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Christian Sabas Weltreise

Welcher Ghanaer lief am häufigsten für den FC Bayern auf? Sammy Kuffour? Nein. Christian Saba! Unserem Mitgliedermagazin „51“ erzählte der langjährige Abwehrchef der FCB-Amateure seine Geschichte. Von einem, der auszog und fern der Heimat alles fand, was er braucht.

Am FC Bayern Campus kennt Christian Saba jeder. Neuzugänge googeln ihn sofort, und überhaupt spricht sich schnell rum, wer da in der U19 zum Trainerstab gehört. 342 Spiele für die FCB-Amateure sind für ihn verzeichnet. „Wahnsinn!“, findet Saba selbst, lehnt sich zurück und erzählt Geschichten, die man nicht unter den spärlichen Internet-Einträgen zum ihm findet. Zum Beispiel die von seinem ersten Schnee. „Es war ein Montagmorgen. Ich schaue aus meinem Fenster – und alles war weiß!“ Irgendwann Ende 1995 war das. Saba war erst zwei, drei Monate zuvor aus Ghana nach München gekommen. Er wohnte im damaligen Jugendhaus auf dem Klubgelände in der Säbener Straße. „Ich dachte: Da kann man doch nicht trainieren. Und habe mich wieder schlafen gelegt.“ Amateure-Trainer Rainer Ulrich musste ihn aus dem Bett klopfen, zum Waldlauf. „Ich habe mich extradick eingepackt. Zwei Paar Socken, Handschuhe, Jacke. Aber ich habe gefroren wie noch nie.“ Saba grinst. „Später habe ich meine Eltern angerufen und gesagt: Hier ist alles weiß wie im Kühlschrank.“

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Anruf von Franz Beckenbauer

Es war eine ganz andere Welt, in die Saba 1995 geraten ist. Mit gerade mal 16 Jahren. Er spielte damals schon in der ersten Liga in Ghana. Jeden Montag schaute er im Fernsehen „Football made in Germany“, eine Sendung über die Bundesliga. Und dann, im Mai beim U17 Afrika-Cup in Mali, sprach ihn ein FCB-Scout an. „Bayern München? Ich? Auch mein Trainer war skeptisch“, erzählt er. Erst als der Scout dem Nationalcoach einen Telefonhörer reichte, gab es keine Zweifel mehr – am anderen Ende der Leitung war Franz Beckenbauer. Damit war die Sache klar. Andere Angebote wurden abgesagt. Denn Saba war begehrt bei Klubs aus ganz Europa. „Holland, London, Belgien …“, zählt er auf.

Nach dem Turnier reiste der junge Innenverteidiger zum ersten Mal nach München. Probetraining bei Hermann Gerland – und der war sofort begeistert. „Fußballerisch war er überragend“, erinnert sich der Tiger, „ein herausragender Techniker, der Ball gehorchte ihm. Er war kopfball- und zweikampfstark, er erkannte Situationen.“ Seine klare Empfehlung: verpflichten! Ein paar Wochen später wurde Saba ein Bayer. Nach der U17-WM, wo er mit Ghana den Titel gewann, landete er schließlich Ende August endgültig in München. „Ich hatte nur eine Sporttasche dabei“, erzählt Saba. An dieser Stelle wird die Geschichte eines Fußballers, für den ein Traum in Erfüllung ging, zur Geschichte eines jungen Mannes, der in einer fremden Welt seinen Weg finden muss.

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Saba absolvierte auch Trainingseinheiten bei den Profis an der Seite von Martín Demichelis, Miroslav Klose & Co.

Uli und Karl-Heinz schimpften

Auf dem Fußballplatz war das das geringste Problem. Schon nach ein paar Spielen mit der U17 wurde Saba zu den Amateuren hochgezogen. Doch außerhalb des Platzes fiel ihm die Integration schwer. „Es war schon extrem“, erinnert sich Saba heute, „ich war ganz allein, habe kein Wort Deutsch verstanden.“ Christa Schweinberger, die leider viel zu früh verstorbene Leiterin des FCB-Jugendhauses, und Karin Potthoff, die Sekretärin von Uli Hoeneß, kümmerten sich liebevoll um ihn. Beide nennt er bis heute „Mama“. Doch das Heimweh war riesig. Wichtigste Verbindung nach Hause war das Telefon. „In manchen Monaten hatte ich eine 10.000-D-Mark-Telefonrechnung“, erzählt Saba. Einmal, im Herbst 1996, war er wegen einer Sprunggelenksoperation in einem Hotel in Berlin – und vertelefonierte in zwei Tagen 8.000 D-Mark. „Oh, oh“, sagt Saba und verzieht das Gesicht, „Karl-Heinz Rummenigge hat geschimpft: ‚Wie machst du das? 8.000 Mark in zwei Tagen!‘ Zum Glück kannte er den Hotelmanager.“ Saba lacht und wird ernst. „Karl-Heinz und Uli Hoeneß haben so viel für mich gemacht.“

