Paris, Juventus, FC Bayern. Kingsley Coman (Foto © by Dirk Bruniecki) weiß, wie man sich im Konzert der Größten behauptet. Im Gespräch mit „51“ spricht Bayerns Nummer 29 über seine Herkunft, die Familie, Verletzungspech und die großen Fußstapfen von Franck Ribéry. (Das ausführliche Interview lesen Sie im Mitgliedermagazin des FC Bayern).
Das Interview mit Kingsley Coman
Kingsley, du hast deine Wurzeln auf der Karibikinsel Guadeloupe, aufgewachsen bist du in Frankreich, nun fühlst du dich in Bayern zuhause. Bist du ein Kind verschiedener Welten?
Coman: „Ja, schon mein Leben lang. Bis auf mich wurde meine ganze Familie auf Guadeloupe geboren. Ich bin in den Pariser „Banlieues“ aufgewachsen, den Vororten, wo das Leben nicht immer einfach ist. Trotz meiner karibischen Herkunft habe ich mich immer als Franzose gefühlt, aber mittlerweile lebe ich seit über fünf Jahren im Ausland, spreche jeden Tag Englisch mit meiner Freundin, spreche Deutsch mit meinen Teamkollegen. Im Grunde spreche ich heute mehr Deutsch und Englisch als Französisch. Dieser ganze Mix gefällt mir. Ich finde es schön, dass ich mehrere Kulturen in mir vereinen kann und versuche, das Beste aus allen Welten mitzunehmen. Von Vielfalt kann man nur profitieren."
Du besuchst deine Verwandten in Guadeloupe regelmäßig. Wie ist das Leben dort?
„Ich war zuletzt vor zwei Jahren dort. Aber dieses Weihnachten werde ich wieder nach Guadeloupe fliegen. Die Feiertage dort zu verbringen, ist wunderschön. Dort werde ich nicht als Fußballstar gesehen – sondern einfach als Kingsley. Auf Guadeloupe geht es sehr gemütlich zu. Die Leute sind wahnsinnig freundlich. Sie erkennen mich zwar, respektieren aber auch, wenn ich mit meiner Familie mal meine Ruhe haben möchte. Es ist ein Ort, an dem ich wunderbar runterschalten kann.“
Was sagen deine beiden Omas über dein Leben in der Ferne und deine Karriere in der großen weiten Fußballwelt?
„Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob sie dieses Leben, das ich führe, komplett nachvollziehen können, aber ich weiß, dass sie stolz sind. Eine von beiden kann nichts mehr sehen und hört sich meine Spiele immer im Radio an. Meine Leistung bewertet sie dann danach, wie oft sie meinen Namen hört. Je häufiger mich die Kommentatoren erwähnen, desto besser habe ich für sie gespielt – und umgekehrt.“
„„Es war mein erstes Finale als Stammspieler – sie wollte das unbedingt sehen."”
Kingsley Coman
Deine Mutter ist dieses Jahr beim Pokalfinale in einer Münchner Sportbar aufgetaucht, um dich im Fernsehen zu sehen – wie hast du das gefunden? Ganz München war von ihrem charmanten Auftritt begeistert…
„Diese ganze Geschichte hat mich nicht überrascht. So ist meine Mutter einfach. In meiner Wohnung bekam sie an diesem Abend nur französische Fernsehkanäle rein – sie konnte das Spiel nicht sehen. Das wollte sie aber unbedingt, also ist sie in eine Bar gegangen. Es war ja ein Endspiel, mein erstes Finale als Stammspieler – sie wollte das unbedingt sehen. Und die Leute in dem Lokal waren sehr freundlich, sie haben ihr gleich extra Platz gemacht, obwohl die Bar eigentlich voll war. Meinen Namen hat sie dabei zunächst gar nicht gesagt, weil sie es nie ausnutzen würde, dass sie meine Mutter ist. Sie hat Glück gebracht: Wir haben gewonnen, ich habe ein Tor geschossen.“
Von deinem Vater hast du deine Schnelligkeit geerbt. Stimmt es, dass du als Kind Wettrennen gegen ihn gelaufen bist?
„Ja, und als ich 13 oder 14 Jahre alt war, war ich auf einmal schneller als er. Dann wollte er plötzlich nicht mehr gegen mich antreten. Meine Familie hat mir auf meinem Weg sehr geholfen. Mein Vater hat mich immer nach seiner Arbeit zum Training gefahren. Das waren aus Moissy rund 70 Kilometer einmal um die Stadt herum – wer den Verkehr in Paris kennt, der weiß, wie ewig das dauert.“
Wie gefällt dir der Spitzname „Rakete“?
