Das berühmt-berüchtigte Wechselbad der Gefühle – im Sommer 2017 schwappte es wie eine Welle durch Ostwestfalen. Sportlich war der SC gerade in die viertklassige Regionalliga abgestiegen, als der Lizenzentzug für den TSV 1860 München den Ostwestfalen unverhofft doch noch einen Platz in der 3. Liga bescherte. Ein halbes Jahr später führen die Paderborner eben jene Liga an – und treffen nach drei Siegen über ambitionierte Zweitligisten (St. Pauli, Bochum, Ingolstadt) nun im DFB-Pokalviertelfinale auf den deutschen Rekordmeister. Vor dem Duell der Spitzenreiter sprach fcbayern.com mit Markus Krösche, dem Geschäftsführer Sport des SCP.
Das Interview mit Markus Krösche
Hallo, Herr Krösche! Zunächst einmal Gratulation zum gelungenen Rückrunden-Auftakt. Wie zufrieden sind Sie mit dem Start des SC Paderborn ins Fußballjahr 2018?
Markus Krösche: „Wir sind natürlich sehr zufrieden. Die letzten Wochen waren sehr turbulent. Wir haben im Winter unseren Toptorjäger Dennis Srbeny abgegeben (zu Norwich City, d. Red.), deswegen war zunächst nicht ganz klar, wie die Mannschaft damit umgehen würde. Aber sie hat es sehr, sehr gut gemacht. Wir sind wieder in der Spur.“
Mit neun Toren und elf Assists in 15 Spielen war Srbeny Topscorer der 3. Liga. Wie groß ist das Risiko, die Saison ohne ihn zu Ende zu spielen?
Krösche: „Klar ist Dennis‘ Abgang sportlich ein Verlust. Aber wirtschaftlich mussten wir diesen Transfer machen. In der 3. Liga sind wir beinahe gezwungen, Transfererlöse zu erwirtschaften, um die ganze Party bezahlen zu können. Da muss man abwägen. Aber wir sind total überzeugt von den Spielern, die wir im Kader haben. Und unsere Mannschaft hat bisher eindrucksvoll gezeigt, dass wir Dennis‘ Wechsel kompensieren können.“
Die Entwicklung des Klubs ist ein wenig verrückt: Nur durch den Lizenzentzug von 1860 München sind Sie in der 3. Liga geblieben, nun führen Sie die Tabelle an. Reiben Sie sich manchmal die Augen angesichts dieser Entwicklung
Krösche: „Naja, wir haben vor dieser Saison extrem viel verändert und wussten, dass unsere neue und sehr junge Mannschaft Potenzial hat. Die Jungs arbeiten sehr hart mit dem Trainerteam. Überrascht sind wir also nicht. Aber wir konnten auch nicht damit rechnen, dass wir so dominant sind. Wir sind froh, dass das so gut funktioniert.“
Mit welchem Saisonziel sind Sie in die Runde gestartet? Doch nicht mit dem Aufstieg, oder?
Krösche: „Wenn wir nach diesen zwei Jahren gesagt hätten, wir wollen aufsteigen, dann hätten sie uns die Arme vorne zugenäht und uns eingewiesen. Klar, wir wollten eine gute Rolle spielen und im oberen Drittel mitmischen. Aber dass sich die Jungs so gut finden und sich so toll entwickeln, das war nicht planbar.“
Und jetzt ist das Ziel der Aufstieg?
Krösche: „Sagen wir mal so: Wir stehen nach 23 Spieltagen auf dem ersten Platz. Und den wollen wir mit aller Macht verteidigen.“
Die Strahlkraft des DFB-Pokals scheint das Team nicht von den Hausaufgaben in der Meisterschaft abzulenken.
Krösche: „Wir haben uns gesagt: Egal, welcher Gegner kommt, unser Fokus muss auf der Liga liegen. Außerdem helfen uns gute Spiele in der Meisterschaft auch in der Vorbereitung auf den Pokal. Als einzig verbliebener Drittligist war ohnehin klar, dass ein schwieriger Gegner wartet. Jetzt ist es der FC Bayern geworden, das Nonplusultra im deutschen Fußball. Nichtsdestotrotz wollen wir eine sehr gute Leistung bringen. Dann werden wir sehen, was rauskommt.“
Das klingt sehr professionell. Wenn wir auf die Emotionen schauen: Wie groß ist die Vorfreude?
Krösche: „Natürlich freuen sich alle auf dieses Spiel, unsere Fans, die ganze Stadt – das spürt man. Letztlich ist es für uns aber auch ein „normales“ Pflichtspiel, das wir nicht abschenken werden. Wir machen keinen PR-Kick daraus. Mit dem Viertelfinal-Einzug haben wir Vereinsgeschichte geschrieben, das hat es in Paderborn noch nie gegeben. Jetzt kommt der FC Bayern, darüber freuen wir uns, das ist eine schöne Geschichte, ein schönes Zubrot. Klar ist aber auch: Die Liga ist unser Nonplusultra.“
Sie haben vor der Saison mit Leon Fesser und Matthias Stingl zwei Spieler aus dem Nachwuchs des FC Bayern verpflichtet. Wie zufrieden sind Sie mit ihnen?
Krösche: „Wir sind sehr zufrieden. Leon hat gegen Lotte (Paderborn gewann mit 5:0, d. Red.) zum ersten Mal von Anfang an gespielt und eine sehr gute Leistung gebracht. Matthias ist noch sehr jung (19 Jahre, d. Red.), hat aber auch schon den einen oder anderen Einsatz hinter sich. Beide sind auf einem guten Weg.“
Stammtorhüter Leopold Zingerle, einst ebenfalls beim FC Bayern aktiv, sitzt im DFB-Pokal nur auf der Bank. Ist er vor dem Duell mit seinem Ex-Klub ein wenig enttäuscht?
Krösche: „Leo weiß ja Bescheid, das Trainerteam hat diese Entscheidung von Anfang an sehr offen kommuniziert. Natürlich würde gegen die Bayern jeder Spieler gern auflaufen, das ist keine Frage. Aber er weiß es einzuschätzen. Michael Ratajczak hat sehr gute Leistungen gebracht und sich die Einsätze im Pokal verdient.“
Paderborn gegen Bayern – im Pokal hat es das bereits gegeben, am 27. August 2001. Der FC Bayern hat 5:1 gewonnen, Sie waren auf dem Platz live dabei…
Krösche: „Der Trubel war deutlich größer als heute. Wir waren gerade aus Oberliga in die damalige dritte Liga aufgestiegen. Damals hatten wir noch nicht die neue Benteler-Arena, deswegen sind wir für dieses eine Spiel nach Bielefeld umgezogen. Das war fast schon ein PR-Event, es gab ein riesen Hype. Das Spiel am Dienstag betrachten wir deutlich nüchterner. Durch unser Bundesliga-Jahr haben wir ja ein bisschen Erfahrung mit solchen großen Gegnern.“
Wann wäre es ein gelungener Pokalabend aus Paderborn-Sicht?
Krösche: „Wenn wir die Leistung, die wir bisher in der Liga gebracht haben, auch im Pokal wieder auf den Platz bringen. Wir wollen uns vor ausverkauftem Haus sehr gut präsentieren und sportlich auf uns aufmerksam machen.“
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: DFB-Pokalfinale oder Aufstieg?
Krösche: „Beides (schmunzelt).“