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FC Bayern-Fans in einem Bus
© NÓI CREW

Highway to Yell: Jungfernfahrt des Fanclubs „Bavaria Elsavatal“

Für den frisch gegründeten Fanclub„Bavaria Elsavatal“ heißt es: Jungfernfahrt. 40 Mitglieder und Freunde setzen sich vor Sonnenaufgang im Odenwald in einen Bus in Richtung Süden und Allianz Arena. Schon die Fahrt fühlt sich an wie ein Bayern-Sieg.

Wer glaubt, Spaß und Unterhaltung seien eine lustige Angelegenheit, der saß noch nie um fünf Uhr morgens zusammen mit Markus Weingärtner in einem Reisebus auf dem Weg zur Allianz Arena. Denn natürlich gibt es ungezählte Faktoren, die bedacht werden müssen, wenn man für gute Stimmung sorgen will. Die Biere, klar: Helles, Pils, Radler. Und auch das Essen, Standard-Wurstbrot, Presssack-Semmel, Pfefferbeißer, Käsestullen. Vor allem aber braucht man jemanden, der das beides gleichzeitig kann: eskalieren und den Überblick behalten. Jemanden, der professionell gut drauf ist.

Bayern-Fans stehen bei Nacht vor einem Bus
© NÓI CREW

Es ist November. So richtig November. Der Atem steht in Rauchwölkchen in der Luft. Es ist 4:50 Uhr. Und das an einem Samstag. Auf den Straßen von Walldürn im Odenwald ist vernünftigerweise niemand unterwegs.

Außer Markus. Er steht in seiner Jeanskutte voller Aufnäher vor dem Reisebus, der erleuchtet wie ein UFO in der Dunkelheit steht, und blättert in einem CD-Ordner. Darin: selbst gebrannte Silberscheiben voller Musik – handverlesen für Tage wie diese: wenn es endlich mal nach München geht, zu einem Heimspiel des geliebten FC Bayern. Er zieht eine CD raus, auf die er mit Edding „Fußball-Hits“ geschrieben hat, und legt sie ein. „FC Bayern, Stern des Südens, du wirst niemals untergehen.“ Natürlich singt er mit, Ehrensache.

Markus ist ein Busveteran, ist in seiner 34-jährigen Fankarriere schon mehr als 100-mal nach München gefahren. Aber selbst für ihn ist das heute nicht irgendeine Fahrt. Heute, am 2. November 2024, an dem der FCB gegen Union Berlin spielt, ist die erste Fahrt des neu gegründeten Fanclubs „Bavaria Elsavatal“, dessen erster Vorsitzender er ist. Am Geburtstag des FC Bayern, am 27. Februar, hat sich der Club eintragen lassen, sie haben T-Shirts bedruckt, einen eigenen Seidenschal designt, sie haben 90 Odenwälder mit oberbayerischen Gefühlen zusammengetrommelt; sie sind bereit. Aber trotz der Euphorie hat Markus auch Zweifel: „Wenn so viele neue Leute zusammenkommen, weiß man nie, wie es funktioniert“, sagt er. „Wenn sich zwei nicht vertragen, kriegen wir hier alle ein Problem.“

Ein Porträt eines Bayern-Fans
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Busfahren heißt hier: Party

Markus ist keiner, der sich von Bedenken aus der Bahn werfen lässt. „Sonst kann man es gleich bleiben lassen“, sagt er. Hinten im Bus lümmeln ein paar müde Gestalten. Noch lässt Markus sie in Ruhe. Noch. Denn Busfahren heißt bei ihm: Party.

Der Busfahrer schmeißt den Motor an. Es geht los.

Über die Boxen laufen die letzten Takte der Bayern-Hymne. Besonders textsicher ist Roland, zehnte Reihe links. „Heute ist meine 99. Fahrt“, erzählt er und ruckelt sich seinen „Bavaria Elsavatal“-Schal zurecht. Das wisse er so genau, weil er eine Excel-Tabelle angelegt habe, in der er jede einzelne Fahrt dokumentiere. Da schreibe er rein, wer gespielt hat, wie das Spiel ausgegangen und mit wem er hingefahren ist. Der schönste Moment auf jeder Fahrt? Wenn die Allianz Arena plötzlich neben der Autobahn erscheine. „Das ist nach Hause kommen.“

Dann der erste Halt in Schneeberg. In der Dunkelheit stehen ein paar Leute am Straßenrand. Alle in Bayern-Trikots. „Rein mit euch“, ruft Markus, stellt sich mit seinem Klemmbrett neben den Bus und hakt alle Anwesenden auf seiner Liste ab. „Und benehmt euch“, ruft er ihnen hinterher. „Aber nicht zu gut!“ Im Inneren entsteht langsam etwas, das an die Klassenfahrten früher erinnert. Mit dem feinen Unterschied, dass die Aufsichtsperson – Markus – alle Anwesenden mit Bier und Frühstück versorgt. Neben Getränken hat der gelernte Metzger auch selbst gemachten Presssack dabei. Vorne im Bus, einen Sitz hinter dem Fahrer, hat er seine Station aufgebaut, an der man sich das alles kaufen kann. Bierchen, Spezi und Wasser kosten 2 Euro. Wurstsemmel 4,50 Euro. Gewinne gehen in die Vereinskasse.