„Ich mag ihn sehr. Bei Paris St.-Germain hat mich mein Freund Mike Maignan, der jetzt Nationalspieler ist, „das Mofa“ genannt. Rakete gefällt mir besser – ist schneller als ein Mofa (grinst).“
Nicolas Anelka und Anthony Martial stammen ebenfalls aus Guadeloupe. Usain Bolt kommt aus Jamaika – warum sind karibische Beine so schnell?
„Viele Spieler aus der Karibik sind in der Tat sehr schnell. Allerdings ist es lustig, dass mir das Sprinten an sich eigentlich keinen Spaß macht. Ich brauche einfach den Ball am Fuß. Ohne ihn loszusprinten, muss natürlich sein, um in die Tiefe zu gehen. Aber mir gefällt es viel besser, meine Geschwindigkeit im Dribbling auszunutzen. Und Joggen nervt mich noch mehr. Ich kann stundenlang Fußball spielen – aber 20 Minuten lang nur herumzulaufen, das interessiert mich im Grunde nicht.“
Franck Ribéry war wie ein Bruder für dich. Er blieb zwölf Jahre, prägte eine Ära – möchtest du hier eine ähnliche Geschichte schreiben?
(schmunzelt) „Ich spiele jetzt das fünfte Jahr bei Bayern – das ist ja fast die Hälfte. Im Ernst, ich bin erst 23, habe also noch etwa zehn Jahre vor mir auf höchstem Niveau. Es ist zu früh, schon meinen ganzen Karriereweg vorherzusagen. Natürlich kann ich mir vorstellen, zwölf Jahre zu bleiben wie Franck – und dann wäre ich immer noch jung und hätte genug Zeit, zwei, drei neue Länder zu erkunden. Ich bin sicher, dass ich noch lange bei Bayern bleiben werde. Wir sind in einem sehr familiären Verein, wir Spieler spüren das. Bevor ich meinen Vertrag unterzeichnet habe, hat mich zum Beispiel Uli Hoeneß zu sich nach Hause eingeladen.“
Deine letzte Verletzung war ein Muskelfaserriss im Februar. Hast du nach deinem großen Verletzungspech mit zwei Syndesmosebandrissen in Folge etwas an deinem Lebensstil geändert?
Ja, ich hatte zwei Operationen an derselben Stelle, konnte jeweils acht Wochen lang überhaupt nichts machen. Wenn man so viel Zeit hat nachzudenken, verändert einen das. Ich habe damals begonnen, mich mehr fürs Kochen zu interessieren, auch für Mode, ein bisschen von allem. Hauptsache weg vom Fußball. Heute, wenn ich müde bin oder von etwas gestresst, denke ich an diese Zeit zurück und merke schnell, dass es immer besser ist, müde, aber trotzdem gesund zu sein. Wenn man verletzt ist, fehlt nichts mehr als der Fußballplatz.“
Nach der zweiten Operation hat eine Aussage von dir, du würdest aufhören, wenn es nicht besser wird, für Wirbel gesorgt. War das dein Ernst damals?
„Da muss ich vielleicht noch einmal etwas klarstellen: Ich meinte damals, wenn es mir sofort ein drittes Mal passieren würde. Ich hatte mich gerade zurückgekämpft und gesagt, dass ich mich nicht ein drittes Mal operieren lassen würde. So hatte ich mich in dem Moment einfach gefühlt. Nun ist aber alles wieder in Ordnung.“
Du und Serge Gnabry solltet diese Saison aus dem großen Schatten von Ribéry und Arjen Robben treten. Ist euch das gelungen?
„Seit meiner letzten Verletzung komme ich zu vielen Einsätzen, ich spüre das Vertrauen des Klubs, fühle mich als wichtiger Teil der Mannschaft und möchte mich in Zukunft immer mehr einbringen, auch außerhalb des Platzes. Ich arbeite so hart wie möglich. Franck und Arjen waren über ein Jahrzehnt hier, sie haben große Karrieren hingelegt. Dazu gehört mehr, als nur immer top zu spielen, was schwer genug ist. Ich hoffe, dass ich auf meine Weise auch eine ganz große Karriere haben werde.“
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