Sitzkissen raus, Mütze auf. Die 69.000 Zuschauer in der herbstlich kalten Allianz Arena hatten es sich gerade erst so richtig gemütlich gemacht, da verwandelte sich die Heimstätte des FC Bayern schon in ein Tollhaus. 5. Minute, 1:0, Mario Gomez. 7. Minute, 2:0, Franck Ribéry. 13. Minute, 3:0, Bastian Schweinsteiger. Wer am Samstagnachmittag zum Bundesligaspiel des FCB gegen Hertha BSC zu spät kam, bereute dies. „Wir hatten eine beeindruckende Anfangsphase. Da hat die Mannschaft ein richtiges Feuerwerk abgebrannt“, schwärmte Sportdirektor Christian Nerlinger.
Für Markus Babbel war es eine unerfreuliche Rückkehr an alte Wirkungsstätte. Der Hertha-Coach fürchtete nach den furiosen ersten Minuten der Bayern gar, „dass wir zweistellig in die Halbzeit reingehen“. So schlimm kam es für die Berliner nicht: Nach dem 0:3 durch Schweinsteiger hielt der ehemalige Bayern-Keeper Thomas Kraft sein Tor mit viel Glück und einigen starken Paraden bis zur 69. Minute sauber. Dann sorgte Gomez mit seinem zehnten Saisontor per Elfmeter für den 4:0-Endstand.
„Der FC Bayern spielt im Moment einen Fußball, der nicht alltäglich ist“, analysierte Cheftrainer Jupp Heynckes nach dem zwölften Pflichtspielsieg in dieser Saison. Nur am ersten Spieltag gegen Gladbach (0:1) und in Hoffenheim (0:0) verließen die Münchner nicht als Sieger den Platz. „Die Mannschaft macht einen sehr guten Eindruck“, fand Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Das belegen auch die Fakten. 19:3 Torschüsse, 60 Prozent gewonnene Zweikämpfe und 70 Prozent Ballbesitz. Egal, auf welche Statistik man blickt: Der FC Bayern dominierte den Aufsteiger aus Berlin fast nach Belieben.
„Wir hätten in der zweiten Halbzeit jederzeit einen Gang hochschalten können“, sagte Heynckes. Nerlinger sprach von einer „totalen Dominanz“. Und wieder einmal stand hinten die Null. Zwölf Pflichtspiele sind mittlerweile vergangen, seit Nationaltorhüter Manuel Neuer gegen Gladbach zum letzten Mal einen Ball aus dem Netz fischen musste. Nicht mehr ganz zwei Partien fehlen Neuer (748 Minuten), um den Bundesligarekord von Timo Hildebrand (884) zu knacken. „Dieser Rekord ist uns sehr wichtig und gibt uns viel Sicherheit“, sagte Torjäger Gomez.
Rummenigge: Saison wird kein Selbstläufer
Um ein Haar wäre diese gigantische Serie gegen die Hertha kurz vor Schluss gerissen, als der Berliner Innenverteidiger Andre Mijatovic nach einer Ecke den Ball aus fünf Meter freistehend über den Querbalken jagte. Gomez, der nach seiner Galavorstellung zu diesem Zeitpunkt bereits Kraft für das Champions-League-Spiel am Dienstag gegen Neapel tankte, bezeichnete dies als „Schreckmoment“. Teamkollege Schweinsteiger gab zu: „Wenn wir da das Tor kassiert hätten, hätten wir uns schon ein bisschen geärgert.“
Mijatovic zielte zu hoch, die Bayern sind weiter auf Rekordkurs. Doch sowohl Vorstand als auch Spieler wissen: Noch ist die souveräne Tabellenführung der Bundesliga nicht mehr und nicht weniger als ein schöne Momentaufnahme. „Wir dürfen jetzt nicht glauben, dass die Saison ein Selbstläufer wird. Wir müssen konzentriert weiterspielen - so wie wir das bisher wunderbar gemacht haben“, mahnte Rummenigge. Vor allem der amtierende Meister aus Dortmund, der derzeit sechs Punkte hinter den Münchner liegt, sei „eine Gefahr“, erklärte Nerlinger.
Bayern 'auf der Jagd nach Titeln'
Der Tenor bei den Spielern ist ähnlich: Der Sieg gegen einen Aufsteiger dürfe nicht überwertet werden, sagte Schweinsteiger und fügte an: „Wir haben gegen Berlin gespielt, nicht gegen Barcelona, Madrid oder Manchester. Man muss die Kirche im Dorf lassen.“
Am Dienstag wartet der SSC Neapel. Vielleicht nicht zu vergleichen mit Barcelona, Madrid oder Manchester, aber immerhin die „derzeit beste italienische Mannschaft“ (Rummenigge). Volle Konzentration ist gefragt. Denn die Bayern wollen auch in der Champions-League-Gruppe ihre Spitzenposition verteidigen. Kapitän Philipp Lahm: „Die Mannschaft ist weiter hungrig. Wir sind auf der Jagd nach Titeln.“
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