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Dremmler: 'Ein Notizblock reicht nicht mehr'

„Steinpfalz“ sagt der Volksmund zu jenem Landstrich im Nordosten Bayerns, wo auf den kargen Äckern fast nur Steine zu ernten sind. So heißt es jedenfalls. Genau hier, nahe der tschechischen Grenze, rund 200 Kilometer nördlich von München, laufen die Fäden des Weltfußballs zusammen. Bei der International Soccer Bank (ISB), ansässig in der 6.000-Seelen-Kreisstadt Neustadt an der Waldnaab. Und die nutzt der FC Bayern.

ISB bietet eine riesige Datenbank, in der aktuell 95.000 Spieler, 4.929 Vereine, 539 Nationalteams, 288 Wettbewerbe und 76 Ligen erfasst sind. Auf diese Informationen greift die Scouting-Abteilung des FC Bayern um Wolfgang Dremmler zur Spieler- und Spielbeobachtung zurück. Weitere ISB-Kunden sind unter anderem der FC Arsenal und der brasilianische Fußballverband.

Wie die Datenbank im modernen Scouting eingesetzt wird, welche Vorteile sie bietet und wie die Daten überhaupt gesammelt werden, darüber hat fcbayern.de mit dem FCB-Chefscout (im Bild links) sowie ISB-Chef Jürgen Kost (rechts) gesprochen.

Das Doppelinterview mit Wolfgang Dremmler und Jürgen Kost:

fcbayern.de: Herr Dremmler, wie wichtig sind heutzutage Datenbanken für das Scouting?
Dremmler: „Daten sind eine Grundlage für das Scouting. Sie verschaffen einen ersten Eindruck. Wie heißt der Spieler, wo kommt er her, wie alt ist er, wie groß, Rechtsfuß oder Linksfuß, spielt er regelmäßig, wie torgefährlich er ist und so weiter. Diese Daten liefert uns ISB.“

fcbayern.de: Herr Kost, ist Scouting bei einem Verein wie dem FC Bayern ohne die Nutzung einer Datenbank, wie sie ISB anbietet, überhaupt noch möglich?
Kost: „Das ist schwierig. Meiner Meinung nach ist es wichtig, mit so vielen Informationen wie möglich hinauszufahren, also deutlich mehr Wissen zu haben als der Scout vom AC Mailand, der sich den gleichen Spieler anschaut. Je mehr Informationen ich habe, desto mehr bin ich im Vorteil.“

fcbayern.de: Ist die Nutzung von Datenbanken weit verbreitet in der Bundesliga?
Kost: „Ich denke schon. Es reicht einfach nicht mehr, nur noch mit dem Notizblock rumzulaufen. Ein Scout hat den Kopf voll mit Informationen. Am Wochenende sieht er ja meistens nicht nur ein Spiel - und in einem Spiel sind schon mindestens 22 Spieler unterwegs. Je schneller er seine Informationen abarbeiten kann, desto schneller ist sein Kopf frei für neue Sachen. Und da kommen wir in den Bereich der Informationsverarbeitung auf technischem Niveau.“
Dremmler: „Früher hatte jeder Scout sein Notizbuch voller Notizen. Diese Zeiten sind vorbei. Dank ISB hat jetzt jeder Zugang auf die Beobachtungen der anderen. Auch der Vorstand, der Sportdirektor und der Trainerstab können sich informieren. Wenn zum Beispiel einer unserer Scouts in Spanien einen Bericht angefertigt hat, speist er ihn im Hotel einfach mit seinem Laptop in die Datenbank ein und wir hier in München können uns seine Beobachtungen anschauen. Das Internet macht’s möglich. ISB ist einfach, praktikabel und schnell in der Handhabung.“

