
Hunderte Spieler haben das Bayern-Trikot schon getragen. Die meisten kommen aus Deutschland – aber ein paar wenige bilden eine besondere Sammlung: 13 Profis, die bislang als Einzige aus ihren Heimatländern für den deutschen Rekordmeister aufgelaufen sind. Dazu zählen Alan McInally, Ásgeir Sigurvinsson, Pasi Rautiainen, Pablo Thiam – und auch Daniel Peretz aus dem aktuellen Profikader. Das FC Bayern-Magazin „51“ wollte von ihnen wissen, was es für sie bedeutet, eine rote Rarität zu sein.
Daniel Peretz

- geboren in: Tel Aviv/Israel
- beim FC Bayern: seit 2023, 7 Spiele
- 4 Länderspiele für Israel
„Um zu erahnen, was es heißt, als erster Spieler aus Israel das Trikot des FC Bayern zu tragen, muss man nur ein paar Monate zurückschauen. Letzten Dezember habe ich zum ersten Mal in der Champions League zwischen den Pfosten gestanden, gegen Shakhtar Donetsk – und zu Hause in Israel hat ein TV-Sender sein Programm kurzerhand umgeworfen, um das Spiel in voller Länge zu zeigen. Das zeigt, wie sehr die Menschen in meinem Heimatland auf mich schauen – und wie stolz sie sind, dass bei diesem großen Club ein Israeli spielt.
In Israel gibt es sehr viele Bayern-Fans, auch ich war immer einer. Es ging los, als ich sieben oder acht Jahre alt war. Eine meiner ersten Erinnerungen ist Arjen Robbens Volley-Tor gegen Manchester United im Old Trafford. Die Emotionen danach haben mich einfach umgehauen. Das werde ich nie vergessen. Seitdem habe ich aus der Ferne genau verfolgt, was beim FC Bayern passiert. Mein Fokus lag natürlich auf den vielen große Torhütern dieses Clubs. Besonders Manuel Neuer war immer mein Vorbild. Ihn jetzt persönlich zu kennen, jeden Tag mit ihm auf dem Trainingsplatz zu stehen – das hätte ich mir nie erträumen lassen.
Nachdem mein Wechsel zum FC Bayern bekannt wurde, habe ich viele Nachrichten von israelischen Fußballern bekommen, die schon in der Bundesliga gespielt haben. Sie haben mir Tipps gegeben, sei es für das tägliche Leben oder beim Deutschlernen. Das hat mich sehr berührt. Ich spüre immer wieder, wie viele Leute in meiner Heimat hinter mir stehen. So bin ich auf meinem Weg nie allein.“
Ásgeir Sigurvinsson

- geboren in: Vestmannaeyjar/Island
- beim FC Bayern: 1981-82, 25 Spiele (1 Tor)
- 45 Länderspiele (5 Tore) für Island
„In Island gibt es viele Menschen, die den deutschen Fußball mögen. Und für viele ist der FC Bayern ihr Lieblingsverein. Daher war die Aufmerksamkeit schon groß, als ich 1981 nach München wechselte. Auch damals hätte man zu keinem größeren Club gehen können. Bei Bayern spielten lauter Stars: Karl-Heinz Rummenigge, Paul Breitner, Dieter Hoeneß und viele andere. Für mich war der Wechsel eine riesige Chance und eine riesige Herausforderung. Fast wäre ich ja beim 1. FC Köln gelandet. Aber dann hat Uli Hoeneß angerufen – da musste ich nicht lange überlegen. Ich wollte unbedingt mein Glück in München versuchen.
Schade war nur, dass ich verletzt war, als ich dort ankam. Vorher spielte ich bei Standard Lüttich – und in meinem letzten Spiel in Belgien, dem Pokalfinale, habe ich mich am Knie verletzt. Statt in Urlaub zu fahren, bin ich nach München zu Dr. Müller-Wohlfahrt. Es hat aber gedauert, bis ich wieder 100-prozentig fit war. Und auch mit Sprache und Mentalität musste ich erst zurechtkommen. Das war alles nicht einfach.
„In Island ist der FC Bayern für viele Menschen ihr Lieblingsverein.”
Ásgeir Sigurvinsson
Trotzdem habe ich einige Spiele gemacht. Leider konnte ich aber fast nie auf meiner Lieblingsposition im offensiven Mittelfeld spielen. Da war natürlich Paul Breitner gesetzt. Ich wich daher meistens auf die linke Seite aus. Nur einmal, als Paul nicht dabei war, durfte ich im Zentrum spielen, in Nürnberg – und habe direkt ein Tor erzielt. Insgesamt habe ich sehr schöne Erinnerungen an München. Wir haben den DFB‑Pokal gewonnen und waren im Finale des Landesmeistercups. In der Mannschaft habe ich mich sehr wohlgefühlt. Auch wenn ich mir mehr Einsätze gewünscht hätte, war es kein verlorenes Jahr.
Bis heute bin ich der einzige Isländer, der beim FC Bayern gespielt hat. Das haben die Menschen in meiner Heimat nicht vergessen. Aber ich bin eh ziemlich bekannt hier, war mehrmals Fußballer des Jahres, zweimal Sportler des Jahres, und Nationaltrainer war ich auch. Mittlerweile gibt es einige gute junge Isländer, die in Europa spielen. Schnelle, technisch starke Spieler. Irgendwann wird bestimmt der nächste Isländer bei Bayern landen.“
Alan McInally

