Allianz Arena-Chef Jürgen Muth: „Das ist dem Fan auf der Tribüne nicht so bewusst“

Die Allianz Arena feiert im kommenden Sommer
ihren 20. Geburtstag. Was muss man zum
stolzen Jubiläum so über die Heimspielstätte
des FC Bayern wissen? Das Mitgliedermagazin „51“ unterhielt sich
mit Jürgen Muth, dem Geschäftsführer der Allianz Arena – der selbst im Juli einen runden
Geburtstag hatte.

Das Interview mit Jürgen Muth

Herr Muth, wie sehr hat es gejuckt, die Allianz Arena zu Ihrem persönlichen Jubeltag mal zur Abwechslung in eigener Sache zu beleuchten?
Jürgen Muth: (lacht) „Überhaupt nicht – für mich muss man natürlich keine Allianz Arena beleuchten. Aber es ist gut, dass wir das mal ansprechen: Wir bekommen das ganze Jahr Anfragen über Anfragen, daher ist es wichtig, zu erklären, warum wir nicht allen nachkommen können. Es gibt täglich weltweite Aktionstage, und jeder hat seine Berechtigung. Aber die Allianz Arena wurde nicht dazu gebaut, ständig politische oder gesellschaftspolitische Aussagen auszuspielen, und so sehr auch wir all diese Themen wertschätzen, verliert sich der Effekt, wenn wir sie inflationär betreiben würden. Dann wird es beliebig.“

Was waren die kuriosesten Anfragen?
Muth: „Wenn wir zum Beispiel gefragt werden, ob wir Videos abspielen können zu Filmpremieren oder Ähnlichem. Das scheitert aber auch an unseren technischen Möglichkeiten, weil wir uns an das Rautenmuster der Allianz Arena halten müssen.“

Also könnte man zum Beispiel keinen Fußball darstellen?
„Aktuell nicht – aber ich halte für die Zukunft nichts für ausgeschlossen. Quantensprünge hatten wir immer mal: Viele Jahre konnten wir entweder rot, weiß oder blau beleuchten. Inzwischen haben wir eine Vielfalt mit 16 Millionen Farben.“

Als Experte für die Arena: Aus wie vielen Rauten besteht die Fassade?
„2.784.“

Das kam schnell über Ihre Lippen.
„Was die wenigsten Menschen wissen: Wir haben immer nur zwei identische Rauten. Das heißt, es sind über 1.400 verschiedene. Das war zur Bauzeit eine riesige Herausforderung an die Logistik, zur richtigen Zeit die richtige parat zu haben.“

Haben Sie weitere Fun Facts, mit denen Fans am Stammtisch auftrumpfen können?
„Als unser Innenraum berechnet wurde, war die von allen Plätzen kürzeste Entfernung zur diagonal gegenüberliegenden Eckfahne die Grundlage von allem. Das ist dem Fan auf der Tribüne nicht so bewusst, muss es ja auch nicht sein – aber mir imponiert immer, dass hinter dem Genuss viel Detailarbeit steckt. Ich bin bis heute stolz auf diesen Innenraum, und persönlich habe ich in allen Stadien, die ich in meinem Leben gesehen habe, keine vergleichbare Qualität gesehen. Da können die Bayern-Fans auf ihre Allianz Arena stolz sein. Sind Ihnen schon mal die beiden Kabel aufgefallen, die unterm Dach über dem Spielfeld gespannt sind?“

Ja, wofür sind die genau da?
„Die meisten denken, das hat mit Kameratechnik zu tun – in Wirklichkeit waren wir bei der Planung besonders sicherheitsbewusst und haben ein Blitzschutzgutachten erstellen lassen. Das Ergebnis sind diese beiden Kabel. Unsere Fans sind in dieser Hinsicht somit besonders geschützt.“

Wo schauen Sie die Spiele?
„Wenn es die Umstände zulassen, direkt vor den Radiokommentatoren im Unterrang auf Höhe der Mittellinie. Im Gegensatz zu allen anderen Auswirkungen erinnere ich mich hier gerne an die Zeit der Corona-Pandemie. Aufgrund der Stille im leeren Stadion während des Spiels konnte ich die Radioreportagen hinter mir live miterleben. Die hört man bei normalem Geräuschpegel nicht. Das war interessant – aber ich bevorzuge natürlich ein volles Stadion.“