fcbayern.de: Ist das der Grund, warum Sie sich für die ISB-Datenbank entschieden haben?
Dremmler: „Als unsere Scouting-Abteilung immer größer geworden ist, haben wir verschiedene Angebote geprüft. Aber erst mit ISB haben wir den perfekten Anbieter gefunden. Das Besondere im Vergleich zu anderen Datenbanken ist, dass ISB seine Daten individuell auf die Bedürfnisse eines Vereins zuschneidet. Die Daten kommen also genau mit den von uns gewünschten Parametern. Und was noch entscheidend hinzukommt: Zu diesem Datenblatt können wir selbst noch Informationen hinzufügen - das geht bei keiner anderen Datenbank. Andere Anbieter haben in der Regel ein Produkt, das nicht mehr verändert werden kann.“
Kost: „Wenn der FC Bayern unser Kunde ist, soll sein Produkt auch nach FC Bayern ausschauen. Wenn der brasilianische Fußballverband Kunde ist, nach Brasilien. Diese Flexibilität ist einfach eine Serviceleistung. Es ist sehr wichtig, dem Kunden zuzuhören und seine Wünsche umzusetzen, wenn es machbar ist. Schnelligkeit und Zuverlässigkeit sind Zauberworte, sowohl in der Datenpflege als auch in der Umsetzung von Kundenwünschen.“
Dremmler: „Das ist auch so eine schöne Sache bei ISB: Es ist eine Firma aus der Oberpfalz, mit der ich Deutsch sprechen kann und von der ich weiß, wenn ich morgen etwas brauche, ist es bis morgen fertig. Und wenn wir sagen: Ihr müsst kommen, wir haben ein Problem, dann sind sie am nächsten Tag da. Man merkt, da steht jemand mit Leidenschaft hinter seinem Produkt. Wir sind total zufrieden.“
Kost: „Auch für uns ist es eine sehr, sehr angenehme Zusammenarbeit. Wir reden hier von Bayern München, das ist die Krönung, oberstes Niveau. Wir sind unheimlich stolz auf diese Kooperation.“

fcbayern.de: Sie haben die Möglichkeit der Individualisierung bei ISB erwähnt, Herr Dremmler. Wie sahen Ihre Wünsche konkret aus?
Dremmler: „Nehmen wir an, wir beobachten ein Spiel. Dann liefert ISB einen Datensatz mit Basisdaten wie zum Beispiel den Aufgeboten der Teams. Zusätzlich möchten wir aber auch unsere eigenen Beobachtungen in das System einpflegen. Das ermöglicht ISB. Und auch dass wir graphisch mit einem Spielfeld arbeiten können, in dem wir zeichnen und schreiben können. Das ist eine feine Geschichte.“
Kost: „Wenn es um Aufstellungen, taktische Formationen geht, ist es natürlich praktisch, wenn man zeichnen kann. Grundsätzlich versuchen wir, dem Scout ein Werkzeug an die Hand zu geben, um ihm seine Arbeit zu erleichtern. Das ist ISB, ein Werkzeug.“

fcbayern.de: Neben dem FC Bayern nutzt zum Beispiel auch der FC Arsenal die ISB-Datenbank. Beide erhalten somit die gleichen Informationen zu einem Spieler.
Kost: „Nur die gleichen Basisinformationen, wie Geburtsdatum und Vertragsende. Der Unterschied beginnt dann bei der Bewertung des Spielers. Jeder Scout sieht den Spieler aus seiner Perspektive. Seinen Bericht pflegt der Scout dann in die Datenbank ein.“
Dremmler: „Und auf unsere Beobachtungen haben nur wir Zugriff, kein anderer Verein, der mit ISB arbeitet.“

fcbayern.de: Herr Dremmler hat schon einige der Daten aufgezählt, die ISB liefert. Woher beziehen Sie Ihre Daten?
Kost: „Das ist nicht so spektakulär, wie man vermuten könnte. Es ist eine ganz normale journalistische Datenrecherche, viel über das Internet und die Medien.“

fcbayern.de: Sie haben also nicht überall auf der Welt Informanten sitzen, die Daten liefern.
Kost: „Nein, ich habe niemanden in Peru, da bin ich ganz offen. Das wäre eine Wunschvorstellung. Aber so etwas geht gar nicht. Wir arbeiten aktuell in 76 Ligen.“

