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Hasan Salihamidžić, FC Bayern

Hasan Salihamidžić: „Beim FC Bayern musst du Gegenwind aushalten können“

© Fotos: Julian Baumann

Auf was kommt es an, wenn man Teams aufbaut, die höchsten Ansprüchen genügen sollen? Sportvorstand Hasan Salihamidžić spricht im Interview des FC Bayern Mitgliedermagazins „51“ über innere Überzeugungen, Einstellung, Gegenwind und ein Klima, bei dem man sich Dinge offen sagen können muss. 

Das Interview mit Hasan Salihamidžić

Herr Salihamidžić, beim Cover-Shooting für das „51“ haben Sie Bausteine gestapelt… Was ist das Wichtigste, um eine stabile Fußballmannschaft zusammenzustellen?
„Das Wichtigste ist, ein gutes Fundament zu haben, auf dem alles stabil steht und nichts wackelt, wenn es Gegenwind gibt. Gegenwind musst du beim FC Bayern aushalten können."

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Woraus muss das Fundament bestehen?
„Beim FC Bayern wird das Fundament aus der Historie heraus in der Regel aus deutschen Nationalspielern gebildet, dann mit internationalen Top-Spielern verstärkt und mit Top-Talenten ergänzt, um den Konkurrenzkampf zu beleben und auch Kaderspieler als Alternativen zu haben. Und wir brauchen immer wieder auch Nachwuchsspieler vom FC Bayern Campus, denn Talente aus den eigenen Reihen sind das, was wir uns alle am meisten wünschen, da sie die Identität des Clubs bereits früh in sich aufgenommen haben."

Bei unserem Shooting haben Sie zunächst in die Höhe gebaut… 
„Sollte ich das nicht? Das ist der FC Bayern, hier geht es immer um die höchsten Ziele. Aber in der Realität braucht man natürlich Zeit, bis man einen Kader so zusammengebaut hat. Dabei spielt der Trainer eine wichtige Rolle, weil er alles im täglichen Umgang managen muss, sportlich wie menschlich. Jeder dieser Top-Profis möchte immer spielen. Das alles so in die Waage zu bringen, dass jeder zufrieden ist, aber trotzdem ein gesunder Konkurrenzkampf herrscht, ist eine große Herausforderung. Wir wollen die Fans mit attraktivem Fußball begeistern – und gewinnen müssen wir am Ende auch noch."

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Stützpfeiler sind elementar. Bauen wir mal den idealen FC Bayern-Spieler: Was ist der entscheidende Charakterzug? 
„Ein Spieler des FC Bayern muss überzeugt sein: vom FC Bayern und auch von sich selbst. Wir brauchen charakterstarke Profis, die fußballerisch alles mitbringen und zu unserem familiären Club passen. Das müssen Jungs sein, die gierig sind und gierig bleiben. Wir brauchen Gewinnertypen, und zwar Gewinnertypen mit Empathie, denn letztlich geht es in einem Team nur über den Zusammenhalt. Wir analysieren unsere Mannschaft während einer Saison in allen Details, am Ende steht eine Frage: Welche Typen brauchen wir auf welchen Positionen? Wenn man die Transfermarkt-Periode in diesem Sommer zugrunde legt, sieht man, dass wir diesmal besonders auf Mentalität geachtet haben."

Wie viel Mut braucht man eigentlich als Sportvorstand des FC Bayern bei seinen Entscheidungen? 
„Man darf jedenfalls keine Angst davor haben, Entscheidungen zu treffen. Das erfordert auch Mut, aber das empfinde ich gerade als das Interessante an meiner Aufgabe. Ich bin immer bereit, für meine Entscheidungen geradezustehen. Mal geht ein Plan auf, mal nicht. Das ist im Fußball so, in dem bei aller akribischer Vorbereitung immer Unwägbarkeiten im Spiel sind. Man muss vor allem darauf achten, Fehler kein zweites Mal zu machen. Wer bereit ist, dazuzulernen, entwickelt sich weiter. Ich lerne nach wie vor jeden Tag dazu, und mit jeder neuen Erfahrung lassen sich Entscheidungen leichter treffen."

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Sportvorstand Hasan Salihamidžić ist der Baumeister des FC Bayern-Kaders.

Wie viel Risiko darf man, muss man in Ihrem Beruf eingehen? 
„Risiken lassen sich nie ganz ausschließen, aber wir tun alles, um die Risikowahrscheinlichkeit so gering wie möglich zu halten. Daher bereiten wir Transfers akribisch vor. Wir haben eine sehr gute Scouting-Abteilung, die uns die nötigen Informationen zusammenstellt. Bis wir uns über einen Spieler einig sind, werden alle Entscheidungen und Urteile mehrfach überprüft. Diesen Prozess haben wir in den vergangenen Jahren immer weiter verbessert. In diesem Sommer konnte man das gut erkennen. Andererseits ist Fußball für uns alle auch deswegen so interessant, weil er ein Stück weit davon lebt, dass das Unmögliche, das Unvorhergesehene passiert. Das macht Fußball emotional."