Der junge Ghanaer war ein besonderer Fall, dessen sich Hoeneß und Rummenigge väterlich annahmen, mal streng, mal verständnisvoll. Was den Bayern-Verantwortlichen besondere Sorge machte: Saba büxste immer wieder aus, verschwand einfach für ein paar Tage nach Ghana. „Mama Potthoff und alle wollten wissen, was los ist.“ Er musste bei Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge zum Rapport antreten und gab vor, seine Mutter sei krank. Aber Hoeneß durchschaute ihn. „Hast du zu Hause eine Freundin?“, fragte der damalige FCB-Manager. Saba nickte. „Ich war auch mal jung“, meinte Hoeneß, „wir helfen dir.“ Saba durfte noch mal nach Ghana fliegen – und kehrte frisch verlobt mit seiner Freundin zurück. Heute sind sie verheiratet und haben zwei Kinder. Nach Ghana reiste er von nun an nur noch in den Sommer- und Winterpausen.

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Illustrator: Florian Bayer.

Ein Bundesligaeinsatz beim Tiger

Mit 20 Jahren, im Januar 1999, war es Zeit für den nächsten Schritt. Der Verteidiger wurde an Hertha BSC ausgeliehen, um Bundesliga-Luft schnuppern zu können. Doch in der Hauptstadt durfte er nur am letzten Spieltag, im Mai 1999, für zehn Minuten im deutschen Fußballoberhaus spielen. Auch bei Arminia Bielefeld ab Sommer 1999 reichte es nicht zu mehr Bundesliga-Einsätzen – obwohl dort Gerland Trainer war. Das Verhältnis der beiden kühlte sehr schnell ab, weil Saba das Vertrauen des Tigers überstrapazierte. Gerland hatte ihm für den Umzug zwei freie Tage gewährt – doch Saba verschwand für eine Woche spurlos nach Ghana. Die Zeitungen berichteten mit großen Schlagzeilen. „Ich war jung“, sagt er heute mit entschuldigender Miene. „Der Tiger war so sauer! Statt mit der Mannschaft zu trainieren, musste ich allein laufen.“ Für Gerland war der schwierige Start aber nicht der eigentliche Grund, warum es für Saba bei einem einzigen Bundesliga-Einsatz blieb. Knieprobleme bremsten den Ghanaer aus. „Ihm fehlte deswegen Geschwindigkeit“, erklärt der Tiger. Im Winter wurde es Saba zu viel. Das ganze Jahr 1999 hatte er so gut wie gar nicht gespielt, das Verhältnis zum Trainer war angespannt, die Knie schmerzten – aus dem Weihnachtsurlaub kehrte er erneut zu spät nach Bielefeld zurück. Gerland hatte ihn vorher noch gewarnt. Es half nichts. Im Januar 2000 musste Saba in Bielefeld seine Koffer packen. „Der Tiger stand mit verschränkten Armen da und sah mir zu, wie ich zum Taxi ging“, erzählt Saba, „er hat nur den Kopf geschüttelt.“

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Vorzeitiges Karriereende drohte

Der Innenverteidiger kehrte nach München zurück. Hier konnte er mit den Amateuren trainieren, durfte aber bis Saisonende nicht spielen. „Im letzten Training erfuhren wir, dass der Tiger im Sommer unser neuer Trainer werden würde. Ich habe die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen“, erzählt Saba. „Er sagte zu mir: ‚Wenn du wieder Mist baust, bist du sofort weg!‘“ Saba verstand – und wurde ein Leistungsträger im Regionalliga-Team des FC Bayern. „Am Ende der Hinrunde ging der Tiger mit mir hoch zu Uli Hoeneß, und ich bekam einen neuen Vertrag.“ Saba strahlt. Zwischen Gerland und ihm entwickelte sich ein enges Verhältnis. „Für mich ist der Tiger mein Papa“, sagt Saba. „Er ist mir einfach ans Herz gewachsen“, sagt Gerland. Regelmäßig bekam der Verteidiger Angebote von Zweitligisten, regelmäßig sagte er ab. „Der Tiger meinte immer: ‚Was willst du da? Bei Bayern hast du’s besser.‘ Und er hatte recht“, erzählt Saba. In München trainierte er mit Miro Klose, Lúcio und Michael Ballack, saß bei den Profis immer wieder auf der Ersatzbank und war Führungsspieler bei den Amateuren. Dabei wäre seine Karriere 2001 nach einem Knorpelschaden fast vorzeitig beendet gewesen. „Mein Doktor meinte, ich könne nie wieder Fußball spielen. Da hat mich Uli zu Dr. Müller-Wohlfahrt geschickt. Und der hat es geschafft, dass ich weiterspielen konnte.“

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Saba spielte bei den Amateuren unter anderem an der Seite des aktuellen U17-Trainers Danny Schwarz (links).

