Es begann mit einer Zeitungsannonce und wurde zu einer einzigen Erfolgsgeschichte – über 33 Jahre stand Karl Hopfner im Dienste des FC Bayern und arbeitete maßgeblich daran mit, den Klub von der Säbener Straße national wie international in der Fußball-Elite zu etablieren. Hopfner war zunächst als Geschäftsführer, nach der Umstrukturierung in eine AG als Vorstandsmitglied und als stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Mann der Zahlen und derjenige, der die Finanzen des deutschen Rekordmeisters verwaltete.
Vor vier Jahren trat er ins zweite Glied zurück und übernahm den Posten des 1. Vizepräsidenten beim FC Bayern München eV. Nach dem Rücktritt von UIi Hoeneß war es für Hopfner im Frühjahr 2014 aber Ehrensache, zunächst das Präsidentenamt bei „seinem“ FC Bayern zu übernehmen und dann auch noch den Vorsitz im Aufsichtsrat. Zuletzt war er federführend bei der Planung und dem Bau des neuen Sportgeländes mit Nachwuchs-Leistungszentrum aktiv, das im kommenden Sommer fertiggestellt sein soll.
Am Freitagabend nun wird Hopfner den unter seiner Amtszeit zum größten Sportverein der Welt angewachsenen FC Bayern endgültig verlassen. Auf der Jahreshauptversammlung wird der 64-jährige Finanzexperte den Weg freimachen für die Wiederwahl von Uli Hoeneß. Vor seinem Abschied sprach der begeisterte Hobby-Golfer über seine Anfänge beim FC Bayern, seinen Anteil am einzigartigen sportlichen und wirtschaftlichen Erfolgsweg des Klubs, über die größten finanziellen Wagnisse und schwierigsten Verhandlungen seiner Amtszeit und darüber, warum er ganz sicher nicht seine Memoiren schreiben wird.
Das Interview mit Karl Hopfner
fcbayern.com: Herr Hopfner, am 1. Juli 1981 sind Sie beim FC Bayern eingetreten. Wissen Sie Ihre heutige Mitgliedsnummer?
Karl Hopfner: „Nein, da muss ich leider passen.“
fcbayern.com: Sie haben die Nummer 1938.
Hopfner: „Sehr gut, dann werde ich ja bei Kartenbestellungen künftig besonders berücksichtigt“ (lacht).
fcbayern.com: Gut ein Jahr nach Ihrem Eintritt, im Herbst 1982, bewarben Sie sich auf eine Anzeige in der Süddeutschen Zeitung und setzten sich gegen 420 Bewerber durch. Glauben Sie an Schicksal?
Hopfner: „Man muss natürlich dazu sagen, dass von den über 400 Bewerbern einige dabei waren, die eigentlich nicht die Qualifikation oder schulische Ausbildung für die gesuchte Stelle hatten. Die waren wahrscheinlich einfach Bayern-Fans und wollten für ihren Lieblingsverein arbeiten. Es ist für mich auch kein Schicksal, dass ich hier gelandet bin. Schicksal bedeutet für mich etwas anderes. Aber dass ich einmal so lange für den FC Bayern aktiv sein werde, konnte ich damals natürlich nicht wissen. Und gleich in meiner ersten Jahreshauptversammlung ging es ja hoch her…“
fcbayern.com: Sie meinen die im Herbst 1983?
Hopfner: „Genau. Damals sollte das Präsidium gestürzt werden, es kam dann aber nicht dazu. Wer weiß, was ansonsten damals geworden wäre.“
fcbayern.com: Wissen Sie eigentlich noch, was damals in dieser Annonce stand?
Hopfner: „Soweit wie ich mich erinnern kann, wurde ein Geschäftsführer mit kaufmännischer Ausbildung und betriebswirtschaftlichem Studium gesucht. Bis ich auf mein Bewerbungsschreiben hin etwas hörte, verging fast ein halbes Jahr. Ich hatte schon gar nicht mehr damit gerechnet, dann kam ein Anruf mit der Einladung zum Vorstellungsgespräch. Und so saß ich kurze Zeit später mit dem Präsidium Willi O. Hoffmann, Dr. Fritz Scherer und Karl Pfab an einem Tisch.“
fcbayern.com: Wieso gingen Sie damals zum FC Bayern? Der Fußball boomte noch lange nicht so wie heute, der Verein zählte gerade einmal 6.000 Mitglieder und machte 12 Millionen D-Mark Umsatz.
