziehen: „Ich habe meine Akte mal angesehen, ich hatte nie mit Sanktionen zu kämpfen.“ Er seufzt. „Aber gut! Die DDR ist Geschichte.“ Seine Liebe zum FC Bayern aber nicht.

Der Bernabéu-Pokal musste in zwei Fuhren zurück nach München
Gleich 1989 nutzte er die Gelegenheit, ein Spiel in München zu verfolgen. Im Olympiastadion gastierte der Karlsruher SC, wieder so ein Tag, den er nie vergisst. Genau wie jener im April 2012, an dem Richter und sein Team den Bernabéu-Pokal in zwei Fuhren zurück in die Allianz Arena brachten. „Stolz und erleichtert“ sei er damals gewesen, sagt er, bei der Übergabe genau wie ein paar Monate später bei der Eröffnung des FC Bayern Museums. Zeitzeugen wie unter anderem Karl-Heinz Rummenigge bestätigten: Er sieht aus wie damals. Genau so gut erhalten wie 1979, als er für den Transport nach München im Flugzeug übrigens auch auseinander gebaut werden musste.
Richter erzählt diese, seine Geschichte heute mit einer großen Portion Humor. Aber er hat aus den Restaurations-Monaten viel mitgenommen. „Ich bin lieber ein Optimist, der sich mal irrt, als ein Pessimist, der dauernd recht hat“, sagt er. So lebt man zufriedener. Keine Arbeitsstunde hat er bereut. Im Gegenteil. Wahrscheinlich würde er heute wieder Ja sagen.
Auch das FC Bayern Museum bedankt sich für diesen tollen Einsatz! Die größte und schwerste Tropähe in der Ausstellung ist ein Highlight für die Besucher!
Fotos Pokal im FCB Museum: Jens Utzt