Am heutigen Sonntag feiert Paul Breitner seinen 70. Geburtstag. Mit „51“ spricht der Ehrenspielführer des FC Bayern über seine Karriere, Freddie Mercury und Begegnungen auf Augenhöhe bei der Münchner Tafel.
Das Interview mit Paul Breitner
Herr Breitner, Sie waren bei Ihrem Karriereende noch nicht einmal 32 Jahre alt. Fiel Ihnen das Loslassen eigentlich schwer?
„Ich musste nicht loslassen, weil ich mich aufs Aufhören gefreut habe. Im Herbst 1980 hatte ich meinen Vertrag beim FC Bayern noch einmal um zwei weitere Jahre verlängert. Eigentlich sollte die Laufzeit länger sein, aber ich wusste, es reicht dann – allerdings unter der Voraussetzung, dass ich bis dahin die beste Saison meines Lebens spiele. Und ich hätte verlängert, wenn ich nicht an Weihnachten 1982 dagesessen wäre und gesagt hätte: Das ist der Moment. Egal, ob wir mal gewonnen oder verloren haben, aber das, was ich den Leuten geboten habe, war für meine Begriffe und mein Können perfekt, es war rund. Und so habe ich im Januar Trainer Pal Csernai gesagt, dass ich aufhöre.“
„Aufhören, wenn es am schönsten ist“ – so abgedroschen die Phrase, so ungewöhnlich ist aber doch die Umsetzung. Die meisten würden in so einem Fall doch noch ein, zwei Jahre als Profi mitnehmen.
„Ich habe sehr früh versucht, in jedem Moment 100 Prozent geben zu wollen. Das hat nichts mit dem tatsächlichen Leistungsvermögen zu tun, denn ich kann während einer Saison nicht immer topfit sein. Aber dann sind eben an diesen Tagen die 70, 80 Prozent meine persönlichen 100 Prozent – und das wollte ich mir schon als Jugendlicher beweisen. Mit zwölf Jahren habe ich begonnen, viermal die Woche allein zu trainieren: Dauerläufe, Treppenläufe, Sprints, dazu stundenlang Pässe an eine Bande für die saubere Technik. Nicht, um irgendwann einmal Profi oder Weltmeister zu werden, sondern weil ich gemerkt habe, dass ich beim Laufen den Kopf frei habe und mich mit Dingen beschäftigen kann. Ich wollte mich kennenlernen und habe in mich hineingehört, wie weit ich körperliche und geistige Belastungen immer weiter hinausziehen kann. Das wirkt auch heute noch befreiend auf mich.“
Was haben Sie dabei gelernt?
„Dass die ersten 60, 70 Minuten als Profi vollkommen egal sind, die spielst du einfach runter. Um die letzten 15, 20 Minuten geht es. Da muss ich mich quälen und noch mal einen Spurt anziehen, obwohl ich schon nicht mehr kann. Diesen Zustand wollte ich immer weiter ausreizen – um dadurch auch noch in der 94. Minute ein Spiel drehen zu können. Der „Bayern-Dusel“ ist ja ein Verkaufsschlager bei Bayern-Hassern, aber da liegen die komplett falsch, denn mit Dusel hat das rein gar nichts zu tun. Die Wahrheit ist: Bei 17 anderen Bundesligaklubs wirst du getröstet, wenn du als Verlierer vom Platz gehst. Beim FC Bayern kannst du eine Niederlage verdauen, aber beim zweiten Mal brennt der Baum. Das hat man mir bei meiner ersten Vertragsunterschrift 1970 klargemacht.“
Was bedeutet es Ihnen eigentlich, mit Zinedine Zidane, Pelé und Vavá einer von vier Spielern weltweit zu sein, der in zwei WM-Endspielen getroffen hat?
„Gar nichts, weil für mich 1982 nicht zählt. Wenn du ein WM-Finale 1:3 verlierst, dann interessiert es doch niemanden, wer das Tor gemacht hat. Für mich zählt der Elfmeter 1974, das andere bedeutet mir null. Ich bin kein Titelgeier, kein Fußballfanatiker. Aber ich freue mich sehr darüber, was ich aus meinem Talent gemacht habe, und dass ich diesem Talent, das Millionen andere gerne gehabt hätten, gerecht geworden bin. Ich habe das immer als Verpflichtung mir selbst gegenüber angesehen, denn auch zu meiner aktiven Zeit hatte der Fußball schon einen unglaublichen Stellenwert in der Gesellschaft. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich mit meiner Frau und Freunden Anfang der 80er Jahre mal in einer Münchner Bar gesessen bin. Plötzlich stand jemand bei uns am Tisch und meinte, Freddie Mercury – der damals in München lebte – sitzt drei Tische weiter und würde mich gern kennenlernen. Also kam er rüber, gab allen die Hand und sagte: „Mr. Breitner, it’s a pleasure to meet you. I am Freddie.“ Der Frontmann von Queen, der größte Entertainer seiner Zeit. Schon verrückt, denn eigentlich war es ja eine Ehre für mich (schmunzelt).“
Sie sind seit vielen Jahren für die Münchner Tafel aktiv. Warum liegt Ihnen das so am Herzen?
„Es ist einfach eine logische Konsequenz aus der Nachkriegsarmut, die meine Frau und ich selbst als Kinder erlebt haben. Vor 14 Jahren hatte uns eine Bekannte von ihrem Engagement erzählt, da wussten wir, das ist das Richtige für uns. Wir wollen vor unserer Haustür helfen, denn auch im reichen München gibt es Armut, vor allem Altersarmut – auch wenn das viele nicht wahrhaben möchten. Jeden Montag arbeiten wir in unserer Ausgabestelle im Stadtteil Haidhausen, und bis auf ganz, ganz wenige Ausnahmen im Jahr ist das für mich ein heiliger Termin, viel wichtiger als samstags 15.30 Uhr. Dazu bin ich Schirmherr der Malteser Mahlzeitenspenden, die Bedürftige das ganze Jahr mittags mit Dreigängemenüs versorgt und nach Hause liefert. Eine 365-Tage-Versorgung kostet 2.100 Euro, im Großraum München haben wir über 300 Leute.“
Fotos: © Magnus Lechner
Das komplette Interview lesen Sie in unserem Mitgliedermagazin „51“:
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