
Walter Falkner ist Mitarbeiter im Service-Team des FC Bayern Museums – und zaubert den Besuchern auch noch mit 80 Jahren dank Charme und Witz stets ein Lächeln ins Gesicht.
Das laute „Danke“ hallt aus dem Zeittunnel ins Foyer des FC Bayern Museums, den Absender kann man nur noch erahnen. Aber Walter Falkner weiß genau, dass er gemeint ist, denn er kennt ja die Vorgeschichte. „Sechs Freunde aus Österreich, aber nur fünf Eintrittskarten für die gewünschte Uhrzeit“, erzählt der Service-Mitarbeiter aus dem Museumsteam. Freilich hat er da geholfen, „das gehört ja zu meinem Job“. Und überhaupt gibt es für Falkner, 80 Jahre alt, eigentlich kein Problem, das nicht gelöst werden kann. Beziehungsweise: Das er nicht selbst lösen will.
„Servus, or English: hello?“
Er würde gerne weitererzählen, aber gerade geht es nicht. Es wuselt im Eingangsbereich – in der Spitze begrüßte das Vereinsmuseum in den Osterferien mehr als 4.500 Besucher pro Tag –, und gerade geht die Tür von draußen wieder auf. Eine Familie tritt ein, „Servus, or English: hello?“, jeder wird persönlich begrüßt und zur richtigen Stelle geleitet. Eintrittskarte vorzeigen, Falkner nimmt die Brille ab; den Gästen ins Gesicht blicken, Falkner setzt die Brille wieder auf. Man sieht diesem Mann, der im Mai sein zehnjähriges Jubiläum als Mitarbeiter feiert, die Freude an seiner Arbeit an. „Ja“, sagt er, „i hob a Gaudi.“ Und „Ja“, sagen seine Kolleginnen und Kollegen: „Es gab noch keinen Arbeitstag, an dem er nicht mit einem Lächeln im Gesicht kam und mit einem Lächeln im Gesicht wieder ging.“

50 Kilometer sind es für Falkner von Inning am Ammersee nach München-Fröttmaning, „100 am Tag“, betont er, als sei der vergleichsweise weite Anfahrtsweg das Kurioseste an seiner Beschäftigung. Dass er seit dem 3. April 80 Jahre alt ist und sich auch ein wunderbar entspanntes Leben als Rentner machen könnte, klammert er gerne aus. Die Acht hat ihn schon mehr beschäftigt als die Sieben, gibt er zu. Inzwischen, ein paar Wochen nach den Feierlichkeiten mit der Familie in Ägypten, freut er sich aber schon auf den nächsten Geburtstag. „Wenn ich 81 bin, drehe ich die Zahlen einfach um“, sagt er und grinst wie ein Lausbub.
Der Gag wird in der Kategorie „ein echter Falkner“ verbucht. Aber wenn der Protagonist die Zeitreise schon vorschlägt, sollte man sie auch mitmachen. Also zurück in die 60er Jahre, eine Zeit, in der sich die Wege von Falkner und dem FC Bayern bereits mehrfach kreuzten. Fan war er schon lange (Dorfbilanz: „90 Prozent Bayern, zehn Prozent Löwen“), weil er aber auch selbst ganz gut kicken konnte, kam es früh zu Begegnungen mit den großen Stars. In Stegen am Ammersee, keine zwei Kilometer von Inning entfernt, machten die Bayern seinerzeit gerne Station, 1965 und 1968 spielte Falkner mit dem Bezirksligisten gar gegen Sepp Maier und Co. Eine Partie endete 1:10, aber Falkner wäre nicht Falkner, würde er nicht die positiven Aspekte betonen. „Keinen Stich“ habe etwa „Mucki“ Brenninger gegen ihn als Libero gemacht, erzählt er lachend. Außerdem wurde er am Rande der Partie zum persönlichen Fahrer von Maier. Als der Keeper auf der Suche nach einem Tennisplatz war, brachte Falkner ihn kurzerhand gleich hin. Den Lohn – ein paar Fußballschuhe in 43 („viel zu groß“) – holte er ein paar Wochen später an der Säbener Straße ab, „um die Treter für fünf Mass am Stammtisch zu verkaufen“.
