Logo FC Bayern München

FC Bayern Museum: Infos, Tickets, Ausstellungen

Leopoldstra%C3%9Fe_1914

Die erste Festung

Die Bäume gab es schon damals, als eigentlich noch alles anders war. Die Leopoldstraße hieß Schwabingerlandstraße; sie zählte nicht zur Innenstadt, sondern zum Stadtrand Münchens, und sie war nicht dicht besiedelt von Geschäften, sondern bot viel Freifläche. Allerdings war sie auch schon vor mehr als 100 Jahren eine Allee, und die riesigen Pappeln, die heute noch stehen, warfen Schatten auf die wenigen Bauten links und rechts der Straße. Natürlich auch auf jene, die zu dem Areal gehörten, auf dem der FC Bayern einst zu Hause war. Erstmals beschrieben wurde die Anlage in der Zeitschrift „Der Rasensport“, Ausgabe vom 17. Juli 1907, knapp zwei Monate bevor das erste Stadion unseres Vereins beim 8:1 gegen Wacker München offiziell eingeweiht wurde.

Das 115 Jahre alte Zeitdokument, das im Archiv des FC Bayern Museums verwahrt wird, bietet auf knapp drei Seiten Eindrücke, die das 300 Meter lange und insgesamt drei Hektar große Sportzentrum auf Höhe des Parzivalplatzes auch heute noch zum Leben erwecken. Zwar ist in der Dauerausstellung des Museums auch ein detailreiches Modell des Stadions zu sehen. Der historische Artikel über die Entstehungsgeschichte macht aber noch deutlicher, welche Dimension das Projekt hatte, das der Münchner Sportclub (MSC) als Stammverein der „F.A. Bayern“ initiierte. „Alle Liebhaber des schönen Rasensportes“, heißt es, „sind dem MSC zu Dank verpflichtet, dass er selbst die größten Geldopfer nicht scheut, um dem Münchner Sport eine Heimstätte zu schaffen, die seiner würdig ist.“ Und dem FC Bayern eine erste echte Heimat.

Der FCB macht den Fußball populär

Obwohl der Verein nur sieben Jahre zuvor gegründet worden war, kam das Stadion nicht zu früh. Denn dass der Platz an der Clemensstraße, an dem die Heimspiele zunächst statt-fanden, zu klein war, merkten die Bayern der ersten Stunde schnell. Mehr als 1.000 Zuschauer strömten 1905 beim Spiel gegen den Karlsruher FV auf das Areal, das gerade genug Raum für ein Fußballfeld bot. Die Infrastruktur passte nicht zum wachsenden Interesse am FCB. Es war ein Segen, dass der MSC zu dieser Zeit die modernste Sportanlage Münchens plante. Die Bayern schlossen sich dem großen Verein 1906 als eigenständige Abteilung an. „Rasensport“ schrieb: „Auf diesem Platz wird an dem Werk weitergearbeitet: An der Popularisierung des Fußballsportes.“

1906_Graphik_Text_Herrmann_FCB-MSC__bearb
Design-Fusion: grafische Darstellung des Zusammenschlusses von FCB und MSC aus dem Jahr 1906.

Die Bayern waren als Zugpferd natürlich bestens geeignet. Und sie waren ihrer Zeit auch ein gutes Stück voraus. Die Menschen kamen, weil guter Fußball geboten wurde und auch die imposante Anlage in unmittelbarer Nähe zur Güterbahnhof-Station Schwabing durchaus sehenswert war. Kassenhäuschen, Garage, Umkleideräume mit Waschgelegenheiten, Sekretariatszimmer, Telefonkabine, Erfrischungspavillon, Bauernhäuschen für den Clubdiener, Gartenanlage, dazu ein Leichtathletikplatz sowie mehrere Hockey- und Tennisplätze: Es war an alles gedacht worden. Und es gab eben auch ein echtes Münchner Novum: Die überdachte Tribüne wurde als „Zierde der Anlage“ bezeichnet und im Volksmund auch „Schuhschachtel“ genannt. Sie sprengte für damalige Verhältnisse alle Dimensionen.