Hopfner: „Der Fußball hat mich schon damals begeistert. Ich leitete das Rechnungs- und Personalwesen eines Industrieunternehmens, das als Familien-KG geführt wurde. Es war absehbar, dass der Senior-Chef bald in Ruhestand gehen und die Geschäfte seinen Nachfolgern übergeben wird. Ich konnte mir nur schwer vorstellen, den personellen Umbruch mitzugehen. Somit war die Stellenanzeige des FC Bayern für mich sehr interessant, denn ich wollte mich beruflich verändern.“
fcbayern.com: Heute ist der FC Bayern mit über 280.000 Mitgliedern der größte Klub der Welt. Wie geht es Ihnen in diesen letzten Tagen als Präsident des FC Bayern München eV?
Hopfner: „Zunächst: Die Entwicklung des FC Bayern ist phänomenal. Das war in dieser Form nicht zu erwarten, und dahinter steckt auch eine Menge harter Arbeit aller, die daran beteiligt waren. Ich war nur ein Teil davon.“
fcbayern.com: Kommen in Ihnen manchmal schon Erinnerungen an früher hoch?
Hopfner: „Wehmut kommt nicht auf, denn ich schaue gerne auf diese Zeit mit überwiegend erfreulichen Ereignissen zurück. Es ist auch nicht so, dass ich jetzt in meinem Büro sitze und denke: ,Um Gottes Willen, bald ist Schluss!’ Es war ja meine Entscheidung, mich zurückzuziehen und auch nicht mehr für ein Amt im Präsidium zur Verfügung zu stehen. Ich möchte jetzt einfach mehr Zeit für andere Dinge haben.“
fcbayern.com: Über 33 Jahre waren Sie für den FC Bayern aktiv. Was bleibt von dieser Ära?
Hopfner: „Es war für mich eine wundervolle Zeit mit vielen tollen Erlebnissen. Ich habe viele interessante und spannende Menschen getroffen und kennengelernt. Klar, es gab auch mal den ein oder anderen, mit dem man im Clinch lag, aber am Ende ist man sich dann doch wieder respektvoll begegnet.“
fcbayern.com: Bei Karriere-Rückblicken fragt man gerne nach dem Höhepunkt...
Hopfner: „Für mich war jeder Titel ein großartiger Erfolg. Sicherlich stechen solche Momente heraus wie 1986, 2000 und 2001, als wir erst am letzten Spieltag oder - wie in Hamburg - sogar erst in letzter Sekunde Meister wurden. Das waren besonders emotionale Momente. Für mich ist ein Meistertitel mit 20 Punkten Vorsprung aber genauso schön, ganz ehrlich.“
fcbayern.com: Auch das schlimmste Erlebnis darf nicht fehlen.
Hopfner: „Eigentlich war es ja so, dass nach negativen Ereignissen kurze Zeit später wieder ein Höhepunkt kam. Auf Barcelona 1999 folgte Mailand 2001, auf das verlorene ΄Finale dahoam’ ein Jahr darauf der Triumph von Wembley mit dem Triple.“
fcbayern.com: Bis Ende 2012 waren Sie für die Finanzen beim FC Bayern zuständig. Was war in dieser Zeit die schwierigste Aufgabe, die Sie lösen mussten?
Hopfner: „Mit Sicherheit die Übernahme der Anteile des TSV 1860 an der Allianz Arena. Das war ein hartes Stück Arbeit und hat sich über einen längeren Zeitraum hingezogen. Im Nachhinein war es für den FC Bayern eine der wichtigsten Entscheidungen überhaupt.“
fcbayern.com: Und bei welchen Spielertransfers war es knifflig?
Hopfner: „Franck Ribérys Transfer von Olympique Marseille war für uns alle ein Geduldspiel. Wir sind mehrmals hingeflogen, haben langwierige Gespräche und zähe Verhandlungen geführt, bis wir den Transfer abschließen konnten. Auch bei Javier Martínez gestaltete es sich schwierig, weil sich der Klubchef von Athletic Bilbao schlichtweg weigerte, sich mit uns zu treffen. Es gab eine Ausstiegsklausel von 40 Millionen Euro und der Präsident stellte sich stur und sagte: ,Wenn ihr diese Summe hinterlegt, dann kommt der Spieler zu euch. Wenn nicht, dann nicht.’ Auch bei Roy Makaay bedurfte es 2003 einiger Treffen mit La Coruñas Präsidenten Augusto Lendoiro, um den Wechsel zu realisieren.“
fcbayern.com: Wie lief das ab, wenn Sie zusammen mit Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge über einen Transfer beraten haben?
Hopfner: „Zu viel Interna möchte ich hier nicht verraten (lacht). Jeder hatte seine Aufgaben und Kompetenzen, wobei ich mich bei Spielertransfers nicht ausschließlich für den finanziellen Teil interessierte. Ich habe natürlich auch meine Meinung eingebracht über den Spieler, wie ich ihn charakterlich beurteile, ob er menschlich zu uns passen würde.“
fcbayern.com: Wie viel Showtalent und Pokerface benötigt man in diesen Verhandlungen?