- geboren in: Ayr/Schottland
- beim FC Bayern: 1989-93, 56 Spiele (14 Tore)
- 8 Länderspiele (3 Tore) für Schottland
„Es ist schon fantastisch, dass ich der einzige Schotte bin, der je für Bayern gespielt hat. Ich habe immer wieder gesagt, was für eine tolle Chance es heute für Harry Kane ist, bei Bayern zu spielen. Er kam von Tottenham, ich selbst habe vorher für Aston Villa und Celtic Glasgow gespielt, das sind alles große Clubs. Aber Bayern ist einfach etwas anderes. In München musst du nicht nur jeden Samstag und Mittwoch gewinnen, in München musst du auch jedes Fünf-gegen-Fünf im Training gewinnen. Bei Bayern spielen zu dürfen – besser geht’s nicht.
Meine Landsleute spielen das allerdings gern herunter. Bei uns sagt man: ‚Don’t be too big for your boots.‘ Soll heißen: ‚Schön, was du erreicht hast in deiner Karriere, Alan. Du hast bei Celtic, bei Aston Villa und dann sogar bei Bayern München gespielt. Das hast du wirklich gut gemacht. Aber bitte calm down, my boy, bleib mal mit beiden Beinen auf dem Boden.‘ So sind wir Schotten halt.
Natürlich war mein Wechsel nach München ein großes Thema in Schottland und England. Damals wechselten überhaupt nur zwei UK-Spieler nach Europa: Chris Waddle nach Marseille und ich nach München. Das war also nicht alltäglich. Ich weiß noch, als ich Ende Mai 1989 nach einem Länderspiel gegen Chile – wir haben 2‑0 gewonnen, ich habe ein Tor erzielt – Uli Hoeneß, Jupp Heynckes und Fritz Scherer im Hotel getroffen habe. Uli fragte: „Alan, möchtest du Spieler des FC Bayern werden?“ Mein Vater war auch dabei, und anstatt ein Pokerface aufzusetzen, hat er sofort genickt: „Ja, ja, ja, möchte er.“ Natürlich wollte ich. In meinem Leben habe ich gute und schlechte Entscheidungen getroffen – das war eine der besten.
Als ich ein paar Wochen später in München ankam, hatte ich meinen Schottenrock dabei – aber ich habe dann schnell Lederhosen getragen und mich wie ein Bayer gefühlt. Meine Lederhose habe ich heute immer noch zu Hause, auch meinen Trachtenhut mit Feder. Ich werde nie vergessen, wie wir am Ende meines ersten Jahres mit den Fans am Marienplatz den Meistertitel gefeiert haben. Da waren 30.000, 40.000 Leute – absolut fantastisch! Ich habe so viele schöne Erinnerungen an diese Zeit. Wenn ich mich nicht am Knie verletzt hätte, wäre ich bestimmt zehn Jahre oder länger in München geblieben. Ich bin ein stolzer Schotte, aber bis heute bin ich auch ein Bayer.“
Pablo Thiam

