Zé Roberto erlebt in seiner Heimat als Fitfluencer seinen dritten Frühling. Jetzt wird unser viermaliger Doublesieger 50 Jahre alt. Das FC Bayern-Mitgliedermagazin „51“ hat ihn in seinem Hausmuseum und Fitnessstudio besucht und nach seinem Jugendelixier gefragt.
Fitnesspapst mit 50
Er vertreibt Online-Trainingsprogramme, zählt über ein halbes Dutzend Werbekunden und hat allein auf Instagram 2,8 Millionen Follower. „Fitfluencer“ werden Menschen wie Zé Roberto heutzutage genannt, die ihren sportlichen Lifestyle mit der Welt auf Social Media teilen. Mit dem kleinen Unterschied, dass die meisten dieser Fitnessfreaks gerade einmal halb so alt sind wie der frühere Bayern-Profi. Zé Roberto wird am 6. Juli 50 Jahre alt. Nach einer brillanten und außergewöhnlich langen Karriere ist für den Brasilianer noch immer sein Körper sein Kapital. Er selbst umschreibt das tägliche Sporttreiben gern als „sich pflegen“ oder als „auf sich achtgeben“. Für ihn ist es so normal wie Zähneputzen. Und genauso wichtig.
Vor 30 Jahren gab José, schon damals von allen meist nur Zé genannt, sein Profidebüt. Als hagerer Flügelflitzer hievte er seinen Lieblingsclub Portuguesa aus dem Osten von Sao Paulo zur Vizemeisterschaft, dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte. Zé Roberto war der Jungstar der Mannschaft, musste aber Sonderschichten einlegen, um Muskelmasse aufzubauen. Mit Anfang 20 verpflichtete ihn Real Madrid. An jene Zeit erinnern in Zés akkuratem Hausmuseum Fotos, Wimpel und Trikots. Sein Museum „Memorial ZR11“ ist einer Fußballkabine nachempfunden, jedem Verein seiner Karriere ist ein offener Spind gewidmet. Auf Real Madrid folgen Flamengo Rio de Janeiro und dann Bayer Leverkusen. Bei Real hatte Zé als Jungspund Titel gewonnen, aber kaum gespielt, in Leverkusen war es andersherum. „Als ich zu Bayern kam, hatte ich einen ganz persönlichen Antrieb: Ich wollte endlich Meister werden.“
„Früher konnte man fehlende Fitness mit Talent kaschieren. Wer heute nicht richtig trainiert, verliert den Anschluss.”
Zé Roberto
Nach zwei Vizemeisterschaften bei Leverkusen und dem verpassten Champions League-Titel ist 2002 sein Erfolgsdurst besonders groß. An der Seite von Michael Ballack, Giovane Élber und Oliver Kahn gewinnt er 2003 Meisterschaft und Pokal. „Für meine Entwicklung war die Zeit in München total wichtig, denn ich habe verstanden: Ich bin nicht nur Fußballspieler, ich bin ein Athlet.“ In Deutschland habe er gelernt, dass sein Körper sein Arbeitswerkzeug sei, das es zu pflegen gelte. In den folgenden Jahren gewinnt er mit dem FCB weitere drei Doubles. Nach der vorübergehenden Rückkehr nach Brasilien 2006 zum FC Santos – er trug Pelés Nummer 10! – spielt er weitere zwei Jahre unter Ottmar Hitzfeld in München. In den insgesamt sechs Jahren an der Säbener Straße hat er ganz unterschiedliche Führungsstile und Trainingskonzepte erlebt.
„Felix Magath war der schwierigste Trainer meiner Karriere“, erinnert sich Zé an das harte Training unter „Quälix“. „Ich war zwar selbst nicht beim Militär, aber so stelle ich mir das vor. Erst später habe ich erfahren, dass Magaths Fitnesstrainer wirklich vorher bei der Bundeswehr war“, sagt Zé. „Es war insgesamt etwas übertrieben. Man muss seinen Körper und seine Grenzen respektieren“, weiß der ausgewiesene Fitnessfachmann Zé Roberto heute. Aber rückblickend sieht er auch: „Zum Saisonbeginn sind wir dafür direkt durchgestartet wie eine Rakete.“
Magaths Disziplin, Hitzfelds Wärme
Wenn Zé aus jener Zeit von Magath die Verbissenheit für Fitness mitgenommen hat, dann ist es von Ottmar Hitzfeld der Führungsstil: „Hitzfeld war wie ein Vater, ein sehr herzlicher Typ“, schwärmt er. Heute ist bei Zé Robertos Vorträgen als Motivationscoach vor Belegschaften im Umland von Sao Paulo dann auch immer ein kleines bisschen Hitzfeld dabei.
Er spricht auch mit lobenden Worten von Jürgen Klinsmann und seinem Team, die damals mit manchmal belächelten modernen Trainingsmethoden und sportwissenschaftlicher Diagnostik für eine Zeitenwende sorgten. Unter Klinsmann sei zum Beispiel das simple Radfahren Teil der Saisonvorbereitung gewesen. „Zwei Stunden hin und dann zwei Stunden zurück. Danach tat mir alles weh!“ Seit seiner Zeit in Deutschland ist Mountainbiken fester Bestandteil seines persönlichen Sportprogramms. In der Pandemie kämpfte sich Zé auf dem Rad durch das subtropische Mittelgebirge nordwestlich von Sao Paulo – videowirksam für sein Publikum in den sozialen Netzwerken.
„Wenn man ein Ziel vor Augen hat, dann ist die Motivation kein Problem.”
Zé Roberto
Und die Mitspieler? „Ins Fitnessstudio mussten natürlich alle. Aber Bixente Lizarazu war beim Krafttraining schon voll dabei. Er hat vor und nach dem Training Extraschichten eingelegt. Ein Supertyp“, erinnert sich Zé begeistert an den durchtrainierten Basken, mit dem er sich häufig die linke Außenbahn teilte. Andere wie Jens Jeremies brauchten kein Krafttraining. „Auf dem Spielfeld war Jens ein Pferd, ein Top-Defensivspieler. Aber ins Fitnessstudio ist der kaum. Daniel van Buyten war wiederum auch einer, der viel Muskelaufbau trainiert hat.“ Profis, die nicht ausreichend auf ihren Körper achten, versteht er nicht. „Ein Spieler muss verstehen, dass die Karriere kurz ist“, sagt er. „Früher konnte man fehlende Fitness mit Talent kaschieren. Wer heute nicht richtig trainiert, verliert den Anschluss.“
Von München geht es für Zé noch über den Hamburger SV nach Katar, wo er mit 38 Jahren eigentlich vor dem vermeintlich logischen Karriereende steht. Aber aus der Heimat fragt Traditionsclub Gremio Porto Alegre an, und aus einer Ehrenrunde werden drei erfolgreiche Jahre. Zés zweiter Frühling. Ende 2014 – mit 40 Jahren – unterschreibt er noch mal bei Palmeiras, wo er in drei weiteren Jahren 128 Spiele absolviert und sogar Pokal und Meisterschaft gewinnt. Vor seinem ersten Pflichtspiel hatte Zé Roberto eine bis heute legendäre Kabinenansprache gehalten. Manchen Palmeiras-Fans gilt sie als Wendepunkt der Vereinsgeschichte. Zé Roberto war nicht nur Fitnessvorbild, sondern auch Emotional Leader. Im November 2017 absolviert Zé Roberto im Alter von 43 Jahren und 144 Tagen sein letztes Profispiel.
Erholung als Erfolgsgeheimnis
In jener Zeit wird in den Medien zunehmend über seinen beeindruckenden Body berichtet, sein Körperfettanteil liegt bei nur sechs Prozent, während bei Fußballern etwa zehn Prozent Durchschnitt sind. Dabei habe er auch im fortgeschrittenen Alter nicht anders trainiert. „Mein Schlüssel war die Kontinuität. Es gab bei mir keine radikale Veränderung“ – auch nicht als Ü40-Profi. Neben dem disziplinierten Training ohne hohe Gewichte, um auf dem Platz die Beweglichkeit zu behalten, wurde ein weiterer Faktor zentral für seine Performance: die Erholung.
„Als Leistungssportler auf seinen Körper zu achten, heißt nicht nur Training, sondern auch Regeneration.“ Gerade angesichts des sehr engen Spielkalenders in Brasilien war das umso wichtiger. „Da ist keine Zeit zum Trainieren, man MUSS sich erholen“, ist Zé Roberto überzeugt. Als er das begriffen hatte, investierte er zusätzlich in seinen Körper. Was die Vereine nicht bereitstellten, zahlte er selbst. Eine große Eistonne, eine Einbausauna oder Massagestiefel. „Und auch der Schlaf ist total wichtig für die Regeneration. Andere Spieler hatten nach Spielen oft Probleme, gut zu schlafen.“ Aber nur durch guten Schlaf allein sieht man freilich nicht so aus ...
Ob er jeden Tag Lust auf das Training habe? Zé lacht. „Ja, es macht wirklich immer Spaß“, sagt er, während er herzlich den Parkplatzwächter am Gym begrüßt. „Hier kennen sie mich schon“, schmunzelt er. Dann führt er wie ein Gastgeber durch das großräumige Studio. Zé Roberto trainiert jeden Tag anderthalb bis zwei Stunden.„Nur am Sonntag habe ich frei“, sagt er, als würde sein Trainingsplan noch immer von einer höheren Instanz vorgegeben werden.
„Seit ich meine Karriere beendet habe, mache ich mehr Muskeltraining. Und Muskelaufbau funktioniert bei mir recht gut.“ Und dann hebt Zé noch begeistert die Stimme: „Und mindestens einmal pro Woche spiele ich Fußball! Mit ein paar Freunden haben wir ein Kleinfeldteam.“ Dass er auch mit fast 50 am Ball noch viel draufhat, hat er in Deutschland erst Anfang des Jahres bei einem Turnier mit den FC Bayern Legends bewiesen. Gelegentlich leitet er auch Trainingseinheiten für die Jugendteams von Palmeiras. Und er spielt natürlich mit.
Zé liebt hartes Training und macht mit hochgestellten Füßen Liegestütze. „Die gab es schon bei Felix Magath!“, lacht er. Ein paar Meter weiter streichelt er dann wie ein Autoliebhaber über das Metall einer Trainingsmaschine. „Dieses Gerät habe ich in Deutschland kennengelernt.“ Ein flüchtiger Blick auf die Gewichtseinstellung, schon demonstriert er die Übung. Im Fitnessstudio ist Zé automatisch im Coaching-Modus: „Hier zeigt das Gerät die Intensität der Wiederholungen an, das ist super!“ Modernste Technik nutzt er an einem gewölbten Laufband, seiner Sprintmaschine. „Die kurzen Sprints waren früher auf dem Feld immens wichtig für mich. Deshalb trainiere ich das auch heute noch.“ Und Zé startet durch wie eine Rakete. Die Maschine bebt.
„Wer trainieren will und sich nicht motivieren kann, soll mir bei Instagram folgen!“, sagt er grinsend zum Abschied und legt dann tiefgründig nach: „Wenn man ein Ziel vor Augen hat, dann ist die Motivation kein Problem. Und heute ist mein Ziel, anderen zu helfen! Ich bin für viele Menschen ein Vorbild! Das ist heute mein Leben, meine Essenz. Und ich will dranbleiben, weitermachen, denn alles geht so schnell vorbei.“ Keine Sorge, Zé. Die 50 sind höchstens Halbzeit.
© Bilder: Gabriela Portilho
Dieser Text stammt aus der aktuellen Ausgabe des FC Bayern Clubmagazins „51“. Hier erschien er in einer leicht gekürzten Fassung.
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