fcbayern.de: Wie schnell sind Informationen zu einem Spiel in Peru bei ISB abrufbar?
Kost: „Grundsätzlich bieten wir zu jedem bei uns geführten Spiel innerhalb von 24 Stunden die Aufstellungen an. In bestimmten Ligen auch schon sofort nach Abpfiff. Aber für die zweite bulgarische Liga dauert es etwas länger. Das reine Datensammeln ist aber nicht die Herausforderung. 95.000 Spieler zu erfassen, das schafft jeder. Entscheidend ist, dass man die Daten pflegt, und zwar so zeitnah wie möglich.“

fcbayern.de: Warum bieten Sie auch eine App für das iPhone an?
Kost: „Da sind wir wieder beim Thema Schnelligkeit. Ein bestimmter Teil der Datenbank wurde für die Applikation freigegeben. Wenn ich also im Stadion sitze und der Spieler mit der Nummer 7 von Galatasaray Istanbul interessiert mich, kann ich mir sofort Informationen zu ihm beschaffen. Diese App können sich übrigens nicht nur Vereine herunterladen, sondern jeder.“

fcbayern.de: Nehmen wir an, Sie suchen einen Spielmacher für den FC Bayern, Herr Dremmler. Wie kann die Datenbank hier weiterhelfen?
Dremmler: „Wir Scouts kennen natürlich die besten Spielmacher, die es aktuell gibt. Aber ISB bietet eine Spielerprofil-Suche. Da kann man verschiedene Parameter angeben - Position, Alter, Rechts- oder Linksfuß, Vertragslaufzeit und so weiter - und bekommt mit wenigen Klicks ein Ergebnis, das man noch weiter verfeinern kann.“
Kost: „Man kann ganz gezielt nach einem Spieler mit einem bestimmten Profil suchen. Zum Beispiel nach einem Stürmer, der nicht älter ist als 26 Jahre, der in der Saison mindestens acht Treffer bei wenigstens 15 Einsätzen erzielt hat, im Sommer ablösefrei ist und aktuell bei einem starken Verein in einer Topliga spielt. Die Verknüpfung solcher Daten ist einmalig auf dem Markt, soweit ich weiß. Die Scouts erhalten dann eine Ergebnisliste und können den Spielern genauer auf die Füße schauen.“

fcbayern.de: Kann die Datenbank die aktuell zehn besten Spieler der Welt herausfiltern?
Kost: „Das ist eine sehr subjektive Einschätzung. So etwas muss der Scout beantworten, indem er den Spieler beobachtet. Wir liefern Vorabinformationen für den Scout, damit er sagen kann: Ja, ich fliege nach Belgrad oder Liberec und schaue dem Jungen auf die Füße. Wir würden uns nie anmaßen, zu sagen: Dieser Spieler hat das Zeug zum nächsten Lionel Messi oder der schafft’s bei Bayern München.“

fcbayern.de: Gibt es den einen oder anderen Spieler, bei dem Sie wissen, dass er dank ISB entdeckt wurde?
Kost: „Eine Geschichte kann ich erzählen: Die erste Berufung von Felipe Melo für die brasilianische Nationalmannschaft resultierte aus einer Suchanfrage bei uns.“

fcbayern.de: Der brasilianische Verband hat damals also bei ISB einen zentralen defensiven Mittelfeldspieler mit einem bestimmten Profil gesucht?
Kost: „Die Brasilianer spielen ja überall auf der Welt. Felipe Melo, der damals noch in Florenz spielte, war einfach das Ergebnis einer Suchanfrage nach einem Spieler aus einer bestimmen Altersgruppe in einer Topliga bei einem starken Verein. ISB bietet dann die Möglichkeit, den Spieler in einer Merkliste abzulegen und speziell zu verfolgen. So war das bei Felipe Melo.“
Dremmler: „Die Datenbank verfügt über viele schöne Funktionen. Zum Beispiel auch über einen internationalen Match-Kalender. Da sieht man jeden Tag, in welchen Ländern welche Spiele stattfinden. Früher musste man alles aus mehreren Quellen zusammensuchen. ISB ist einfach praktisch. Gerade habe ich mit unserem Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge über einen Spieler gesprochen. Es war ein Leichtes für mich, ISB aufzurufen, das Datenblatt und unsere Beobachtungen auszudrucken und ihm alles sauber in die Hand zu drücken. ISB ist ein wunderbares Komplettpaket.“

Das Interview führte: Nikolaus Heindl

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