
Früher war mehr Lametta? Wenn man ins Wohnzimmer der Familie Ohlhauser blickt, kann diese Weihnachtsthese durchaus gestützt werden. Über und über war der Weihnachtsbaum des ehemaligen Offensivspielers einst mit den Glitzerfäden bedeckt, aber seine Kinder interessierte der Blickfang überhaupt nicht. Die Geschenke – eine Puppe, ein Sombrero – waren natürlich viel spannender, die Augen funkelten. Szenen wie diese, anno 1968, spielen sich bis heute an Heiligabend in Millionen Wohnzimmern ab. Aber so herrliche Einblicke wie vor mehr als 50 Jahren gibt es nicht mehr allzu oft.

Homestorys hatten damals, als das Fußballgeschäft noch ein anderes war, Hochkonjunktur – und zwar nicht auf Instagram. Im Hause Maier wurde der Baum vor der Fotokamera geschmückt, die Beckenbauers stellten die Kerzen gemeinsam mit den Kleinsten auf, Klaus Augenthaler ließ sich beim Baumkauf begleiten. Schöne Schwarz-Weiß-Aufnahmen, noch heute nett anzusehen. Und ein wunderbarer Teil der Weihnachtsgeschichte des FC Bayern, die seit 123 Jahren geschrieben wird.
Ein Kapitel handelt von unverkennbaren Augen, oder doch nicht? Das Cover des Bayern-Magazins, das dieser Tage vor 40 Jahren erschien, hatten viele Mitglieder des FC Bayern lange auf dem Tisch liegen. Der Nikolaus auf dem Titelblatt sah authentisch aus, nur die Frage, wer sich hinter dem roten Kostüm und unter dem dicken Rauschebart versteckte, war auf den ersten Blick nicht eindeutig zu beantworten. Das „große Preisausschreiben“ bekam trotzdem viele Zusendungen – und auch einige Treffer. Denn – na klar! – diese Augen gehörten Jean-Marie Pfaff.

Man kann sich auch mit vier Jahrzehnten Abstand vorstellen, wie sehr sich der Torhüter beim Shooting amüsiert haben muss. Besondere Feste erfordern besondere Maßnahmen – Weihnachten gehört beim FC Bayern seit jeher dazu. Mannschaft, Mitglieder, Fans: Das „Fest des Schenkens und Gebens“, so stand es schon 1928 in den Clubnachrichten, ist für alle da. Daran sollte sich auch in den knapp 100 Jahren bis heute nichts ändern.
Das Repertoire reicht von großen Festlichkeiten über Geschenke und Grußkarten bis hin zu lustigen Covern. Die Idee dahinter aber blieb stets dieselbe. Zum Ende des Jahres, wenn der Ball oft auf Schnee statt Rasen rollte, ging der besinnliche Blick auf das, was einen Fußballverein ausmacht: die Gemeinschaft, das Miteinander, so war es schon im Jahr 1925, in dem die erste offizielle Weihnachtsfeier unseres Clubs dokumentiert wurde. Im „Hotel Union“ fand sie statt, ein Jahr später traf man sich sogar im „Bayerischen Hof“. Und als der Brauch nach den schweren Jahren rund um den Zweiten Weltkrieg ab Mitte der 50er Jahre wiederbelebt wurde, wurde im „Löwenbräukeller“ nicht sonderlich staad gefeiert.
Peter Alexander, Udo Jürgens, Howard Carpendale, Rainhard Fendrich, Otto Waalkes, Peter Kraus, Nicki und viele weitere bekannte Künstler gaben sich die Ehre, wenn die Bayern zum Feste luden. Großen Anklang fand zudem stets die große und traditionelle Tombola, bei der die Preise immer größer wurden. Ein wenig Ernüchterung gab es vor dem Fest im Jahr 1974. Weil ein Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Malta ausgerechnet auf den 22. Dezember verlegt wurde, musste die bereits geplante Feier abgesagt werden. „Eine Weihnachtsfeier ohne Nationalspieler? Daran hätte sich keiner von uns richtig freuen können“, hieß es in den Clubnachrichten. Sie wurde also verschoben – und zu einer 75-Jahr-Feier im Februar 1975 umgewandelt.
Froh und munter waren die passenden Schlagworte für diese legendären Abende der Bayern, die (Clubzeitung 1951) ja „auch so etwas wie eine große Familie“ sind. Wie groß diese Familie ist, konnten die Organisatoren der Jugendweihnachtsfeier schon im Jahr 1928 spüren. 500 Spieler samt Eltern wurden damals geladen, der Großteil sagte auch zu. Genau wie 60 Jahre später die Fanclubs, die sich via Club-Magazin um die damals neu eingeführten Fanclub-Besuche der Lizenzspieler bewarben. 150 von 260 wollten in der Adventszeit einen Profi empfangen, am Ende musste das Los entscheiden. Die Zahlen sind heute freilich ungleich größer – die Tradition ist aber immer noch genauso schön. Auch in diesem Jahr schwärmen die Profis wieder in alle Richtungen aus, um lustige, bunte und gesellige Nachmittage mit dem „zwölften Mann“ zu verbringen.

Rund um Weihnachten standen für die Profis schon immer ein paar mehr Termine an, besonders launig waren und sind die großen Fotoshootings, die zum Fest in jeder Familie dazugehören. Die Macher zeigen sich gerne kreativ – im Jahr 2011 zierte das Bayern-Magazin beispielsweise ein Christbaum mit einem Anhänger von jedem Profi. Legendär ist das Bild aus dem Jahr 2003, auf dem unter anderem Mehmet Scholl, Hasan Salihamidzic und Jens Jeremies mit Bällen, Schlitten und Geschenken vor dem Baum posierten. Ein paar Jahre später schoss das Team um Kapitän Philipp Lahm im feinen Zwirn gleich ein ganzes Mannschaftsfoto mit Präsenten – die größten hatten freilich Trainer Pep Guardiola und sein Assistent Hermann Gerland in der Hand. Im Vergleich zu 1984 allerdings war das noch ein geringer Aufwand. Denn da standen die von Udo Lattek trainierten Lizenzspieler gemeinsam mit dem Nymphenburger Kinderchor im Tonstudio. Bis heute ist die CD „Die schönste Zeit des Jahres – bekannte und neue Weihnachtslieder“ an der Hörbar im FC Bayern Museum ein beliebter Ohrenschmaus.
Im Archiv des Museums weihnachtet es sowieso sehr – und echte Hingucker sind immer wieder die jährlich verschickten Weihnachtskarten. Von FC Bayern-Christbaumkugeln über einen voll bepackten Berni und von Kindern gestaltete Zeichnungen bis hin zur weihnachtlich beleuchteten Geschäftsstelle an der Säbener Straße war an Motiven schon alles dabei. So wie übrigens auch bei den Weihnachtsgeschenken, zu denen es einige Anekdoten gibt. Eine davon spielt im Jahr 1965, in dem Trainer Zlatko „Tschik“ Cajkovski seiner Mannschaft Uhren zu Weihnachten schenkte – samt Gravur. Weil ihm der Name „Kupferschmidt“ zu lang war, steht auf dem Exemplar von Peter Kupferschmidt jedoch nur „Kupfer“.
18 Jahre zuvor gab es einen Aschenbecher als festliches Präsent. Er ist auch heute, also ein Dreivierteljahrhundert später, noch jeden Tag im Einsatz. Zwar wird er nicht mehr benutzt, aber er schmückt das im Original aufgebaute Präsidiumszimmer im Vereinsmuseum.