Hopfner: „Beides eher weniger. Aber es ist ja klar: Wenn ich einen Spieler aus seinem Vertrag herauskaufen möchte, muss ich mich zunächst mit dem abgebenden Verein einigen. Und da nimmt man nicht gleich das erste Angebot an. Für den Käufer-Verein gilt es zuvor abzustimmen, welchen finanziellen Spielraum man zur Verfügung hat.“
fcbayern.com: Gab es einen Transfer, bei dem Sie sich schon mit dem Spieler einig waren, der aber letztlich doch an den Finanzen scheiterte?
Hopfner: „Nein ... Nein, wirklich nicht. Wir haben ja auch nie mit Messi oder Ronaldo am Tisch gesessen“ (lacht).
fcbayern.com: Wer war Ihr angenehmster Verhandlungspartner?
Hopfner: „Das ist fast ein Geschäftsgeheimnis. Sonst würde es ja heißen, den oder den haben wir zu billig bekommen. Deswegen möchte ich dazu lieber nichts sagen (lacht). Aber glauben Sie mir: Wenn der FC Bayern irgendwo vorstellig wird, wissen die Vereine über unsere finanziellen Möglichkeiten Bescheid. Dann gibt es gleich einen Topzuschlag für uns.“
fcbayern.com: Gab es eine Investition, die Ihnen schlaflose Nächte bereitete?
Hopfner: „Die 40 Millionen Euro Ablöse für Martínez war eine gewaltige Summe. Aber das Schöne war, wir hatten das Geld zur Verfügung und mussten es nicht erst auftreiben und uns dafür verschulden. Außerdem hat die sportliche Leitung - in dem Fall Jupp Heynckes - klar und deutlich gesagt, dass es sich für diesen Spieler lohnt. Also hielten sich die Bedenken meinerseits dann doch in Grenzen.“
fcbayern.com: Würden Sie sagen, dass der Bau der Allianz Arena die wichtigste Investition in der Geschichte des FC Bayern war?
Hopfner: „Außerhalb der Spielertransfers auf jeden Fall. Mit einem Volumen von 340 Millionen Euro war die Arena eine riesige Investition, für die der FC Bayern verantwortlich war und deren Finanzierung er sicherstellen musste. Wir hatten damals damit kalkuliert, dass wir in den ersten vier, fünf Jahren eine hohe Zuschauer-Auslastung von 80, 90 Prozent haben würden und dadurch einen großen Teil tilgen könnten. Wenn man jetzt sieht, welchen Zuschauer-Boom dieses Stadion ausgelöst hat, dass auch nach elf Jahren jedes Spiel ausverkauft ist, dann war die Allianz Arena bisher eine einzige Erfolgsgeschichte für den FC Bayern.“
fcbayern.com: Träumen Sie manchmal von roten Sitzen in der Allianz Arena?
Hopfner: „Ich finde das Silbergrau gar nicht so schlecht. Und solange wir immer ausverkauft sind, ist die Farbe der Sitze doch eigentlich egal, denn man sieht sie ja ohnehin nicht...“
fcbayern.com: Gab es in den vergangenen 33 Jahren eine Entscheidung, die Sie mit der Erfahrung von heute jetzt anders treffen würden?
Hopfner: „Ein klares Nein. Sicherlich gibt es Feinheiten, die man vielleicht erst im Laufe der Zeit gelernt hat, aber bei den großen Entscheidungen würde ich heute genau das Gleiche wieder machen.“
fcbayern.com: Ihr letztes großes Projekt als Präsident ist das neue Sportgelände mit Nachwuchs-Leistungszentrum. Werden Sie dieses bis zur Einweihung im kommenden Sommer begleiten?
Hopfner: „Darüber ist noch keine hundertprozentige Entscheidung getroffen worden, die nötigen Gespräche müssen noch mit dem neu gewählten Präsidium geführt werden. Aber wenn man für dieses Projekt oder in einer anderen Sache meinen Rat benötigt, stehe ich gerne und jederzeit zur Verfügung. Dafür brauche ich jedoch kein Amt, um dem FC Bayern weiter behilflich zu sein.“
fcbayern.com: Was erwarten Sie von diesem Neubau für die Nachwuchsarbeit des FC Bayern?