Die CD noch mal auf Track 1. Alle singen mit. „FC Baaaaaaayern, Stern des Südens.“ Markus’ Augen leuchten wie die Scheinwerfer des Busses, die sich auf der Straße aus dem Odenwald hinaus langsam Richtung München tasten.

Bayern-Fan lehnt an einem Bus
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Der Bus hält. Fahrerwechsel. Die Sonne ist aufgegangen. Besser: Ein paar Strahlen quälen sich durch dicke graue Wolken. „Das ist noch nicht die Pause, die kommt erst noch“, ruft Markus. Ein paar Fans stellen sich trotzdem raus. Georg Deisel zum Beispiel, der sagt: „Wenn ich in dem Text vorkomme, schreib ruhig, dass ich unter Bayern-Fans wohlbekannt bin.“ Das sei hier­-
mit erledigt. Georg war nämlich 
25 Jahre lang der Vorsitzende 
des Fanclubs „Pfiff-Untermain“. Heute trägt er einen Pullover des neuen Fanclubs. „Manchmal ist es einfach Zeit für was Neues“, sagt er. Auf seiner Kappe prangt Uli Hoeneß, und wenn man beobachtet, mit welchem Respekt ihn die anderen Businsassen behandeln, kommt man zu dem Schluss, dass er selbst wohl so etwas wie der Uli Hoeneß vom Untermain sein muss. „Langsam muss der Markus sich darum kümmern, dass die Leute was zu essen bekommen“, sagt er. Der Hunger verschwinde sonst einfach. Das sei wirtschaftlich gesehen nicht gut. „Ich muss den Leuten alles weitergeben, was ich in all den Jahren an Wissen angesammelt habe.“

Draußen fliegen die ersten Hopfenfelder vorbei, und Markus macht sich an die Arbeit. Zusammen mit Céline belegt er Semmel nach Semmel. „Mach mir noch vier Presssack“, ruft Roland. Von hinten brüllt einer vor: „Der Presssack ist dir vortrefflich gelungen, Markus.“ Markus sieht glücklich aus. Céline sieht ein bisschen gestresst aus. „Wer wollte jetzt vier Presssack? Setz dich hin, ich bring’s dir.“ Als der Hunger gestillt ist, hat sie Zeit für ein paar Einordnungen. „Ich bin schon immer Bayern-Fan“, sagt die 24-Jährige. Aber früher sei sie mit ihrer Mutter und Schwester zu Spielen gefahren. Heute ist auch für sie die erste große Fahrt im Bus. „Ich liebe es“, sagt sie. Sie engagiere sich auch für den Fanclub, sei Gründungsmitglied. „Allein, dass man die Chance hat mitzugestalten, ist supercool.“

Supercool findet das alles hier auch Timo. Im Klinsmann-Trikot drückt er sich durch den Bus und stößt mit jedem an, der eine Flasche in der Hand hat. „Deutscher Meister wird nur der FCB“, singt er. Dann lacht er. So sieht Glück aus.

„Mach mal Flippers jetzt!“, ruft es. Offenbar ein Wunsch, den hier viele hegen. „Ja, mach die Flippers an, Markus.“ Aber der Markus ist keine Jukebox. Der Markus hat eigene Pläne. Er lächelt milde und spielt ein Lied, das die Elsavataler nicht minder glücklich macht: „Verdammt ich lieb dich“, brüllen sie alle zusammen, „ich lieb dich nicht!“

Die Südkurve in der Allianz Arena
© NÓI CREW

Die Arena als großes Ziel

Hinten im Bus sitzt Moritz. Er gehört eher zu den Jüngeren. Die Kappe falsch rum auf dem Kopf, das Trikot über dem Pullover, auch er hält eine Flasche in der Hand. „Beck’s“, sagt er und schüttelt sich. „Ich bin Brauer, normalerweise trink ich was Besseres.“ Aber geht halt nicht anders. Als Markus ihm geschrieben habe, dass er einen neuen Fanclub gründe, sei er sofort dabei gewesen. „Der Markus ist ein super Typ“, sagt er. Wenn der was organisiere, werde es gut. Vor allem die Gemeinschaft auf diesen Fahrten sei schön. Früher sei da auch immer sein Vater dabei gewesen. Aber der ist Ende letzten Jahres an Krebs gestorben. Als er schon auf der Palliativstation lag, seien sie noch einmal gemeinsam in die Allianz Arena gefahren. „Das war wunderschön“, sagt Moritz. „Und seitdem bedeuten mir diese Fahrten noch mehr als früher, weil ich weiß, mein Vater schaut von da oben zu, irgendwie ist er immer dabei.“

