Die Wurst im Brötchen bei Metzger Sauer heißt jetzt „Pokalknacker“, Bäcker Mayer verkauft Fußballer aus Hefeteig, die Mannschaft gibt im örtlichen Supermarkt eine Autogrammstunde in Profi-Manier und die Freundin eines Spielers will sich nackt fotografieren lassen, wenn der Coup gelingt: Vor dem Erstrunden-Hit der SpVgg Neckarelz gegen den FC Bayern treibt das Pokalfieber in der 6.500-Einwohner-Gemeinde zwischen Heidelberg und Heilbronn seltsame Blüten.
Doch trotz allen Hypes um die Begegnung am Sonntag in der Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena haben die Feierabend-Kicker offenbar einen kühlen Kopf bewahrt: Mit Vereins-Chef Thomas Ulmer verhandelten sie in dieser Woche über eine Siegpr ämie. Für Ulmer, der dem Verein seit 24 Jahren vorsteht und ihn sein „Lebenswerk“ nennt, steht bei dem ewig jungen Duell zwischen Provinz- und Profi-Kickern die Hoffnung auf eine sportliche Sensation eher im Hintergrund.
Tipps aus Hoffenheim
„Das Erlebnis ist wichtiger als das Ergebnis“, sagt der 52 Jahre alte Europa-Abgeordnete. Hoffnung, dass der Favorit den Außenseiter unterschätzt, hat er nicht. Schließlich standen mehrfach „Spione“ bei Partien des Neckar-Odenwald-Klubs am Spielfeldrand. „Die Bayern überlassen nichts dem Zufall“, sagt auch Trainer Peter Hogen.
Doch auch wenn die sechstklassigen Nobodies gegen die Münchner Stars um die beiden Neuzugänge Mario Gomez und Anatoliy Tymoshchuk eigentlich keine Chance haben, macht Hogen seinen Jungs Mut. „Wir wollen engagiert und ohne Angst auftreten, auch mal Aktionen in der Offensive durchbringen“, kündigte er an. Tipps hat er sich von seinem Hoffenheimer Bundesliga-Kollegen Ralf Rangnick geholt und auch das ganze Drumherum für das Spiel des Jahres so aufwendig organisiert wie noch nie.
Erstmals ins Hotel
Mit Assistent Stefan Strerath und Kapitän Rolf Lang beobachtete Hogen den schier übermächtigen Gegner beim 4:1-Testspielsieg über den AC Mailand. Und sein Team stimmt sich in Manier eines Bundesligisten auf den großen Tag ein: Am Samstag steigen die Neckarelzer erstmals in der Vereinsgeschichte vor einem Spiel in einem Hotel ab. Von dort geht es am Sonntag mit dem Bus in die Katakomben der mit gut 30.000 Fans ausverkauften Arena.
Normalerweise trifft man sich zwei Stunden vor dem Spiel, zu Auswärtspartien wird in Fahrgemeinschaften gereist. Ulmer hingegen behält seine Gewohnheit bei: In bester Uli-Hoeneß-Manier sitzt er bei Spielen seit jeher auf der Trainerbank. „Das wird auch im größten Spiel der Vereinsgeschichte so sein“, betonte Ulmer.
Blumen für die Glücksfee
Auch etwas Aberglaube wurde bemüht. Am vorigen Wochenende bezog Hogen mit seinen Jungs für ein Trainingslager Quartier im Gasthaus Engel im nahe gelegenen Krumbach - genau dort, wo sich 1990 der FV 09 Weinheim auf sein Pokalspiel gegen die Bayern vorbereitete - Weinheim siegte damals durch Thomas Schwechheimers Tor sensationell mit 1:0.
Doch wie groß das Brimborium auch sein mag, nach dem Highlight geht der Alltag in der Verbandsliga Nordbaden weiter. Ziel ist der baldige Aufstieg in die Oberliga. „Und mein Traum“, so Ulmer, „heißt Regionalliga“. Den Gewinn aus dem Pokal-Hit von bis zu 300.000 Euro will er darum gezielt in Mannschaft, Jugendarbeit und Infrastruktur investieren. Nur einen kleinen Betrag hat er schon vorab ausgegeben: Dafür, dass sie als Glücksfee das Traum-Los gezogen hat, erhielt Ex-Nationalspielerin Renate Lingor einen riesigen Blumenstrauß.

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