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Walther Bensemann - der Vater des Spiels

Walther Bensemann hat den Fußball in Deutschland populär gemacht – und pflegte auch zum FC Bayern enge Verbindungen. In diesem Jahr wäre der Visionär 150 Jahre alt geworden. 

Bei dieser einen Frage muss selbst Bernd Beyer überlegen, aber sie liegt nun mal auf der Hand. Was Walther Bensemann (1873–1934) vom deutschen Fußball im Jahr 2023 halten würde? „Über die meisten Entwicklungen würde er sich freuen“, sagt der 72-Jährige. Darüber, dass der Sport, den der Pionier einst nach Deutschland brachte, „so populär ist und ihn so viele Menschen ausüben“, zum Beispiel. Sicher auch darüber, dass „so viele Jugendliche unterschiedlicher Herkunft gemeinsam kicken, Arme und Reiche, junge Menschen mit und ohne Migrationshintergrund“. Und natürlich auch über die Internationalisierung. Allerdings würde Bensemann freilich auch die Schattenseiten sehen: „Die Überkommerzialisierung wäre ihm ein Dorn im Auge.“  

Auch für Bernd Beyer sind die Aussagen Spekulation, aber man glaubt dem studierten Volkswirt, der das Leben von Walther Bensemann vor knapp zehn Jahren in einem biografischen Roman aufarbeitete. „Der Mann, der den Fußball nach Deutschland brachte“ nannte er sein Werk – und er sagt mit Bestimmtheit: „Bensemann hat das Potenzial des Fußballs als Volkssport am klarsten gesehen und am deutlichsten gefördert.“ Das gilt für ganz Süddeutschland, wo der spätere Gründer des „kicker“ das „Fußball-Virus“ verbreitete. Es gilt aber insbesondere für München, wo Bensemann, der im Januar 150 Jahre alt geworden wäre, mitverantwortlich für die Gründung des FC Bayern war. Von einer „speziellen und intensiven Beziehung“ spricht Beyer. Angesichts der Tatsache, dass Bensemann im Jahr 1897 die Fußballabteilung des MTV München – dem Vorläufer des FC Bayern – aus der Taufe hob, scheint das fast untertrieben. Oben im Bild ist Bensemann im Kreise seiner Mannschaftskollegen beim MTV zu sehen.

Als „spiritus rector“ bezeichnet ihn Beyer; Kosmopolit Bensemann bewirkte viel, agierte aber am liebsten im Hintergrund. Die Gründung der MTV-Abteilung etwa erwähnte er selbst nie explizit, dabei war der damalige Student 1897 im Rahmen eines Gastspiels seiner überragenden Karlsruher Mannschaft maßgeblich daran beteiligt, dass sich Gründervater Franz John und die ersten Mitglieder fanden – und gemeinsame Pläne schmiedeten. „Bensemann brachte Sachverstand und viel Überzeugungskraft“, erzählt Beyer. Weil er zudem „hochgradig kulturell interessiert“ war, passte er gut ins Münchner Künstler-Milieu, dem die meisten Bayern der ersten Stunde entstammten. Die besondere Bindung zum FC Bayern schlug sich auch später in den Berichten des „kicker“ nieder. So schrieb der damalige Bayern-Trainer William Townley höchstpersönlich für die erste Ausgabe im Juli 1920, während Bensemann später verriet, dass allein vier der ersten 25 Abonnements von Bayern-Mitgliedern abgeschlossen worden waren. 

Bensemann war zeit seines Lebens Bayern-Freund, Beyer sagt: „Vor allem mit Kurt Landauer war er auf einer Wellenlänge.“ Die „Art der Weltoffenheit“ einte die herausragenden Persönlichkeiten, beide verstanden das Wirken des Sports weit über den Platz hinaus. Der Gedanke der Völkerverständigung war damals nicht weit verbreitet, Bensemann jedoch wollte ihn auf allen Ebenen mit Leben füllen. So ging die Organisation der „Ur-Länderspiele“ genauso auf ihn zurück wie die Auseinandersetzung mit engstirnigen DFB-Funktionären. Bensemann machte sich nicht nur Freunde, aber das war ihm egal. Im „kicker“ hatte er sein Forum, und seine Glossen, mit spitzer Feder geschrieben, waren legendär. Von „vergnüglicher Lektüre“ spricht Beyer noch heute – und er weiß, wovon er spricht. Im Rahmen seines Buches hat er jeden einzelnen Text gelesen, „stilistisch wunderbar“. 

Bensemann lebte für den Fußball, und der Sohn einer Bankiersfamilie nahm auch viel Geld für seinen Sport in die Hand. Die Organisation der Länderspiele schlug auf die Kasse, zudem unterstützte er Teams mit Ausrüstung und half darüber hinaus, wo er konnte. Beim FC Bayern etwa hatte Bensemann auch aus der Ferne eine beratende Tätigkeit inne – die allerdings manchmal an der Logistik scheiterte. Als er Landauer einst per Brief einen englischen Trainer ans Herz legen wollte, war der bei der Öffnung der Post schon in Prag angestellt. Bensemann sagte: „Dann werde ich halt weiterschauen, ob ich einen Trainer für den FC Bayern finde.“ Man konnte sich aufeinander verlassen, „das liest man zwischen den Zeilen“, sagt Beyer.  

Die tragische Wende nahm Bensemanns Leben kurz nach dem Gewinn der ersten Deutschen Meisterschaft 1932. Als die NSDAP an die Macht kam, emigrierte der Berliner jüdischer Abstammung in die Schweiz und starb dort mittellos und gebrochen. Der FC Bayern schickte zur Beerdigung einen Kranz, lange aber spielte der Name Bensemann im deutschen Fußball keine Rolle mehr. Für Beyer hat das, was man über diesen besonderen Mann wusste, „ausgereicht, um mein Interesse zu wecken“. Und er sagt heute mit voller Bestimmtheit: „Dieses Erbe sollte sich der deutsche Fußball bewahren.“ 

Info zum Autor Bernd Beyer: 
Bernd Beyer, Jahrgang 1950, arbeitete zunächst als Tageszeitungsredakteur, danach studierte er Politik und Volkswirtschaft. Von 1981 bis 2015 war er als verantwortlicher Lektor im Verlag Die Werkstatt mit Schwerpunkt Fußballgeschichte tätig. Er ist Mitglied der Deutschen Akademie für Fußballkultur.

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