Mit seiner Elektro-Hymne „Sky & Sand“ hat sich Paul Kalkbrenner 2008 in die Rekordbücher der deutschen Musikgeschichte produziert. Insgesamt 129 Wochen hielt sich das melancholische Stück, an dem auch Pauls Bruder Fritz beteiligt war, in den deutschen Singlecharts - das hatte zuvor noch keiner geschafft!
Eine echte Premiere feierte der Bayern-Fan aus Berlin auch am vergangenen Wochenende, als er auf Einladung des Rekordmeisters den Snapchat-Kanal des Klubs mit Inhalten fütterte. fcbayern.de hat im Anschluss mit dem Musiker und Schauspieler (Berlin Calling) gesprochen - und u.a. auf das Halbfinal-Rückspiel in der Champions League gegen Atlético vorausgeblickt.
Das Interview mit Paul Kalkbrenner
fcbayern.de: Servus, Paul! Für den FC Bayern hast du gegen Borussia Mönchengladbach den Snapchat-Account übernommen. Eine schöne Sache, auch wenn es mit der Meisterschaft noch nicht geklappt hat?
Kalkbrenner: „Klar! Das war für mich sicher kein Tag wie jeder andere. Schade, dass wir am Samstag noch nicht Meister geworden sind, aber das habe ich schnell abgehakt. Ich hätte ohnehin nicht gefeiert, sondern mich der Mannschaft angeschlossen: Ab nach Hause und auf Atlético konzentrieren!“ (lacht)
fcbayern.de: Deine Snaps haben die Bayern-Fans begeistert. Woher kommt dein Interesse für Social Media?
Kalkbrenner: „Bis vor sechs, sieben Jahren war es für uns Techno-Musiker schwierig, unsere Musik unter die Leute zu bringen. Dann kam Facebook, und wir konnten gezielt die Leute erreichen, die sich für diese Musik interessieren. Noch vor fünf Jahren konntest du dir nicht vorstellen, wie heute kommuniziert wird. Diesen Möglichkeiten darf man sich auch in meinem Alter - im nächsten Jahr werde ich 40 - nicht verschließen.“
fcbayern.de: Du bist in der ehemaligen DDR aufgewachsen. Wie konnte der Bayern-Fan Paul Kalkbrenner dort seine Leidenschaft ausleben?
Kalkbrenner: „Vom Fan-Sein konnte man damals nicht unbedingt sprechen. Westfernsehen durften wir ja nicht schauen, und wenn ich beim Kumpel heimlich die Sportschau geguckt habe, war da mehr ein beeindrucktes Staunen. Wir konnten ja nicht in die Schule gehen und rufen: „Bayern, juhu!“. Dabei gab es in Ostberlin auch damals schon total viele Bayern-Fans. Bei Sparta Lichtenberg, meinem Heimatverein, den ich unterstütze, sind fast alle für den FCB.“
fcbayern.de: Wie erklärst du dir diese Zuneigung gerade aus dem Osten der Stadt?
Kalkbrenner: „Mit dem Westfernsehen konntest du jeden Abend flüchten und über die Mauer gucken. In der DDR war Fußball quasi eine Randsportart. Gefördert wurde, was bei Olympia Medaillen bringt. Einmal im Jahr gab’s ein Länderspiel vor 100.000 Zuschauern im Zentralstadion, aber ansonsten war alles viel mickriger als in der Bundesliga. Was dort passierte, war für uns immer sehr beeindruckend.“
fcbayern.de: Was war dein Schlüsselmoment, das dich endgültig zum Bayern-Fan hat werden lassen?
Kalkbrenner: „Das Europapokal-Endspiel 1987 im Wiener Praterstadion (1:2 gegen den FC Porto, d. Red.), auch wenn mir das damals noch nicht so nahe gegangen ist. Als junger Mensch fiebert man ja oft mit einzelnen Spielern mit. Sören Lerby, Jean-Marie Pfaff, Lothar Matthäus… Ab da gab es für mich aber kein Zurück mehr. Auch die 1990er Jahre fand ich sehr spannend, obwohl wir damals nicht so erfolgreich waren wie heute.“
fcbayern.de: Auf der Bühne sieht man dich häufig im Trikot - wie schon in deinem Film Berlin Calling. Woher kommt diese Sammelleidenschaft?
Kalkbrenner: „Das mit dem Trikotsammeln hatte während des Filmdrehs (der Film erschien 2008, d. Red.) auf dem Höhepunkt. Viele Trikots bekomme ich geschenkt, einige bastle ich selbst. Mein Lieblingstrikot hatte ich beim Champions-League-Finale 2013 an. Damals stand noch die „4“ auf dem Ärmel (für vier gewonnene CL-Titel, d. Red.). Ich habe mir vor dem Spiel eine „5“ besorgt und aufs Trikot gemacht, das ich dann in Wembley getragen habe. (lacht) Ich ziehe es immer an, wenn es wichtig wird.“
fcbayern.de: Musiker, Plattenfirmeninhaber und Schauspieler - du bist sehr vielseitig. Quasi der Philipp Lahm der Techno-Szene?