Anekdoten wie diese hat Falkner, auf dem Platz früher „Dirigent wie der Franz“, einige parat, während er durch die Ausstellung geht. Die Gäste hat er trotzdem immer im Blick: „Ja genau“, sagt er in Richtung eines Schweizer Pärchens, „das Kino geht gleich wieder los.“ Kurz war er von der Filmvorführung im Museum abgelenkt, wo waren wir noch mal? Ach ja, Europapokal der Landesmeister 1974. Beim ersten Finale in Brüssel war Falkner dabei, beim Wiederholungsspiel leider nicht mehr. Dafür aber ein Jahr später beim nächsten Triumph in Paris. „Schöne Zeiten.“
Ein Lebenslauf war nicht nötig
An den Kinderstationen muss Falkner gleich zweimal anhalten. Die Bausteine für die Arena sind durcheinandergeraten, und in der „Pokalschmiede“ ist er zur Stelle, wenn die Trophäen für den nächsten kleinen Fan wieder in ihre Einzelteile zerlegt werden müssen. Auch in diesen Dingen hat er, selbst Vater, Opa und Uropa, Übung, „ich mach den Job ja schon eine Weile“. Dabei hatte er damals, als das Museum im Jahr 2012 eröffnet wurde und Mitarbeitende gesucht wurden, noch gezögert. Erst ein Jahr später, als ein Bekannter aus der Altherren-Mannschaft ihn erneut ansprach, fasste er sich ein Herz und griff zum Telefonhörer. „Einen Lebenslauf wollte man dann von mir“, sagt er und grinst. Seine Antwort: „Von mir brauchen Sie keinen Lebenslauf mehr. Ich komme vorbei und wir unterhalten uns.“ Einen Tag nach dem Gespräch vor Ort „hab ich schon arbeiten sollen“. Er hatte sofort überzeugt.

Es ist eine Mischung aus Lebenserfahrung, Sportsgeist und Menschenkenntnis, die Falkner so einmalig macht. Er würde das gerne ausführen, aber vor dem Haus von Bayern-Maskottchen Berni gab es einen kleinen Unfall. „Eine Wasserflasche ist ausgelaufen, ich hole schnell Tücher“, sagt er. Einmal ab durch die Ausstellung, gleich wieder da – und die Küchenrolle fortan unter den Arm geklemmt.
Wo waren wir stehen geblieben?
Ach ja, die Lebenserfahrung, die wäre ja wohl tagesfüllend. Aber immerhin verrät Falkner ein paar Details. Dass er im Heimatdorf „Pico“ genannt wird, weil er einst als noch nicht allzu groß gewachsener 14-Jähriger zum Kellner ausgebildet wurde. Dass er ein eigenes Sportgeschäft führte. Und auch, dass er in der ersten Herrenmannschaft spielte, bis er 39 war. Ein kleines, aber feines Zusatzdetail: Als Falkner 70 Jahre alt war, musste er noch mal aushelfen. „Pico, kannst du?“, hieß es da. Pico konnte, na klar!
Das Alter hat ihn noch nie aufgehalten, weder im Sport noch im Alltag. Spielertrainer war er noch lange („dreimal Trainer, dreimal aufgestiegen“), dazu 23 Jahre lang Schiedsrichter und bis heute im Tennisdoppel aktiv. Einen Achillessehnenriss steckte er erst vor Kurzem so gut weg, dass er nach zwei Monaten wieder fast der Alte war. Und beim Mitarbeiterturnier in der Allianz Arena vor einigen Jahren war er mit über 70 der einzige Museumsmitarbeiter, der dreimal 30 Minuten lang durchspielte. Ob das Team gewonnen hat? „Ja, was denn sonst?“
Für Falkners Schlusssätze soll das Licht etwas weniger grell sein. „Ich bin ja kein Faltner“, sagt er, haha. Also noch mal ein Stück weiter in der Ausstellung für die Antwort auf die Frage, wie lange er diesen Tag Arbeit pro Woche noch leisten will. Er kennt sie nicht, gibt er zu: „Ich kann nur sagen: solange es mir Spaß macht.“ Ein Ende scheint nicht in Sicht, zum Glück. Denken auch die Österreicher, die da gerade wieder vorbeikommen. Also die, die zu sechst sind – und jetzt auch sechs Karten haben. „Ois guad bei eich?“