Fünfeinhalb Jahre lang spielte Timo Kern für die FC Bayern Amateure, zur Winterpause beendete der Kapitän nun seine aktive Karriere. Mit dem Clubmagazin „51“ sprach der 34-Jährige über seinen Abschied, die Höhen und Tiefen eines Fußballerlebens und seinen neuen Job als Leihspielerbetreuer.
Das Abschiedsinterview mit Timo Kern
Timo, du konntest beim letzten Amateure-Spiel des Jahres in Augsburg wegen eines Bänderrisses nicht mehr selbst auf dem Platz stehen. Was ging dir draußen alles durch den Kopf?
Timo Kern: „Es war schon traurig, nicht noch mal auf dem Platz mithelfen zu können. Aber es war auch schön zu sehen, wie die Jungs ohne mich gekickt und gewonnen haben. Insgesamt war es ein emotionaler Abend für mich. Als ich am Ende vor den Fans stand, war ich einfach nur glücklich. Es hat sich rund angefühlt. Schwer macht mir den Abschied nur der Blick auf die Tabelle (die Amateure überwintern auf Platz zwei in der Regionalliga Bayern, Anm. d. Red.). Diese Saison können wir echt mal wieder was erreichen – und das triggert mich als Sportler natürlich. Dennoch bin ich im Reinen mit mir und meiner Entscheidung.“
„Es war schon traurig, nicht noch mal auf dem Platz mithelfen zu können. Aber es war auch schön zu sehen, wie die Jungs ohne mich gekickt und gewonnen haben.”
Timo Kern nach dem letzten Amateure-Spiel des Jahres, das er verletzungsbedingt verpasste.
Nach dem Spiel hat dich die Mannschaft auf Händen getragen.
„Das war cool. Es zeugt auch von einer gewissen Anerkennung. Ich glaube schon, dass ich den Jungs etwas mitgeben konnte. Und das Gute ist: Ich bin nicht aus der Welt, werde mit der Mannschaft weiter in Kontakt bleiben, auch in meiner neuen Rolle. Deswegen fühlt es sich für mich im Moment auch nicht wie Abschied an. Jetzt ist ja eh erst mal Winterpause. Ich bin gespannt, wie es sein wird, wenn die Jungs wieder anfangen zu trainieren – und ich nicht. Dann muss ich einen Abschied finden.“
Fußball ist Emotion, ganz besonders wenn man selbst auf dem Platz steht. Hast du Sorge, jetzt erst mal in ein Loch zu fallen?
„Mal schau’n, was das emotional noch alles mit mir machen wird. Aber ich bin ein gelassener Typ. In den letzten Jahren habe ich mich auch von Siegen und Niederlagen nicht groß aus der Ruhe bringen lassen. Mir war immer bewusst, dass bei der zweiten Mannschaft die Entwicklung im Vordergrund steht. Natürlich willst du trotzdem jedes Spiel gewinnen. Aber für mich brach nach einer Niederlage nie eine Welt zusammen. Ich wusste, wie schwankend die Leistung so einer jungen Mannschaft ist. Diesen Kontext habe ich immer gesehen.“
Gibt es auch etwas, was du auf keinen Fall vermissen wirst?
„Ganz bestimmt diesen persönlichen Druck, den ich immer gespürt habe. Ich fühlte mich verantwortlich für die Mannschaft. Und wenn es mal schlecht läuft, wenn ein Spiel verloren geht, hinterfragst du dich doppelt und dreifach. Dieses Gefühl trägst du mit dir herum – und das werde ich nicht vermissen.“
Eigentlich wolltest du schon letzten Sommer aufhören, hast dann aber noch mal um ein Jahr verlängert – und ziehst jetzt zur Winterpause einen Schlussstrich. Warum?
„Im Sommer habe ich mich überzeugen lassen, doch noch weiterzuspielen. Auch weil wir wieder so einen großen Umbruch in der Mannschaft hatten. Ich würde auch lügen, wenn ich sage, dass es mich emotional nicht mehr gepackt hätte. Am Ende habe ich eine rationale Entscheidung für die Familie getroffen. Wir planen schon länger, in die Heimat zurückzukehren. Nach Bammental, bei Heidelberg, wo auch Hansi Flick zu Hause ist. Wir sanieren dort gerade ein Haus. Dazu kommt, dass ich jetzt die Möglichkeit habe, als Leihspielerbetreuer anzufangen. Auf diese Aufgabe freue ich mich schon riesig.“
Wie rational war die Entscheidung 2019, nach München zu wechseln? Du warst damals gerade mit Waldhof Mannheim in die Dritte Liga aufgestiegen.
