Die versteckten Hände waren eines seiner Markenzeichen, zumindest in den Wintermonaten. Egal ob beim Freistoß oder beim Dribbeln, seine Finger hat der Fußballprofi Mehmet Scholl gerne unter den langen Ärmeln seines Trikots warmgehalten. Beim Trainer Scholl ist eine typische Gestik bislang noch nicht auszumachen. Mal verschränkt er die Arme vor der Brust, mal hinter dem Rücken, mal stemmt er sie in die Hüften, wenn er seine Mannschaft beim Training beobachtet. Man wird genau hinschauen in den kommenden Wochen, wie der 38-Jährige an der Außenlinie agiert. Am Samstag startet er mit der zweiten Mannschaft des FC Bayern in die neue Saison, seine erste als Chefcoach.
Nach acht erfolgreichen Jahren unter Hermann Gerland, der für seinen „Tiger“-Sprung von der Trainerbank an die Seitenlinie berühmt-berüchtigt war, beginnt für den FC Bayern II mit Scholl eine neue Epoche. Ein Jahr lang betreute er die U13 des FCB, dann vertrat er den zu den Profis berufenen Gerland in den letzten fünf Saisonspielen der vergangenen Saison. Jetzt hat er die Mannschaft hauptverantwortlich übernommen.
Druck? Nein, Druck verspüre er nicht, sagte der ehemalige Bayern-Profi. „Aber fragen Sie mich in ein paar Wochen nochmal.“ Kurz vor dem Saisonauftakt am Samstag in Ingolstadt (14 Uhr) wirkt Scholl locker. Nur die Ungeduld plagt ihn. „Die Vorbereitung ist gut verlaufen, alle sind mit großem Engagement dabei“, berichtete er, „aber jetzt wird es Zeit, dass es los geht.“
36 Tage und neun Testspiele, darunter zwei auf der achttägigen USA-Reise, hatte Scholl zusammen mit seinen Co-Trainern Rainer Ulrich und Gerd Müller Zeit, um die Spieler in Form zu bringen. Dabei galt es, angesichts von sieben Ab- und acht Zugängen nicht nur die Mannschaft neu zu formen, sondern auch ihr seine Vorstellung von Fußball zu vermitteln.
Und die beinhaltet zum einen Kurzpassspiel. „Ich bin kein Freund von langen Bällen“, sagte Scholl. „Nur zur Not“ lässt er einen Befreiungsschlag durchgehen. Zum anderen verlangt er von seinen Spielern, vor dem gegnerischen Tor ins Eins-gegen-Eins zu gehen. „Die Offensivspieler müssen dribbeln, im richtigen Moment natürlich. Ich will, dass sie es immer wieder probieren.“
Bei der Mannschaft kommt der neue Trainer offenbar gut an. Scholl sei „eine Riesen-Respektsperson“, berichtete Mannschaftskapitän Tom Schütz. „Als Spieler war er ein Riesen-Idol, jetzt mit ihm auf dem Platz zu stehen, ist super.“ Im Vergleich zu Gerland sei die Arbeit mit Scholl „eine Riesen-Umstellung. Er ist leise.“ Scholl fügte hinzu: „Ich kann aber auch sehr direkt und knallhart sein.“
Scholl vor Spagat
Und das muss er auch, um sein Hauptziel zu erreichen: Spieler für die Profi-Mannschaft auszubilden. „Ziel ist es, den Perspektivspielern die Möglichkeit zu bieten, das Tempo bei den Profis mitzukriegen und zu adaptieren“, erklärte Scholl. Gerland sei das „Bindeglied“ zu den Profis. „Wir stehen in regem Kontakt. Wir telefonieren fast jeden Tag. Das ist eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit.“
Gleichzeitig weiß Scholl aber auch, dass er den Spagat zwischen Talentförderung und erfolgreichem Fußball schaffen muss. „Die Ergebnisse sind mir überhaupt nicht wurscht“, betonte er. Es gehe ja auch darum „Typen auszubilden, die unbedingt gewinnen wollen.“
Erst Ingolstadt, dann Unterhaching
Die letzte Saison beendeten die „kleinen“ Bayern auf einem hervorragenden fünften Platz. Die zu den Profis aufgerückten Leistungsträger Thomas Kraft, Holger Badstuber und Thomas Müller stehen Scholl aber nicht mehr zur Verfügung. „Nicht abzusteigen“, gab er als Minimalziel für die neue Saison aus.
Zum Auftakt wird der FC Bayern II gleich auf Herz und Nieren geprüft. Drei Tage nach dem Spiel beim Zweitliga-Absteiger FC Ingolstadt steht schon das Derby gegen die SpVgg Unterhaching auf dem Programm. Die Handhaltung der Bayern-Fans ist dabei schon vor dem Anpfiff klar: Sie werden Scholl und seiner Mannschaft die Daumen drücken.
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