Ob Barcelona, Madrid, Manchester, Mailand oder die großen Arenen in London. Zuletzt auch Lissabon, Athen und Amsterdam. Es gibt wohl kaum ein namhaftes europäisches Fußballstadion, in dem der FC Bayern in den letzten Jahren nicht seine Visitenkarte abgegeben hat. Allein an der legendären Anfield Road in Liverpool ist der deutsche Rekordmeister in der jüngeren Vergangenheit nicht vorstellig geworden. Doch nun hat das Warten ein Ende. Am kommenden Dienstag gastiert der FCB zum Hinspiel des Champions-League-Achtelfinales beim englischen Spitzenteam FC Liverpool.
„Alle sind schon mega-heiß auf das Spiel“, berichtete Serge Gnabry, der selbst schon mit 1899 Hoffenheim dort gespielt hat. „Die Atmosphäre ist etwas Besonderes, ein geiles Feeling, dort zu spielen. Ich erwarte einfach ein richtig spannendes Spiel“, so der 23-Jährige. Auch Niko Kovac freut sich auf die Partie: „Wir wissen, dass an der Anfield Road magische Nächte geschrieben werden“, meinte der Bayern-Trainer unmittelbar nach der Achtelfinalauslosung, „ich hoffe, das wird für uns eintreffen“.
Erbaut wurde das Stadion, als es den LFC, der vor zwei Jahren sein 125-jähriges Bestehen feierte, noch gar nicht gab. Im September 1884 wurde das Sportgelände zwischen Anfield Road und Walton Breck Road eröffnet und diente zunächst dem Lokalrivalen FC Everton als Heimspielstätte. 1892 siedelten die Toffees aber in den benachbarten Goodison Park um. Kurz darauf wurde der FC Liverpool gegründet, der seither seine Heimat in Anfield hat.
Das Stadion liegt mitten in einem Wohngebiet im gleichnamigen Liverpooler Stadtteil. Die letzte von zahlreichen Renovierungs- und Umbaumaßnahmen wurde im Jahr 2015 abgeschlossen. Vier Tribünen - Main Stand, Anfield Road Stand, Kenny Dalglish Stand und The Kop, die wohl berühmteste Tribüne des Weltfußballs - bieten Platz für 54.074 Zuschauer. Es ist damit das sechstgrößte Stadion in England.
Und diese machen aus Anfield eine der stimmungsvollsten Arenen überhaupt. Seit den 60er Jahren wird hier vor jedem Spiel „You'll never walk alone“, das vielleicht bekannteste Lied im Sport, lautstark von den Rängen intoniert. Gänsehautmomente für jeden Fan, aber auch für jeden Spieler, der dies schon hautnah miterlebt hat. „Ich habe in vielen Stadien auf dieser Welt gespielt, aber nichts lässt sich mit einem Spiel in Liverpool vergleichen“, hat der frühere Arsenal-Torjäger Thierry Henry mal gesagt.
Schon der Weg aus den Kabinen auf den Rasen ist etwas Besonderes. Im Spielertunnel gehen die Akteure beider Mannschaften schon mal auf Tuchfühlung. In den 60er Jahren ließ Trainerlegende Bill Shankley im Kabinengang ein Schild mit dem Liverpool-Logo und der Aufschrift „This is Anfield“ anbringen. Es sollte eine Ansage an den Gegner sein: Das ist die Anfield Road, hier gibt es nichts zu holen. Ein Glücksbringer für die Spieler der Heimmannschaft, die vor dem Gang auf das Spielfeld das Schild mit der Hand berühren.
Für deutsche Mannschaften waren Gastspiele in Anfield bislang wenig ertragreich. 18 Mal versuchte sich ein Team bei den Reds, 15 Niederlagen und drei Remis sind die magere Ausbeute. Drei Mal spielte der FC Bayern übrigens schon in Anfield. Sowohl im Achtelfinal-Hinspiel des Pokalsieger-Wettbewerbs 1971 als auch zehn Jahre später im Landesmeister-Halbfinale kamen die Münchner nicht über ein torloses Unentschieden hinaus. Im Viertelfinal-Hinspiel des Messecups 1970/71 kassierte der deutsche Rekordmeister zudem eine 0:3-Niederlage.
Zuletzt versuchten die FC Bayern Legends ihr Glück in Anfield, als sie im März 2018 zu einem Benefizspiel bei den LFC Legends antraten. In einer unterhaltsamen Partie trennten sich beide Mannschaften vor 54.000 (!) Zuschauern mit einem 5:5-Unentschieden. Die Bayern-Profis haben am Dienstag also Gelegenheit, mit einem Sieg an dieser legendären Spielstätte Geschichte zu schreiben.
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