Das Grinsen von Wilhelm Neudecker ist unverkennlich, das Foto auch heute, mehr als 50 Jahre später, ein echter Hingucker. Ein Glas Schampus in der Hand, bereit zum Anstoßen mit all denen, die in diesem Moment um den Präsidenten des FC Bayern saßen und standen. Abteilungsleiter Emil Hammer zum Beispiel, oder auch Spielausschuss-Leiter Emeran Ludwig. Neudecker prostete ihnen allen zu. Auf sich, den Verein, die neue Abteilung und all das, was auf den Eishockey-Feldern der Republik für die Bayern so kommen sollte.
Gedruckt wurde die Aufnahme 1966 in den Club-Nachrichten unter der Überschrift „Wir stellen vor“. Normalerweise eine Rubrik für Personalien, größere wie kleinere, und dieses Mal handelte es sich um eine ganz große. Die Neuigkeit lautete nämlich: „Unsere neue Eishockey-Abteilung“. Und im Text hieß es ein paar Monate, nachdem der FC Bayern die Sparte des Münchner Eislauf-Vereins MEV übernommen hatte: „Schon die ersten Wochen des Zusammenschlusses zeigten, dass wir damit einen guten Griff getan hatten.“ Stolz war man damals, man hatte Großes vor. Heute weiß man, dass die Abteilung – wie einige andere – nur eine kurze Episode der Vereinsgeschichte war.
Das Organigramm des FC Bayern München eV zeigt im Jahr 2019 sieben Sparten. Neben der in der AG ausgegliederten Fußball-Profi-Mannschaft sind die Bayern im Basketball, Handball, Schach, Kegeln, Tischtennis sowie als Fußball-Schiedsrichter und Senioren aktiv, in den jeweiligen Ligen sind sie feste Größen, seit Jahren und Jahrzehnten dabei. So, wie das im Laufe des vergangenen Jahrhunderts auch mal in Eishockey-Stadien war.
Die Bayern als Wintersport-Verein
Die Bayern als Wintersport-Verein? Heute kaum zu glauben. Dabei spielten sie in der kurzen Eishockey-Episode sogar erstklassig. „Keine Mühen scheuen“ wolle man, so hieß es in den Club-Nachrichten, um das gesteckte Ziel – den Aufstieg in die Bundesliga, die Schaffung einer Eishockey-Hochburg in der bayerischen Landeshauptstadt – zu erreichen. Ambitioniert war das, fand der Kufensport doch damals eher in ländlichen Gebieten statt. Neudecker wollte es trotzdem probieren, sich die schon mehr als ein Jahrhundert andauernde Schlittschuhlaufbewegung zunutze machen. Als der MEV, seit 1883 bestehend und somit der älteste Eislauf-Verein Münchens, zur Übergabe der Abteilung bereit war, schlugen die Bayern daher zu.
Die Rückrunde der Saison 1965/66 wurde bereits unter dem Namen „FC Bayern München“ bestritten, der dritte Platz in der Oberliga ließ aufhorchen, im Jahr danach klappte es mit dem Aufstieg in die Bundesliga Süd. Schon zu Beginn der Saison wurde geschrieben: „Sicher werden wir in dieser Spielzeit noch hervorragende Spiele im Prinzregentenstadion und in der neuen Eishalle am Oberwiesenfeld sehen.“ Dort, wo heute der EHC Red Bull München seine Gäste empfängt, liefen damals die Bayern auf. Ein Foto der von Bürgermeister Georg Brauchle anmoderierten Premiere gegen den SC Riessersee zierte im Februar 1967 das Titelblatt der Clubzeitung. Später gastierten Augsburg, Miesbach, Landshut, Holzkirchen und Co.
Drei Erstliga-Teams: Bundesweit einzigartig
Sportlich hatte Trainer Jano Starsi alles im Griff, den „tüchtigen Eishockey-Spielern“ wurde nach dem Aufstieg offiziell gratuliert. Noch heute erinnert im FC Bayern Museum in der Vitrine der ehemaligen Abteilungen eine Siegermedaille an den Erfolg, der die Bayern übrigens bundesweit einzigartig machte. Eine Bundesliga-Mannschaft in drei Sportarten – Fußball, Basketball und Eishockey – konnte kein anderer deutscher Club vorweisen. Als dann auch noch der DEV-Pokal gegen den damaligen deutschen Meister EG Düsseldorf gewonnen wurde, schwebte man kurzzeitig auf Wolke sieben.
Allerdings gab es auch eine Kehrseite der Medaille, die schnell überwog. Denn die Hoffnung Neudeckers, in München eine Eishockey-Hochburg zu errichten, Münchner für den schnellen Kufen-Sport zu begeistern, wurde nicht erhört. Das wurde nicht nur beim Blick auf die Besucherzahlen deutlich („allenfalls 2000 Fanatiker geben sich ein provinzielles Stelldichein“), sondern auch bei dem Versuch, Nachwuchsspieler zu rekrutieren. Keine drei Jahre nach der Gründung der Abteilung musste man sich bei der Jahreshauptversammlung 1969 bereits rechtfertigen.
Gerade mal 50 waschechte Münchner spielten bei den Bayern Eishockey, die Aktiven kamen zumeist aus dem Oberland. Man investierte in Ablösesummen, Fahrtkosten, Verdienstausfälle – die Ausgaben läpperten sich so sehr, dass die Abteilung auf der Kippe stand. Den Worten „welche Zukunft der Eishockey-Abteilung beschieden sein wird, müssen die nächsten Monate zeigen“, folgte das Aus. Neudecker verkaufte die Abteilung zu einem niedrigen sechsstelligen Preis an den Augsburger EV. Spieler und Ausrüstung zogen 70 Kilometer weiter, eine Episode fand ihr schnelles Ende.
G’schichten, die das Eishockey schreibt
Der Ruhm der großen Fußballstars blieb den Eishockey-Spielern des Vereins vielleicht verwehrt, trotzdem sind sie Teil der Bayern-Geschichte. Genau wie schon zuvor andere Kufensportler. Franz Kreisel zum Beispiel, der Mann, der von 1911 an fünf Jahre das Bayern-Tor hütete, wurde mit dem SC Riessersee 1927 Deutscher Meister und nahm 1928 als Eishockey-Nationalspieler an den Olympischen Spielen in St. Moritz teil.
Und für kurze Zeit stand sogar einen „Eishockey-Präsidenten“ an der Spitze des FC Bayern. Karl Wild, FC Bayern-Mitglied seit 1944, war ebenso mit dem SC Riessersee sechs Mal deutscher Champion und zudem vielfacher Eishockey-Nationalspieler, bevor er 1955 für einige Monate das Amt de FC Bayern-Präsidenten inne hatte. G’schichten gibt’s…
Fotos: ©FC Bayern Archiv