Die erste überdachte Tribüne

5.000 Mark hatte sich der MSC den Bau kosten lassen, der 16 Meter lang, acht Meter breit und neun Meter hoch war. Von den rund 200 Plätzen war der höchste auf sieben, der niedrigste auf vier Meter Höhe montiert – man hatte also beste Sicht auf das Feld, auf dem die Bayern schnell auch internationale Gegner empfingen. Ursprünglich war für insgesamt 1.000 Zuschauer geplant worden, als aber nicht einmal ein Jahr nach der Einweihung, im April 1908, die „Pirates“ aus England gastierten, standen bereits 2.000 zahlende Zuschauer dicht gedrängt um den Platz. Und als dann im April 1911 der Deutsche Meister Karlsruher FV anreiste und es für den FC Bayern um die Süddeutsche Meisterschaft ging, strömten mehr als 5.000 Zuschauer in die Sportanlage des MSC.

Das war nur möglich, weil durch Bodenaufschüttungen zusätzliche Stehränge geschaffen und Stufenbauten aus Holz aufgestellt wurden. Die Bauherren des Geländes, das der Stadt gehörte und günstig an den MSC verpachtet wurde, kannten sich aber mit der Materie schon aus der Entstehungszeit bestens aus. Als die Arbeiten nämlich im Jahr 1906 aufgenommen wurden, musste erst mal der Zeitplan angepasst werden. Die Planierung dauerte, denn es waren tatsächlich 3.000 Tonnen Schutt notwendig, um eine glatte Fläche zu schaffen. Erst als alle Unebenheiten beseitigt waren, konnte mit der Ausmessung und Aufteilung unter den Abteilungen begonnen werden. Dass die wichtige Rolle des Fußballs sich auch baulich zeigen sollte, war klar. Man investierte auch später in noch bessere Bedingungen. Geld wurde neben der Erweiterung der Zuschauerplätze auch für eine Flutlichtanlage in die Hand genommen, „mittels der man bei guter Sicht trainieren konnte“, wie sich der spätere Präsident Kurt Landauer erinnerte.

DE-1992-FS-NL-DOM-049-24
Flanieren vor dem Stadion: Erst Anfang der 60er Jahre musste die Tribüne der Erweiterung der Straße weichen.

Rot-weiße Tore als Markenzeichen

Das satte Grün war zu erkennen, das Leder des Balls sowieso, aber natürlich auch die ungewöhnlichen Farben der Tore. Denn obwohl der FC Bayern bei seinem Beitritt zum MSC nahezu eigenständig bleiben durfte, war dem Stammverein eine Sache wichtig: Die Vereinsfarben – Rot und Weiß – mussten auch bei den Fußballern sichtbar sein, auf Spielerkleidung, und eben bei den Toren. Dass der FC Bayern, der bis dato in Hellblau/Weiß oder Weiß/Schwarz aufgelaufen war, auch heute noch in Rot spielt, nimmt seinen Ursprung also zu jener Zeit, in der die Spiele an der Leopoldstraße ausgetragen wurden.

Der absolute Zuschauerrekord wurde nach dem Ersten Weltkrieg erzielt. Die Angaben diverser Quellen zum Derby gegen den Turnverein von 1860 im Oktober 1920 schwanken zwischen 6.000 und 8.000 Besuchern, die irgendwie Platz fanden. Ab dem Saisonstart 1922/23 wurden nur noch vereinzelt Bayern-Heimspiele an der Leopoldstraße ausgetragen, mehr und mehr wurde an der Marbachstraße und schließlich an der Lerche-nauer Straße gekickt. Nach dem allerletzten Spiel am 11. Mai 1924 zogen die Bayern schließlich endgültig weiter. Die ersten Herren landeten im Heinrich-Zisch-Stadion, heute besser bekannt als Städtisches Stadion an der Grünwalder Straße, Luftlinie acht Kilometer entfernt. Anders als die „Schuhschachtel“ steht es heute noch. An der Leopoldstraße erinnert kaum mehr etwas an damals. Außer halt die Pappeln.

Leopoldstra%C3%9Fe_Derby_1920_sw
Derby 1920: Gegen den TSV 1860 dient das Clubhaus als Ersatztribüne - der FCB gewinnt vor einer Rekordkulisse mit 4:3.

Diesen Artikel teilen