Hopfner: „Der Neubau war eine Notwendigkeit, denn der FC Bayern platzt hier an der Säbener Straße aus allen Nähten. Wir haben die Hoffnung, dass dieses neue Sportgelände mit Nachwuchs-Leistungszentrum künftig die Talentschmiede des FC Bayern ist. Die ursprüngliche Idee war, auf dem Gelände an der Ingolstädter Straße – das wir schon zu Beginn des Jahrtausends gekauft hatten – eine Halle für unsere Basketballer und dazu noch ein paar Fußballplätze zu bauen. Als die Basketballer dann im Audi Dome heimisch wurden, kam der Plan auf, ein zeitgemäßes Trainingsgelände für unseren Nachwuchs zu schaffen und zusätzlich eine Dreifachturnhalle für weitere Nebenabteilungen. Ich glaube, das wird eine tolle Geschichte und ein zweites Standbein des FC Bayern – und speziell für den eV, der Besitzer des Geländes ist, eine große Wertbasis.“
fcbayern.com: Der FC Bayern hat sich in den vergangenen Jahren fest in der europäischen Spitze etabliert. Was waren dafür in Ihren Augen die entscheidenden Faktoren?
Hopfner: „Mit dem Umzug in die Allianz Arena hat der komplette FC Bayern einen Boom erlebt. Mit den Mehreinnahmen hatten wir auch mehr Geld für die Mannschaft zur Verfügung. Alleine im Sommer 2007 haben wir für Franck Ribéry, Luca Toni, Miroslav Klose und noch ein paar andere rund 100 Millionen Euro in die Hand genommen. Mit Toni haben wir zum ersten Mal einen Topstürmer aus Italien geholt – davor sind unsere Spieler oft nur in die andere Richtung gewechselt. Und in der Folgezeit haben wir dann ein paar richtig gute Personal-Entscheidungen bei Trainern und Spielern getroffen.“
fcbayern.com: Sie sind schon einmal ins zweite Glied zurückgetreten, dann als Nachfolger von Uli Hoeneß aber wieder auf die große Bühne zurückgekehrt. Schließen Sie ein erneutes Comeback aus?
Hopfner: „Damals war es eine extreme Situation für den Verein. Als mich der Verwaltungsbeirat gebeten hat, das Präsidentenamt zu übernehmen, zögerte ich nicht lange. Ich kann mir für die Zukunft aber nicht vorstellen, noch einmal so eine zeitintensive Position zu übernehmen. Außerdem werde ich auch nicht jünger.“
fcbayern.com: Was wären denn Aufgaben und Dinge, denen Sie zukünftig mehr Zeit widmen können und wollen?
Hopfner: „Da gibt es einiges. Was genau, möchte ich gar nicht öffentlich machen. Ich habe noch ein paar Mandate in Unternehmen. Und dann ist es doch auch schön, endlich mal mehr Zeit für Privates zu haben. Ich werde sicherlich nicht mehr so viel bei Auswärtsspielen dabei sein, sondern mir die Partien zuhause vor dem Fernseher anschauen.“
fcbayern.com: Bei Heimspielen wird man Sie aber schon weiterhin in der Allianz Arena antreffen?
Hopfner: „Keine Frage, da werde ich als Fan weiter dabei sein und mitfiebern. Ich habe aber auch vor, viel auf Reisen zu gehen, Zeit für andere Dinge zu haben, zum Beispiel Museen zu besuchen.“
fcbayern.com: Und wann kommt das Buch über Ihre Zeit beim FC Bayern heraus?
Hopfner: „Ich glaube zwar, das könnte einen Bestseller geben, wenn ich ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudere, aber ein Buch wird es zu 100 Prozent nicht geben“ (lacht).
fcbayern.com: Haben Sie zuhause eigentlich ein Zimmer mit besonderen Erinnerungsstücken?
Hopfner: „Nein, das gibt es nicht. Es hängt auch nirgendwo etwas an der Wand, nur ein paar Medaillen liegen in der Schublade.“
fcbayern.com: Kommen wir zum Schluss noch einmal zur anstehenden JHV. Man kennt Sie vor allem als den Finanzexperten des FC Bayern, der bei der Mitgliederversammlung recht sachlich die neuen Geschäfts-Zahlen verkündet hat. Glauben Sie, dass Ihre letzte Jahreshauptversammlung als Präsident emotionaler für Sie ablaufen wird?
Hopfner: „Sicherlich werde ich auf der Fahrt in den Audi Dome noch einmal zurückdenken an die 33 Jahre beim FC Bayern. Da werde ich auch Emotionen an mich heranlassen. Ich bin dankbar für die Zeit, die ich bei diesem Klub verbringen konnte. Und was das Sachliche angeht: Ich hoffe, dass es beim FC Bayern München auch in Zukunft neben den Fußballexperten weiterhin Technokraten geben wird. Das macht ein Teil des Erfolges aus, nämlich eine gute Mischung aus beidem hinzubekommen.“
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