„Das war nicht nur eine rationale Entscheidung. Das war rational, emotional, alles! Ich habe keine Sekunde gezögert, es war so glasklar für mich, die einfachste Entscheidung, die ich jemals treffen musste. Nur meine Frau musste ich noch überzeugen (lacht).“
Wie blickst du jetzt zurück auf deine Karriere?
„Es war ein Weg, der auch viele Tiefen hatte, aber am Ende kann ich sagen: Es hat sich gelohnt. In meinen ersten Jahren als Profi, beim Karlsruher SC, hatte ich viel mit Verletzungen zu kämpfen, war nicht reif für den Profifußball und habe dann umdisponiert. Ich habe studiert und bei SAP gearbeitet. Den Fußball habe ich so nebenbei am Leben gehalten, in der Oberliga. Irgendwann habe ich mehr studiert und gearbeitet als Fußball gespielt – da habe ich erkannt, wie viel mir der Fußball bedeutet. Aber es war hart, einen Weg zurück zu finden. Ich habe oft ans Aufhören gedacht, aber gleichzeitig auch immer gehofft, dass noch etwas kommt. Ich wusste, ich kann mehr. Aber erst im Herbst meiner Karriere bin ich richtig in Schwung gekommen. Es ist das pure Glück.“
„Das war rational, emotional, alles! Ich habe keine Sekunde gezögert, es war so glasklar für mich, die einfachste Entscheidung, die ich jemals treffen musste.”
Timo Kern über seinen Wechsel zu den FC Bayern Amateuren im Jahr 2019.
Was hast du in dieser schweren Zeit gelernt?
„Den Jungs, die jetzt 18, 19 sind und mal eine schwierige Phase haben, sage ich immer: „Hört auf zu jammern! Steht auf! Ich habe es mit 29 noch so weit geschafft!“ Heute kann ich sagen, dass die schweren Jahre ein Segen für mich waren. Ich musste am Boden liegen, um zu merken, dass es so nicht weitergeht. Warum habe ich damals als junger Spieler beim KSC nicht genau hingeschaut, wie Hakan Çalhanoğlu auf meiner Position spielt? Warum war ich nicht so clever, von ihm zu lernen? Warum hat mich meine Rolle als Ersatzspieler nicht angespornt, an mir zu arbeiten? Stattdessen habe ich mich fallen lassen, habe nicht genug an mich geglaubt, bin in eine Abwärtsspirale geraten. Mir hat auch die richtige Beratung gefehlt. Man braucht ein, zwei Leute, die einem die Wahrheit sagen. Aber die hatte ich damals nicht.“
Was ist für dich der größte Erfolg deiner Karriere?
„Dass ich die Kurve noch gekriegt habe. Ich habe bei SAP meinen unbefristeten Vertrag gekündigt, bin mit 28 zu Waldhof Mannheim, habe so gerockt, dass ich ein Jahr später zu Bayern wechseln konnte. Und die Krönung war dann die Drittliga-Meisterschaft mit Bayern 2020. Diese zwei Jahre waren unglaublich.“
Du hast bei den Amateuren mit 18 späteren A-Nationalspielern zusammengespielt. Wie war es für dich zu sehen, wie sie Karriere gemacht haben?
„Ich bin total stolz, mit ihnen zusammengespielt zu haben. Bei einigen hat man schon ablesen können, wohin ihr Weg einmal führen kann. Bei Angelo Stiller oder Chris Richards zum Beispiel. Oder bei Joshua Zirkzee, der große Anlaufschwierigkeiten hatte, sein Potenzial auf den Platz zu bekommen. Man muss den Jungs einfach Zeit geben, Schwankungen zulassen. Auch mit 20, 21 können sie noch den entscheidenden Schritt machen.“
Im neuen Jahr startest du als Leihspielerbetreuer. Klingt nach dem idealen Job für jemanden mit deiner Erfahrung.
„Es könnte gut passen. Die Bayern-Amateure sind für die Jungs nur der Anfang. Eigentlich sind sie noch Jugendspieler, ganz grün hinter den Ohren. Die meisten sind noch nie richtig hingefallen, ahnen noch nichts von den Widerständen, auf die sie noch treffen werden. Die Trainer und alle Verantwortlichen können ihnen viel erzählen vom Profifußball, aber sie müssen das spüren. Dafür ist das Leihsystem da. Ich werde versuchen, sie auf ihrem Weg bestmöglich zu begleiten.“
Das waren die besten Campus-Momente im Kalenderjahr 2024:
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