
Acht Fußballfelder. 30 Hektar Land. 35 Apartments. Ein Stadion mit 2.500 Plätzen. Das sind nur ein paar Fakten, die die Dimension des FC Bayern Campus greifbar machen. Endlich, so sagte man bei der Eröffnung im August 2017, hatte die Jugend unseres Vereins ihre eigene Heimat gefunden. Ein Satz, den man auch schon rund 90 Jahre zuvor hatte aufschnappen können. Denn auch damals wurden stolz die ersten Jugend-Plätze eingeweiht, gar nicht weit entfernt vom heutigen Campus in Freimann. Keine fünf Kilometer Luftlinie weiter stadteinwärts gab es kurz nach dem Ersten Weltkrieg etwas, das man heute wohl als Jugend-Akademie bezeichnen würde.
„Die neuen Plätze liegen an der äußeren Ungererstraße unterhalb des nördlichen Friedhofes und sind mit der Straßenbahn (Linie 6 und 13) zu erreichen“ – so wurde der „Campus“ anno 1926 in den „Club-Nachrichten“ vorgestellt. Die Neuigkeit erfüllte alle Mitglieder mit Stolz, vor allem aber jene, die bei den Verhandlungen mit der Stadt sowie dem ehemaligen Stammverein TV Jahn federführend agiert hatten. Dutzende von persönlichen Vorsprachen bei verschiedensten amtlichen Stellen waren nötig; Stadtrat, Lokalbaukommission, Wasseramt – alle wollten mitreden, bevor das zunächst acht Tagwerk (2,7 Hektar) große Areal im Norden Münchens ab Herbst 1925 zum Zwecke der Jugendarbeit zur Verfügung gestellt werden konnte. „Gegenseitiges Entgegenkommen“ half schließlich, die Sache zu beschleunigen. Und ab diesem Moment hatte der FC Bayern keine Ausreden mehr.

Jugend als notwendiges Fundament
Denn dass es für die Jugend in den ersten Jahren nach dem Krieg nicht ansatzweise so gut lief wie davor, lag an der bis dato ungeklärten Platzfrage. „Man schwang gerade noch im Haufen der übrigen Vereine mit“, heißt es in der 50-Jahr-Chronik, in der die frühe Jugendarbeit des FCB bis ins Detail geschildert ist. Ein vierter Platz in der Meisterschaftsrunde des Jahres 1924 – unter anderem hinter dem TSV 1860 – brachte die Erkenntnis, dass es so nicht weitergehen konnte. 1925 verkündete die Vereinsführung, „dass eine mitglieder- und spielstarke Jugendabteilung das unbedingt notwendige Fundament eines gutgeleiteten Fußballvereins sein muss“. Und dass es dafür nicht nur Beine braucht, sondern auch Steine.
Es war ein Segen, dass zu jener Zeit Siegfried Herrmann die Geschicke leitete, also jener Mann, der bereits vor dem Krieg für die Jugend verantwortlich gezeichnet hatte und die Abteilung binnen weniger Jahre von 60 auf 400 Mitglieder wachsen ließ. Der heutige Ehrenpräsident war ein Pionier im Jugendfußball, er kannte sich aus wie kein Zweiter. Und das Wichtigste: Er wusste, was er wollte. Der alte Platz sowie ein Trainingsspielfeld an der Leopoldstraße, die der Jugend in beschränkter Weise zur Verfügung standen, waren zu wenig. Seit 1923 mussten die Mannschaften so gut wie all ihre Partien auf fremden Plätzen austragen, Heimspiele kannte man nicht. Dabei wollte Herrmann so gerne „Massen der Jugend für das Fußballspiel begeistern“. Nur, wo?
Das Gelände nahe des Nordfriedhofs bot sich an, und man war auch gewillt, sich das Projekt einiges kosten zu lassen. Über 10.000 Mark wurden gemeinsam mit der Stadt und dem TV Jahn in die Hand genommen – damals eine Welt. Darin, dass „nutzbringender diese Summe für den Sport nicht angelegt werden konnte“, waren sich die Verantwortlichen einig. 92 Jugendliche hatte Herrmann nach seiner Rückkehr zur Saison 1925/26 als Leiter übernommen, ein Grundstock stand. Den Rest erledigte die neue Infrastruktur, die nicht nur in München, sondern deutschlandweit ihresgleichen suchte – und enorme Strahlkraft hatte.
27 Spiele parallel auf neun Plätzen
Zunächst vier, später – nach Erweiterung des Areals – acht und am Ende neun Plätze durfte die Jugend nutzen, bequem konnten sich in den Garderoben mehr als 200 Junioren umziehen. Ein Waschraum mit „acht Hähnen und zwei Deckenbrausen“ stand zur Verfügung, dazu eine Umkleide für Schiedsrichter und sogar eine Wohnung für den Platzwart. Rasch rekrutierte Herrmann auch die nötige Anzahl an Betreuern, wobei neben ehemaligen Spielern auf eine gesunde Mischung geachtet wurde. 32 Mann waren es schnell, „ein Riesenapparat für eine Riesensache“. Lehrer, Staatsbeamte und Kaufleute waren dabei – und drei Mediziner sollten „auch in gesundheitlicher Hinsicht rechtzeitig Schäden von der anvertrauten Jugend fernhalten“. Hochprofessionell ging es zu.
Der Zulauf war enorm, die Zahl der kickenden Jugendlichen hatte sich in weniger als einem Jahr mehr als verdoppelt, und die Spieltage am „Campus“ waren echte Attraktionen. „Über das Ausmaß dieses riesigen Spielbetriebs kann sich nur der einen Begriff machen, der diese Sonntagvormittage dort unten miterlebt hat“, hieß es in den „Club-Nachrichten“. 27 Spiele – Anpfiff 9 Uhr, 10.20 Uhr und 11.45 Uhr parallel auf neun Plätzen– fanden an einem gewöhnlichen Sonntag statt; waren die einen fertig, standen die nächsten schon bereit. Insgesamt 496 Partien absolvierten Bayerns Jugendmannschaften im ersten Jahr („ein vielversprechender Anfang“), 770 waren es 1927, gar 951 im Jahr 1928. Sie wollten kicken, kicken und kicken, man schrieb: „Die gesamten Jugendmannschaften der übrigen Münchner Vereine konnten nur zum Teil als Gegner den Spielhunger dieser beim FC Bayern verankerten Jugendmannschaften stillen.“ Der FC Bayern arbeitete gewissermaßen auch für die anderen Clubs. Denn überdurchschnittlich gut ausgebildet waren in den Schüler- (10-13 Jahre) und Jugend-Mannschaften (14-17 Jahre) ja auch jene Buben, die im Junioren-Alter nicht den Sprung in die erste Mannschaft schafften, sondern wechselten.
Wer zu den Bayern wollte, musste sein Können in internen Spielen erst mal beweisen. Und auch später war Kritikfähigkeit gefragt. Montags versammelten sich die einzelnen Mannschaften, um die Spiele des Wochenendes zu reflektieren, Lehren zu ziehen, besser zu werden. Denn auf Erfolgen ausruhen – das war am „Campus“ nicht erlaubt. Die Höchstleistung im Jugendspielbetrieb wurde in der Saison 1927/28 geleistet, inzwischen hatte der FC Bayern mit 535 Mitgliedern die größte Jugendabteilung eines deutschen Fußballvereins.