- geboren in: Conakry/Guinea
- beim FC Bayern: 2001 2002, 28 Spiele (0 Tore)
- 31 Länderspiele (1 Tor) für Guinea
„Als ich nach München kam, gab es noch keine sozialen Medien, in denen alles direkt kommentiert wird. Trotzdem habe ich schnell gespürt, dass ich jetzt noch mal eine ganz andere Aufmerksamkeit bekomme. Auch in Guinea. Gleich zu Beginn meiner Bayern-Zeit hatten wir das Finale im UEFA Super Cup gegen Liverpool. Das Spiel haben in Guinea natürlich alle gesehen. Leider haben wir auch durch einen Fehler von mir 2:3 verloren. Das war der Moment, in dem ich gemerkt habe, wie sehr ich plötzlich unter Beobachtung eines ganzen Landes stehe. Auch der Weltpokalsieg ein paar Monate später war so ein Moment, diesmal mit besserem Ausgang für uns alle.
Guinea ist ein armes Land, aber Fußball ist etwas, womit man die Leute dort schon immer glücklich machen kann. Im Fokus stehen vor allem die Ligen in Frankreich und Belgien, weil dort Französisch gesprochen wird, und natürlich die Premier League. Aber den FC Bayern kannte auch damals schon jedes Kind, weil der Club immer in der Champions League gespielt hat.
„Ich habe gemerkt, wie sehr ich plötzlich unter der Beobachtung eines ganzen Landes stand.”
Pablo Thiam
Ich war zwar nur anderthalb Jahre bei Bayern, habe lange und erfolgreich in Köln, Stuttgart und Wolfsburg gespielt – aber egal, wo ich unterwegs bin, der FC Bayern ist der Club, auf den ich am meisten angesprochen werde. Wenn man einmal beim FC Bayern war, hat man für immer einen positiven Stempel. Heute lebe ich in Berlin – und immer wieder sprechen mich Leute an: ‚Mensch, damals warst du einer der wenigen Afrikaner in der Bundesliga.‘ Ihren Kindern erzählen sie: ‚Schau, das war unser Afrikaner in der Bundesliga.‘ Man spürt einen gewissen Stolz, das ist schön.
Der FC Bayern war mit das Beste, was mir in meiner Karriere passieren konnte, auch wenn es für mich in München sportlich nicht ganz einfach war. Zu sehen, wie bei diesem Club gearbeitet wird, Uli Hoeneß kennenzulernen, das hat mich für mein ganzes Leben geprägt. Irgendwann wird es den nächsten Spieler aus Guinea beim FC Bayern geben. Ich würde jedenfalls jedem Spieler raten, den Schritt nach München zu machen, wenn er die Möglichkeit hat. Der FC Bayern ist einfach einer der größten Vereine, für den ein Spieler auflaufen kann.“
Pasi Rautiainen

- geboren in: Helsinki/Finnland
- beim FC Bayern: 1980, 1 Spiel (0 Tore)
- 29 Länderspiele (1 Tor) für Finnland
„Bis heute fragen mich die Leute, wie das damals war beim großen FC Bayern. Jedes Jahr meldet sich jemand, der ein Buch oder einen Film machen will. Aber ich finde, die Zeit dafür ist noch nicht gekommen. Ich habe ja noch alle Haare auf dem Kopf.
Im Sommer 1980 bin ich von HJK Helsinki nach München gewechselt. Zu Hause waren die Reaktionen riesig. Vorher hatte es erst zwei Finnen in der Bundesliga gegeben, beim FC Bayern noch keinen. Viele sahen mich als Brückenbauer zwischen Finnland und Deutschland. Aber ich glaube, ich habe in München für ein falsches Bild von uns Finnen gesorgt. 2010 habe ich für eine Fernsehproduktion Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß wiedergetroffen. Kalle sagte: ‚Wir haben damals alle gedacht, Finnen sind groß, stur, sachlich, zurückhaltend – und dann kamst du, ein kleiner Junge mit langen Haaren und südländischem Temperament.‘ Ich habe halt etwas Süditalienisches in mir, bin immer ein bisschen Kind geblieben. Und so habe ich auch Fußball gespielt, voller Liebe und Begeisterung.
Ich bin sehr stolz, dass ich das Bayern-Trikot tragen durfte, wenn auch nur in einem einzigen Spiel. Im Nachhinein kann man sagen, dass Bayern für mich zu früh kam. Auch weil ich damals noch kein Deutsch konnte. Ich hätte nie gedacht, dass ich 15 Jahre später als Fußballlehrer aus der Sporthochschule Köln rauskommen würde. Erst nach Bayern, in Bremen und Bielefeld, habe ich gezeigt, dass der kleine Finne in der Bundesliga bestehen kann.
In meinem halben Jahr in München habe ich viel für mein Leben gelernt. Auch, dass Finnen und Bayern einiges gemeinsam haben. Wir teilen dieses familiäre Zusammengehörigkeitsgefühl. Einmal FC Bayern, immer FC Bayern! Und: Wenn wir feiern, dann richtig – aber dann wird weitergearbeitet.
Alle Sachen, die man im Leben zum ersten Mal macht, vergisst man nie wieder: die erste Liebe, den ersten Rausch, das erste Tor … Bayern war mein erster richtiger Proficlub, meine erste Station im Ausland – der Verein ist bis heute in meinem Herzen.“
Der Text erschien in der April-Ausgabe des „51“:
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