Wie schwierig ist es, die „Kabine“ so zu bauen, dass die Stimmung passt? 
„Das im Auge zu haben, ist ein wesentlicher Teil unseres täglichen Managements. Wir führen viele Gespräche, um nah am Team zu sein und Strömungen und Stimmungen ausmachen zu können. Dazu kommt ein nahezu täglicher Check: Wer spielt, wer spielt nicht, wer ist zufrieden, wer ist vielleicht gerade weniger zufrieden? Das ist ein dynamischer Prozess. Und dass bei 20 ambitionierten Spielern drei, vier dabei sind, die nicht zum Zug kommen und deshalb unzufrieden sein könnten, ist völlig normal. Es ist sehr wichtig, vor allem für den Trainer, das richtig zu moderieren, denn im Frühjahr müssen alle in Top-Form sein."

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Mit was kann der FC Bayern bei Transferverhandlungen am besten punkten?
„Perspektive ist ein Schlüsselwort. Jeder Profi möchte bei einem Club sein, bei dem er viele Jahre auf hohem Niveau spielen und Titel gewinnen kann. Heutzutage analysiert ein Top-Spieler im Vorfeld genau, welche Voraussetzungen sich ihm bieten. Unser Vorteil ist, dass unsere Mannschaft sehr gut altersstrukturiert ist. Zum anderen setzen wir gezielt auf Spieler, die mehrere Positionen besetzen können. So können wir die Qualität in unserem Kader verbreitern. Wir haben 19, 20 Feldspieler plus drei Torhüter – da weiß jeder Neuzugang, dass es zwar einen starken Konkurrenzkampf gibt, aber am Ende auch jeder genügend Einsatzzeit erhalten wird. Beim FC Bayern sind alle Voraussetzungen gegeben, dass ein Spieler eine erfolgreiche Karriere absolviert. Wir bieten das, was Top-Spielern am wichtigsten ist: eine Perspektive auf Erfolg."   

Wie wichtig ist Spielern heutzutage die Identität eines Clubs? 
„Der FC Bayern steht für Geschichte, Kontinuität in der Führung, soziale Verantwortung, Erfolg und Zusammenhalt. Das schätzen Top-Spieler. Es ist bekannt, dass beim FC Bayern nicht nur professionell gearbeitet wird, sondern auch alles getan wird, damit sich die Spieler mit ihren Familien in München zu Hause fühlen. Ich weiß noch gut aus meiner eigenen aktiven Zeit, dass dieses familiäre Klima beim FC Bayern alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist. Wir reden hier nicht nur von einem speziellen Zusammenhalt, sondern wir leben ihn auch. Ich glaube, es gelingt uns hier immer sehr gut, jedem Spieler ein gutes Gefühl zu geben, in München zu sein und für diesen Club zu spielen."

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Sie treffen sich auch immer wieder mit Spielern zum Essen. Ist so ein Tool in der heutigen Zeit immer wichtiger – gerade bei einem familiären Verein wie dem FC Bayern? 
„Ich versuche, zu allen Spielern eine Beziehung aufzubauen – und zwar eine, in der man ganz offen miteinander umgehen kann. Ich muss einem Spieler auch mal klar ins Gesicht sagen können, dass er schlecht gespielt hat, ohne dass er das gleich persönlich nimmt. Umgekehrt soll der Spieler immer die Möglichkeit haben, mir zu sagen, was ihn stört. Ich bin für eine gesunde, ehrliche Diskussion. Im Übrigen sage ich den Spielern auch, was sie gut machen, wie wichtig sie für die Mannschaft und wie zufrieden wir mit ihrer Entwicklung sind – wenn das so ist." 

Wie sehen Sie das Zusammenspiel zwischen Ihnen, Oliver Kahn und Herbert Hainer? 
„Wir drei bilden eine sehr gute Einheit und ich freue mich, dass sich Herbert Hainer wieder zur Wahl stellt. Unsere Abläufe haben sich super eingespielt: Mein Team und ich versuchen herauszufinden, was unser Kader benötigt, und das bespreche ich dann zunächst mit Oliver. Sobald wir einer Meinung sind, tauschen wir uns mit Herbert Hainer und Jan-Christian Dreesen über das Budget aus. Wir haben kurze Wege, das ist wichtig. Die Transfers in diesem Sommer sind das Resultat. Wir sind alle entscheidungsfreudig gewesen – sowohl was Einkäufe betrifft als auch Verkäufe."  

Hat sich Ihr Blick auf das Geschehen noch einmal verändert, seitdem Sie auf der Tribüne sitzen? Und wie ist der Tribünengast Salihamidzic – gehen Sie emotional mit oder sind Sie eher der analytische Beobachter?
„Für eine noch breitere Analyse hat man einen besseren Blick auf das große Ganze. Wie ich die Spiele da oben verfolge, kommt ganz darauf an, wie sie laufen. Im Grunde bin ich sehr optimistisch und entspannt, aber wenn es mal zäh wird oder wir nicht gut spielen, baut sich Anspannung auf. Dann hält es mich auch nur schwer auf meinem Platz. Aber ich versuche, im Sinne meiner Sitznachbarn nicht zu laut zu werden. Es war zunächst schon erst einmal ungewohnt, aber bisher habe ich nur gute Erfahrungen gemacht – meine Nähe zum Team habe ich dadurch nicht verloren. Das ist für mich das Entscheidende."

Das ausführliche Interview gibt es in der aktuellen Ausgabe des FC Bayern Mitgliedermagazins „51“.