
Mal einen Gang zurückschalten? Sich schonen? Nicht mit Philipp Lahm! Auch mit inzwischen 33 Jahren marschiert der FCB-Kapitän in jeder Trainingseinheit in Doha vorneweg. „Ich sehe das auch als Teil meiner Führungsaufgabe“, sagte der Weltmeister fcbayern.com. Im Interview spricht Lahm über Trainingslager früher und heute, die Arbeit mit Carlo Ancelotti und die Titelkonkurrenten.
Philipp, kannst du dich noch an dein erstes Trainingslager bei den Profis erinnern?
Lahm: „Sehr gut. Das war unter Ottmar Hitzfeld. Im Sommer am Tegernsee. Damals durfte ich als Amateurspieler bei den Profis dabei sein. Das war etwas ganz Besonderes. Ein ganz anderes Tempo. Aber das ist inzwischen wirklich lange her.“
Ist ein Trainingslager heute angenehmer als zu Beginn deiner Profikarriere?
Lahm: „Ehrlich gesagt ja. Früher hatten wir viele, sehr lange Laufeinheiten. Ich kann mich erinnern, dass wir manchmal gleich nach dem Aufstehen früh um 7 Uhr gelaufen sind und dann noch zwei weitere Einheiten am Tag hatten. Heute arbeiten wir auch intensiv, aber fast immer mit Ball. Da hat sich viel verändert. Aber was sich nie geändert hat: Ich bin nicht gerne weg von Zuhause und meiner Familie.“
Wenn du an deine Anfangsjahre zurückdenkst, welchen Tipp kannst du den Nachwuchsspielern geben, die jetzt im Trainingslager dabei sind?
Lahm: „Einfach Gas zu geben. Jeden Tag 100 Prozent auf den Platz zu bringen. Sie können über eine Woche bei uns mittrainieren. Das ist für die jungen Spieler eine schöne Möglichkeit, sich zu zeigen und sich mit Profis zu messen. Diese Tage hier werden ihnen sicherlich helfen für ihre Zukunft.“
Wie hat sich deine persönliche Arbeit im Trainingslager im Vergleich zu früher verändert?
Lahm: „Mir ist es sehr wichtig, immer alles zu geben, immer voranzugehen, immer jedes Trainingsspiel gewinnen zu wollen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Ich sehe das auch als Teil meiner Führungsaufgabe als Kapitän. Was heute anders ist, sind die Pflege-Einheiten: Die sind mehr geworden. In meinen Anfangsjahren war der junge Spieler von den älteren nicht gerne auf der Massagebank gesichtet. Heute, mit einem gewissen Alter, braucht mein Körper diese Pflegemaßnahmen.“
Ihr trainiert jetzt seit einem halben Jahr unter Carlo Ancelotti. Was hat sich auf dem Trainingsplatz geändert?
Lahm: „Im Training sehe ich nicht so große Unterschiede. Wie zuvor bei Pep Guardiola steht der Ball fast immer im Mittelpunkt. Das ist heutzutage auch normal, denke ich. Carlo Ancelotti hat aber natürlich seinen eigenen Charakter mitgebracht, wie jeder andere Trainer auch. Daher hat jeder Trainer eine andere Ansprache, der eine ist etwas ruhiger, der andere greift häufiger ins Training ein.“
Wie schwierig war die Umstellung auf den Führungsstil von Carlo Ancelotti?
Lahm: „Wie bei jedem Trainerwechsel braucht das ein bisschen Zeit. Aber nach ein paar Wochen spielt das keine Rolle mehr. Wir waren auch zusammen in den USA, wo man sich gut kennen lernen konnte. Die größere Herausforderung im Sommer nach der Europameisterschaft war für uns, dass wir Spieler erst nach und nach ins Training eingestiegen sind.“
Ihr habt gerade zum Ende der Hinrunde in zwei verschiedenen Systemen gespielt, mit Zehner und ohne Zehner. Wie werdet ihr in Zukunft agieren?
Lahm: „Gut ist, dass wir verschiedene Systeme spielen können. Wir haben in der Hinrunde teils mit drei zentralen Mittelfeldspielern agiert, teils mit zwei Sechsern und einem Zehner davor, teils auch im 4-4-2. Was besser passt, hängt auch immer ein bisschen vom Gegner und der Charakteristik der Spieler ab, die zum Einsatz kommen.“
Der Wechsel zwischen verschiedenen Systemen ist kein Problem für euch?
Lahm: „Man muss die Systeme natürlich immer wieder trainieren. Wenn wir von heute auf morgen auf eine Dreierkette umstellen würden, wäre das schon ein Problem. Da würden uns jetzt die Automatismen fehlen.“
Vor der Abreise nach Doha hast du davon gesprochen, dass ihr am „richtigen Mix“ arbeiten müsst. Was meinst du damit?
Lahm: „In den vergangenen drei Jahren haben wir mit viel Ballbesitz gespielt. Und wenn der Gegner den Ball hatte, wollten wir ihn mit aggressivem Angriffspressing so schnell wie möglich zurückerobern. Jetzt unter Carlo Ancelotti spielen wir auch mal abwartend - doch das mussten wir erst wieder lernen. Wenn der Gegner mal länger am Ball war, sind wir alle ein bisschen unruhig geworden, weil wir das nicht mehr kannten. An diesem Mix - mal vorne aggressiv draufzugehen, mal sich zurückzuziehen, dem Gegner den Ball zu überlassen, das Tor zuzumachen und dann schnell zu kontern - müssen wir weiter arbeiten.“
Wenn man auf die Bundesliga-Tabelle schaut, heißen eure direkten Verfolger nicht Dortmund oder Gladbach, sondern Leipzig und Hertha BSC. Wen siehst du als größten Titelkonkurrenten?
Lahm: „Bei Dortmund sehe ich die größte Qualität in der Mannschaft, aber sie haben in der Hinrunde einige Punkte liegen gelassen, was auch mich überrascht hat. Dafür hat sich Leipzig oben festgebissen. Aber wir haben noch nicht mal die Hälfte der Saison, es ist noch ein langer Weg. Irgendwann, vielleicht nach den nächsten fünf bis zehn Spielen, wird sich zeigen, wer noch oben dabei ist.“
Für fcbayern.com in Doha: Niko Heindl und Marco Donato
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