Kalkbrenner: „Nein, eher wie… (überlegt) Hm, gute Frage! Darüber müsste ich mir mal Gedanken machen.“
fcbayern.de: Siehst du denn Parallelen zwischen dem Fußball und der Musikbranche?
Kalkbrenner: „Je öfter ich darüber nachdenke, desto weniger sehe ich welche. Wenn ich vor 80.000 Menschen auf die Bühne komme, ist alles für mich vorbereitet, ich brauche nur noch loslegen, alle freuen sich auf die Musik. Beim Fußball ist da noch der Gegner. Du bist immer wieder der Gefahr ausgesetzt, schlecht auszusehen, bist jede Woche im Fernsehen, hast die Fans der anderen Vereine gegen dich. Dafür braucht man noch mal ein anderes Nervenkostüm.“
fcbayern.de: Du bist befreundet mit Per Mertesacker, tauschst dich aber auch immer wieder mit Manuel Neuer aus. Wie darf man sich Gespräche zwischen euch vorstellen?
Kalkbrenner: „Manuel treffe ich ab und zu. Das ist meistens Small-Talk. Für ein richtiges Gespräch bin ich viel zu nervös. Ich merke selber, wie es ist, wenn Leute ein Foto mit mir machen möchten. Die sind manchmal so aufgeregt, dass sie vor lauter Zittern nicht mal die Kamera richtig halten können. So bin ich dann auch… (lacht)“
fcbayern.de: Du bist wie die Bayern ständig auf Reisen. Was sind deine wichtigsten Utensilien?
Kalkbrenner: „Mein Telefon (lautes Gelächter)! Im Ernst: Wenn ich auf Tour bin, darf natürlich nichts fehlen. Ich bin auf meine Technik angewiesen. Früher musste ich immer mit dem Zeug durch die Gegend fliegen und hoffen, dass es heile ankommt. Schließlich musste ich alles auf- und wieder abbauen. Mittlerweile fliegt das Equipment doppelt zum Veranstaltungsort, falls mal was schief läuft. Ich muss mich nicht mehr mit Unwägbarkeiten rumschlagen…“
fcbayern.de: Unwägbarkeiten erwarten den FC Bayern dafür möglicherweise am Dienstag gegen Atlético. Glaubst du, der FCB darf seine Koffer für Mailand packen?
Kalkbrenner: „Ich gehe davon aus. Jedenfalls habe ich ein sehr gutes Gefühl, auch wenn das Hinspiel-Ergebnis nicht so gut ist. Aber wer ins Finale will, muss auch mal einen raushauen. Und wenn wir das schaffen, hat Atlético keine Chance, glaube ich.“
fcbayern.de: Welche Musik sollten die Bayern-Profis vor dem Spiel hören, wenn sie sich pushen wollen?
Kalkbrenner: „Das ist gar nicht so einfach, weil du in einer Mannschaft 25 Spieler mit 25 Musikgeschmäckern hast. Wenn einer was auflegt, wo alle sagen: „Okay, das geht mir nicht extrem gegen den Strich!“, dann ist das schon geil. Der Teamerfolg ist ein zartes Pflänzchen, es muss alles zusammenpassen. Wenn du eine Mannschaft hättest, die sich mit demselben Song pushen kann - die wäre unschlagbar!“
fcbayern.de: Bald steigt in deiner Heimatstadt das Pokalfinale gegen Dortmund. Für dich das Highlight der Saison?
Kalkbrenner: „Ich bin zwar Berliner, aber über ein Champions-League-Finale würde ich mich mindestens genauso freuen (lacht). Die Pokalfinals sind immer große Highlights. Diesmal werde ich mit Per (Mertesacker, d. Red.) hingehen. Es wird ein schwieriges Spiel gegen Dortmund. Wenn es uns vergönnt sein sollte, eine Woche später den Termin in Mailand zu haben, wäre das Pokalfinale ein richtungsweisendes Spiel.“
fcbayern.de: Wo wir gerade schon mit einem waschechten Berliner sprechen: Welche Ecken der Stadt würdest du den Bayern-Fans empfehlen, fernab der Touristenattraktionen?
Kalkbrenner: „Besucht mal die Bezirke, die nicht im Reiseführer stehen. Vielleicht Westberliner Bezirke, das alte Berlin, das mehr und mehr aus der Innenstadt verschwindet. Das findet man heute eher am Rand. Es gibt viele Unterschiede. Lichtenberg ist schön. Mein Tipp ist also: Einfach den Bundesstraßen B1 und B96 folgen und außerhalb der Szenebezirke runterfahren.“
fcbayern.de: Angenommen, der FCB holt den Pokal. Welchen Song würde der Musikliebhaber Paul Kalkbrenner auflegen, wenn die Bayern zur Party einlaufen?
Kalkbrenner: „Ich bin viel zu pathetisch, deswegen würde ich was mit gregorianischen Chören spielen. Und eine Woche später dann einen Mix von der Champions-League-Hymne.“
Das Interview führte: Marco Donato
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