An der Seite von Lahm und Hummels

Der sportliche Höhepunkt kam 2004. Im Sommer gewannen die Amateure die Regionalliga-Meisterschaft, im Herbst feierten sie im Grünwalder Stadion große DFB-Pokalabende gegen Bundesligist Borussia Mönchengladbach (7:6 n. E.) sowie die Zweitligisten Alemannia Aachen (2:1) und Eintracht Braunschweig (3:2). „Er hatte einen enormen Stellenwert innerhalb der Mannschaft, bei mir war er hoch angesehen“, sagt Gerland über seinen ehemaligen Abwehrchef, an dessen Seite Spieler wie Mats Hummels, Holger Badstuber, David Alaba oder Philipp Lahm aufliefen. „Alle, die neben ihm gespielt haben, profitierten von ihm. Er hat keinen Ball gespielt, der nicht zu verarbeiten war. Seine Pässe waren eine Augenweide“, schwärmt Gerland heute noch. Viele von Sabas Mitspielern machten Karriere, schafften es in die Bundesliga, in die Nationalmannschaft – Saba blieb drittklassig. Traurig sei er deswegen nicht, sagt er. Er freue sich, ihnen ein bisschen geholfen zu haben. „Wenn sie Probleme hatten, kamen sie alle zu mir.“ Er schmunzelt. „Weil ich besser mit dem Tiger sprechen konnte.“

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Coaching mit Bastian Schweinsteiger

Saba erzählt von Bastian Schweinsteigers erstem Einsatz bei den Amateuren. „Am Tag davor hatte er 90 Minuten in der U19 gespielt. In der Halbzeit sagte er mir: ‚Ich kann nicht mehr. Sag das bitte dem Tiger.‘“ Doch Gerland ließ nicht mit sich reden. Schweinsteiger musste zurück auf den Platz. Saba riet ihm, weniger zu laufen, die Bälle mehr zu verteilen. „Er spielte im zentralen Mittelfeld, ich habe ihn von hinten gecoacht. Und weißt du was? Er hat eine super zweite Halbzeit gespielt!“ Kurz vor Schluss wollte sich Schweinsteiger dann aber doch auswechseln lassen. „Da schrie der Tiger: ‚Schweinsteiger!!! Wie alt bist du???‘“ Saba lacht. „So ist der Tiger. Am nächsten Tag holte er ihn ins Profi­training.“

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U19-Coach Martín Demichelis und seine Co-Trainer Stefan Buck und Christian Saba haben am Campus einen Blick für Talente.

Zukunft am FC Bayern Campus

Über die Jahre hat Saba von Gerland etwas geerbt: ein Auge für Details. „Ich sehe sofort, wo ein Spieler Probleme hat, woran er arbeiten muss.“ In der U19 und vorher in der U16 nimmt er seine Jungs zur Seite und erklärt ihnen, wie sie es besser machen. Der Job mache Spaß, sagt er. Und er gibt ihm wieder Halt. Nach dem Ende seiner Profikarriere 2011 – die Knie spielten endgültig nicht mehr mit – hatte Saba keine Aufgabe mehr. „Eigentlich wollte ich zurück nach Ghana. Doch der Tiger sagte: ‚Was willst du in Ghana? Bleib hier.‘“ Einmal mehr hörte er auf Gerland.

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Illustrator „Florian Bayer.

Doch der neue Alltag bereitete ihm Probleme – bis er 2015 in einem Giesinger Supermarkt zufällig Uli Hoeneß traf. „Er sagte: ‚He, alter Kämpfer!‘ So hat er mich immer genannt. ‚Was machst du so?‘ Uli merkte schnell, dass es mir nicht gut ging.“ Noch am selben Tag bestellte er Saba zu sich ins Büro. Wieder mal. Und wieder wurde ihm geholfen – mit einem Job in der FCB-Jugendabteilung. „Ich sagte nur: ‚Wow!‘ Ich war so froh! Bayern ist eine Familie. Egal, wer du bist und wo du herkommst, alle gehören dazu.“ Auch Gerland ist glücklich. „Bei Bayern ist er bestens aufgehoben. Wenn ich sehe, wie ihn seine Spieler begrüßen, wie einen überragenden Freund, das freut mich.“ Der Tiger schmunzelt. „Christian ist ein lieber Kerl. Jeder mag ihn, auch wenn er manchmal Mist gebaut hat.“ Ende Dezember feierte Christian Saba seinen 42. Geburtstag. Inzwischen lebt er länger in München, als er das je in Ghana getan hat. Vor mehr als 25 Jahren kam er hierher. „Bayern und München“, sagt er heute, „sind mein Zuhause.“

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