Wöchentliche Ladekarten an die Teams
Wer in den Pflichtspielen antreten durfte, bekam stets per Post Bescheid. Elf Mann pro Team wurden Woche für Woche angeschrieben, auf sogenannten Ladekarten kommunizierte die Geschäftsstelle die exakten Spieldaten. 7.000 Post-Ausläufe waren allein dafür jährlich nötig, inklusive persönlich zugestellter Zeitungen, Rundschreiben und Einstellungskarten waren es gar 14.000. Das war nicht nur verwaltungstechnisch, sondern auch finanziell ein enorm hoher Aufwand – wenn man bedenkt, dass jede Postkarte mit drei Pfennig Porto frankiert werden musste.

Es war eine Ehre, für den FC Bayern zu spielen, nach und nach konnten sich auch die Jugendspieler sogar ein Ehrenabzeichen verdienen. Vergeben wurde es nach -einem System, nach dem Punkte gesammelt, aber auch wieder abgezogen wurden. Als es wiederholt vorgekommen war, dass geladene Spieler einer Partie fernblieben – und das jeweilige Team teils zu zehnt -antreten musste –, verkündete Siegfried Herrmann über die „Club-Nachrichten“, dass die Absenz bei Wettspielen in Zukunft mit dem -Abzug von zwei Punkten geahndet werden würde. An die Regeln hatten sich alle Bayern zu halten.
Herrmann hatte die Abteilung fest im Griff, bis er im Jahr 1930 aus beruflichen Gründen als Jugendleiter ausschied. Sein Abschied ging einher mit der Weltwirtschaftskrise und dem Beginn schwerer Zeiten, auch für den FC Bayern. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden bereits 1934 die Schülerabteilungen der 10- bis 14-Jährigen aller Vereine der Hitlerjugend (HJ) unterstellt; spielen durfte alsbald nur noch, wer auch Mitglied der HJ war. Dass diese zudem jedes zweite -Wochenende alle Schüler sowie die Spielplätze an der Ungererstraße für sich beanspruchte, machte die Jugendarbeit im Verein nicht einfacher. Ab 1936 wurden alle Schülerabteilungen aufgelöst und gingen komplett in die HJ über, parallel dazu sank die Anzahl an Jugendmannschaften rapide. So konnte der FC Bayern 1942 lediglich noch vier dieser Teams stellen.
Die Spielplätze an der Ungererstraße schließlich fielen im Juli 1943 durch Bombenverheerungen völlig aus. Der mit Stolz 17 Jahre vorher verkündete Satz – „wollen wir hoffen, dass uns diese Heimat der -Bayernjugend möglichst viele Jahre erhalten bleibt“ – war in diesem Moment Geschichte.