Bis zuletzt hat sich Louis van Gaal nicht in die Karten schauen lassen. Würde er im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League beim AC Florenz auf den erfahrenen und EM-erprobten Danijel Pranjic als linken Verteidiger setzen? Oder vielleicht Philipp Lahm von rechts nach links versetzen? Oder doch den erst 17 Jahre jungen David Alaba als Ersatz für den unwesentlich älteren, aber verletzt in München gebliebenen Diego Contento aufbieten?
„Ich weiß nicht, wie sich der Trainer entscheidet, aber wenn er David Alaba von Beginn an bringt, dann würde ich das voll unterstützen. Er ist zwar 17 Jahre alt, aber von seiner Leistungsfähigkeit sicherlich weiter. Ich hätte da überhaupt keine Probleme, wenn er beginnt“, hatte Bayerns Sportdirektor Christian Nerlinger vor der Partie im FCB.tv-Interview gesagt und Alaba das Vertrauen ausgesprochen.
Und tatsächlich, Van Gaal, bekannt als Förderer von Top-Talenten wie Xavi und Andrés Iniesta (in Barcelona), Clarence Seedorf und Patrick Kluivert (in Amsterdam) oder jüngst Thomas Müller und Holger Badstuber, blieb auch in Florenz seiner Linie treu und ließ Alaba nur drei Tage nach seinem Bundesliga-Einstand beim 1:1 in Köln auch in der europäischen „Königsklasse“ debütieren. Mit 17 Jahren und 258 Tagen. In beiden Wettbewerben ist er nun der jüngste Bayern-Spieler aller Zeiten.
„Wenn ich Spieler in die A-Mannschaft nehme ist es immer so, dass sie auch spielen können“, erklärte Van Gaal im Teamhotel der Toskana-Metropole. „Das mache ich, weil ich sehr viel Vertrauen in diese Spieler habe. Hätten sie die Qualität nicht, dann hätte ich das nicht gemacht“, führte der Niederländer aus. „Wir haben vollstes Vertrauen in ihn. Dass er es kann, zeigt er jedes Mal im Training. Er ist ein guter Junge mit sehr viel Qualität“, bestätigte auch Kapitän Mark van Bommel.
Über Alabas Qualität konnten sich am Dienstagabend auch die 42.282 Zuschauer im ausverkauften „Stadio Artemio Franchi“ zu Florenz ein Bild machen. Obwohl auf der für ihn ungewohnten Defensiv-Position eingesetzt (Van Gaal: „Er ist ein linker Außenverteidiger, auch wenn er selbst das nicht denkt.“) rechtfertigte der gebürtige Wiener mit nigerianisch-philippinischen Wurzeln die Vorschusslorbeeren.
Alaba hat die meisten Ballkontakte
Abgeklärt, Zweikampfstark, mit großer Übersicht und ungemein ballsicher - Alaba hatte die meisten Ballkontakte aller 22 Akteure auf dem Platz - ließ er in der Defensive gegen den agilen und schnellen Marco Marchionni vor allem in der ersten Halbzeit nichts anbrennen und schaltete sich auch immer wieder mit in die Offensive ein. Im zweiten Durchgang ließen bei dem 17-Jährigen mit zunehmender Spieldauer die Kräfte nach, doch der Youngster biss sich in seiner ersten Champions-League-Partie bis zum Schlusspfiff durch.
„Er hat sehr gut gespielt“, bekam Alaba ein dickes Lob von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. „Man hat ihm überhaupt nicht angesehen, dass es sein erstes Spiel für Bayern München von Anfang an war. Es war ja nicht ganz risikofrei, dass Louis van Gaal ihm von Anfang an vertraut hat. Ich finde, er hat das toll gemacht.“
Van Gaal 'sehr zufrieden'
Auch sein Trainer war „sehr zufrieden“ mit Alabas Auftritt. „Er ist 17 Jahre alt, spielt seine ersten 90 Minuten und das auf dieser Bühne“, lobte Van Gaal den österreichischen Nationalspieler nach dessen gelungenem Debüt. „Er hat bei eigenem und bei gegnerischem Ballbesitz seine Arbeit gemacht, er hat mein Vertrauen nicht enttäuscht“, so Van Gaal weiter. Bastian Schweinsteiger meinte: „Für einen 17-Jährigen, der zum ersten Mal Champions League gespielt hat, hat er ein sehr gutes Spiel gemacht.“
Und was sagte Alaba zu seinem tollen Einstand? „Es war eine super Erfahrung, es hat wirklich sehr viel Spaß gemacht, aber ich glaube im Mittelpunkt steht die Mannschaft. Wir sind heute als Mannschaft weitergekommen und darüber bin ich sehr froh", erklärte der Youngster und bedankte sich artig bei bei der „Mannschaft und beim Trainerstab. Sie haben es mir um vieles leichter gemacht. Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen." Ende März im Viertelfinale kann Alaba seinen Traum vielleicht schon weiterleben.
Für fcbayern.de in Florenz: Carsten Zimmermann
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