Und weil Markus ein Gespür für diese Dinge hat, spielt er den Song „Fußball & Dosenbier“ von Lotto King Karl: „Es könnte alles schlimmer werden, und das Eine sag ich dir: Es wäre alles noch viel schlimmer ohne Fußball und Dosenbier.“

Aber jetzt ist keine Zeit für Melancholie. Jetzt ist Zeit für eine 
Pause. Markus springt aus dem Bus und reißt einen kleinen Tisch aus dem Gepäcklager des Busses. Zack, steht er bedeckt mit Brötchen und Presswurst auf dem Autobahnparkplatz. „Markus, was is’n los?“, feixt Timo, der seine Sprechlaut­stärke schon auf Südkurven-Niveau gefunden hat. „Früher warst du noch nicht so umsatzorientiert.“ Dann wird Timo wiederum doch etwas melancholisch, weil er sich erinnert, wie das damals war, als der Markus noch nicht so umsatzorientiert war. „Als Teenager sind wir schon zusammen auf Spiele gefahren“, sagt er. Und später auch. „Das waren Festtage.“ Das sei so lange gut gegangen, bis seine Frau schwer krank geworden sei. Zehn Jahre lang habe er keine Zeit gehabt, um einen ganzen Tag mit seinen Freunden unterwegs zu sein. „Aber zum Glück ist meine Frau wieder gesund geworden“, sagt er. Deshalb seien die Fahrten heute fast noch schöner als früher. „Weil ich weiß, dass wir richtig was durchgestanden haben und es verdient haben, mit den Bayern zu feiern.“

Die rote Allianz Arena
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Markus scannt die Gruppe. Alle wirken glücklich. Viel Presssack ist auch nicht mehr da, also geht’s weiter. Er treibt seine Meute in den Bus wie ein Hirte seine Schafe. „Nächster Stopp: Allianz Arena“, sagt er durchs Mikrofon an.

Nürnberg fliegt vorbei. Auf der Autobahn entsteht eine Art Polonaise der FC Bayern-Fanbusse. Einer aus Würzburg, einer aus Baden-Württemberg und natürlich der Bus von „Bavaria Elsavatal“. Einmal sei Markus mit einer anderen Gruppe zu einem Spiel gefahren, erzählt er, der es sich mittlerweile auf der Stufe gemütlich gemacht hat, die runter zum Fahrer führt, damit er das Autobahnschild nicht verpasst, auf dem das magische Wort steht: Arena. „Da hast du gedacht, die fahren zu einer Beerdigung.“ Die haben geschlafen, aus dem Fenster geträumt, am Handy gedaddelt. Keine Musik. So etwas gebe es bei ihm nicht. Und um das zu unterstreichen, ist es jetzt so weit: Zeit für die Flippers. Alle im Bus singen mit: „Wir sagen Danke schön, 50 Jahre die Flippers.“ Eine Gruppe Männer steht im Gang, innig umschlungen, irgendwie schaffen sie es sogar, auf dem engen Raum zu tanzen. „Was wären wir ohne unsere Freunde, ohne euch, die lieben Fans?“

Ein guter Tipp: Ein gutes 3:0

Dann ist er da, der große Moment. Die Allianz Arena taucht im rechten Fenster auf. Markus nimmt das Mikrofon. 
„Unsere Heimat“, sagt er. Vor lauter Gefühlen kommt der Badenser raus: „Uff der rechten Seite.“ Von hinten brüllt einer: „Genau, Markus, unser Wohnzimmer, wie geil!“

Der Bus hält auf dem Parkplatz, wenige Meter vom Eingang entfernt. Wie ein großes Ufo steht die rot erleuchtete Arena neben dem Bus, der mittlerweile auch gar nicht mehr aussieht wie ein Raumschiff, sondern, na ja, wie ein Bus. Wieder springt Markus raus, reißt dieses Mal einen großen Tisch aus dem Gepäckfach, dazu einen Grill, die Brötchen, Steaks und Bratwürste. Es dauert 
keine fünf Minuten, und das Grillgut bitzelt im Fett. Markus, was ist dein Tipp? „Ein gutes 3:0“, sagt er.

90 Minuten und ein 3:0 später steht Markus glücklich vor dem Bus. „Es war perfekt“, sagt er. Der „Bavaria Elsavatal“ steigt ein und reiht sich ein in den Fluss der roten Rücklichter in Richtung Norden. Der CD-Player springt an. Die Elsavataler sind noch immer in Top-Form. Weiter geht’s. Um zwei Uhr morgens, es ist mittlerweile Sonntag, kommt der Bus wieder im Odenwald an. Die Bilanz kann sich sehen lassen: 20 Stunden, drei Tore und drei Punkte, 16 Kästen Bier, 70 Steaks, 70 Bratwürste, 28 Kaminbeißer, 4 Kilogramm Presssack, 189 Brötchen. Am Ende eines langen Tages sind die Fans und Markus glücklich. „Alles abverkauft“, sagt er. „Besser geht’s nicht.“ Die nächsten Fahrten sind auch schon ausgebucht. Im Februar geht’s gegen Bremen. Da sind sie wieder dabei.

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