78 Minuten waren in diesem wilden Fußballspiel bereits von der Uhr gelaufen, da wusste selbst Harry Kane kurzzeitig nicht mehr weiter. „Drei Elfmeter in einem Spiel, das hatte ich noch nie“, gestand der Bayern-Angreifer später: „Beim dritten wusste ich gar nicht mehr, was ich machen und wohin ich schießen sollte.“ Kane schoss den Ball dann wieder genau dorthin, wo er ihn zuvor schon drei Mal in dieser Partie gegen Dinamo Zagreb hingejagt hatte: ins Tor. Drei Tage nach seinem Dreierpack beim 6:1 in Kiel erzielte er seine Pflichtspieltore 50 bis 53 für den FC Bayern. Am Ende feierten die Münchner den geteilten höchsten Sieg ihrer Champions League-Geschichte, ein denkwürdiges und in der Höhe sogar verdientes 9:2 (3:0).
Zwei Bayern-Tore aberkannt
Es war aber nicht nur aufgrund der elf Treffer, die die begeisterten Zuschauer in Fröttmaning zu sehen bekamen, ein mitreißendes, ja, ein zeitweise fast atemberaubendes Spiel - das obendrein eine irre Dramatik parat hielt. Denn zwar war es drückend überlegenen Münchnern nach nur 45 Minuten gelungen, neben zwei im Nachgang aberkannten Treffern auch noch drei gültige zu erzielen (Kane per Elfmeter/19.; Raphaël Guerreiro per Kunstschuss/33.; Michael Olise per Kopf/38.). Dann jedoch musste Kapitän Manuel Neuer nach einer krachenden Rettungstat aus den ersten Spielminuten zur Pause in der Kabine bleiben: „Wir wollten kein Risiko eingehen“, verriet Trainer Vincent Kompany auch mit Blick auf die Bundesligabegegnung am Samstagnachmittag bei Werder Bremen.
Die Auswechslung des Kapitäns, die vermeintlich sorglose Führung, der Klassenunterschied – all das zusammen vielleicht, es brachte kurzzeitige Unordnung in die Bayern-Defensive. Diese nutzte Dinamo für einen völlig überraschenden Doppelschlag: Bruno Petković aus nächster Nähe (49.) und Takuya Ogiwara nach Alleingang (50.) schockten den eingewechselten Sven Ulreich und die 75.000 Anhänger in der stimmungsvollen Allianz Arena.
„Trotz der zwei Gegentore sind wir ruhig geblieben, das war gut. Aber natürlich darf uns das nicht passieren, das müssen wir abstellen“, bemerkte Bayern-Cheftrainer Vincent Kompany. Und wirklich: Mit einer Glanztat bewahrte Ulreich seine Mannschaft in reichlich wackeligen zehn Minuten noch vor einem möglichen Ausgleich. „Wir waren zehn Minuten nicht auf dem Platz“, ärgerte sich auch Harry Kane, „daraus müssen wir lernen.“
Nur sieben Minuten Hoffnung
Die Hoffnung der Gäste auf eine Sensation, deren Anhang nun lautstark vom Oberrang versuchte, gewaltig Energie aufs Feld zu schaufeln, hielt aber gerade einmal sieben Minuten. Dann schob Harry Kane einen kraftvollen Schuss von Joshua Kimmich, den Dinamo-Keeper Ivan Nevistić abprallen ließ, zum 4:2 ins Tor Zagrebs (57.). Dieser Treffer hob den FC Bayern schlagartig zurück in die Fahrrinne, wo er sich nun wuchtig und unaufhaltsam aufmachte, die tapferen Gäste endgültig zu überrollen. „Es war ein schwieriger Abend für uns, Bayern ist eine andere Welt“, gestand Sergej Jakirovi, Dinamos Coach, hinterher zerknirscht. „Wir wurden für jeden Fehler knallhart bestraft.“
Der vierte Bayern-Spieler mit vier Toren
Und davon gab es nun reichlich, weil Zagreb die Räume der beweglichen Bayern überhaupt nicht mehr geschlossen bekam. Der starke Michael Olise traf in seinem allerersten Champions League-Spiel auch noch zum 5:2 (61.) - und damit doppelt, ehe Kane erneut per Elfmeter das 6:2 markierte, wie zuvor schon ins von ihm aus linke Toreck. Es folgte Minute 78 und mit ihr die angesprochene, kurze Ratlosigkeit des Torjägers – am dritten Elfmetertor zum 7:2 änderte das wenig. Damit ist 31-Jährige der vierte Spieler nach Mario Gómez, Serge Gnabry und Robert Lewandowski, dem in der Champions League vier Tore in einem Spiel für den FC Bayern gelangen.
Kein Rätseln mehr bei Harry Kane
Und immernoch war nicht Schluss in der Arena: Leroy Sané bejubelte ein Comeback-Tor zum 8:2, Leon Goretzka setzte in der Nachspielzeit den Schlusspunkt zum 9:2. „Was für mich wirklich wichtig ist“, betonte Bayern-Coach Kompany, „dass wir elf Spieler auf dem Feld hatten, die bis zum Schluss zurückarbeiteten.“ Auch Vier-Tore-Mann Harry Kane, der, nachdem er vor der tanzenden und singenden Fankurve die Trophäe für den Spieler des Spiels entgegen genommen hatte, nun gar nicht mehr rätselte. Nein, nun strahlte er: „Insgesamt war es heute eine unglaubliche Nacht.“
Hier gibt es den Spielbericht zum historischen Heimsieg gegen Dinamo Zagreb:
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