Wie lange dauert Ihr persönlicher Spieltag?
„Bei Champions League-Spielen bin ich beispielsweise um 9 Uhr da und fahre gegen 1:30 Uhr nach Hause. Das ist schon lang, aber die Zeit vergeht wie im Flug. Champions League-Spiele sind unsere Highlights im Jahr, und dafür mache ich das sehr gerne. An Bundesliga-Spieltagen mit Anstoß um 15:30 Uhr dauert mein Tag ungefähr von 10 bis 19 Uhr.“

Die Arena wird in der anstehenden Saison 20 – für ein Stadion ein reifes Alter, aber im Grunde wirkt sie tatsächlich wie ein Teenager, oder?
„Es wird uns immer wieder bestätigt, dass die Allianz Arena nach wie vor sehr gut dasteht. Das rührt daher, dass der
FC Bayern von Anfang an erkannt hat, dass ein Stadion nicht einfach ein Gebäude ist, das man mal so hinstellt. Die Allianz Arena ist etwas Lebendiges, Dynamisches – das passt ja auch zum FC Bayern München. Unser Denken war von Anfang an so ausgerichtet, dass man die Dinge permanent weiterentwickeln wollte. Ich weiß noch, wie mir Karl-Heinz Rummenigge bei einer Präsentation im Vorstand zum zehnjährigen Jubiläum sagte: ‚Die Allianz Arena ist ein Aushängeschild des FC Bayern – und wann immer es Möglichkeiten gibt, etwas zu verbessern: Tun Sie es!‘ Das ist der Spirit, und es ist eine große Freiheit, dass wir hier die Zukunft – und das vor allem im Sinne der Fans – fortlaufend gestalten können.“

Gibt es etwas, was Sie sich zum 20. Jubiläum für die Allianz Arena wünschen würden – ein Dach zum Beispiel?
„Die Frage nach einem Dach stellen Fans immer wieder. Grundsätzlich ist die Allianz Arena als reines Fußballstadion konzipiert worden. Der Mehrwert eines zusätzlichen Dachs stünde in keinem vernünftigen Verhältnis zum dafür notwendigen Aufwand. Wir konzentrieren uns auf Vorhaben, die uns weiterbringen und realisierbar sind. Ein wesentlicher Aspekt ist hier die Nachhaltigkeit. Beispielsweise werden wir ab diesem Herbst eine neue Photovoltaikanlage bauen, die als zusätzlichen positiven Effekt auch einen Witterungsschutz für unsere Fans am Südeingang bringen wird.“

Ab nächstem Sommer werden Konzerte ausgerichtet – haben Sie Bammel vor dieser völlig neuen Herausforderung?
(schmunzelt): „Nein. Die Allianz Arena kann grundsätzlich alles. Da das Olympiastadion drei Jahre saniert wird, hat sich diese tolle Option ergeben. Wir werden dadurch einen neuen Besucherkreis erschließen und können unseren bisherigen Gästen neue Highlights bieten. Ich habe in den vergangenen Jahren mehrere Konzerte in diversen Stadien besucht – wir können das Thema selbstbewusst angehen, und unsere Besucherinnen und Besucher werden sicher viel Spaß haben.“

Auch die NFL wird bereits in diesem November wieder zu Gast sein. Star-Quarterback Tom Brady schwärmte 2022 vom Besuch…
„Das war ein Ritterschlag – weil dieser Mann schon alles erlebt hat, was es im American Football zu erleben gibt. Aber nicht nur er hat geschwärmt: Ich höre bis heute immer wieder, dass nicht mal beim Super Bowl eine Stimmung wie in München herrscht. Dass das ganze Stadion gesungen hat, ist ein Riesenthema in der Szene.“

Am 31. Mai 2025 findet das Champions League-Finale in
der Allianz Arena statt. Zum zweiten Mal nach 2012. Was bedeutet Ihnen das?
„Das Finale 2012 war für mich und unser ganzes Team bisher der vielleicht größte Tag in der Geschichte der Allianz Arena – nur das Ergebnis hat nicht gepasst, sonst alles: Wir mussten so viel stemmen wie nie zuvor, und das in kurzer Zeit. Ein Champions League-Finale ist für uns alle Adrenalin pur, und der Druck ist schon spürbar groß.“

Ist die Allianz Arena ein guter Ort, um Geschichte neu zu schreiben?
(lächelt) „Unbedingt. Der Stachel von 2012 sitzt sehr tief. Wenn ich mir etwas wünschen darf, dann dass der FC Bayern diesen Titel 2025 nachholt.“

Das Interview ist in der aktuellen Ausgabe des Mitgliedermagazins 51 erschienen: