
„Everything’s bigger in Texas“, alles ist größer in Texas, wie es so schön in Amerika heißt. Auch die Liebe zum FC Bayern. Ein Besuch unseres Clubmagazins „51“ bei einer riesigen Watch Party des Fanclubs FCBTX in Fort Worth zeigt: Der FCB kann sich bei der Klub-WM auf seine amerikanische Fangemeinde verlassen.
Fort Worth in Texas war im 19. Jahrhundert ein Zentrum des Rinderhandels. Noch heute gibt es in der Millionenstadt regelmäßig Rodeos, in der „City of Cowboys and Culture“ wird auch eine Art Wild-West-Oscar für die besten Filme, Bücher und Songs über Cowboys vergeben. Es ist also keine Selbstverständlichkeit, dass an einem sonnigen April-Morgen plötzlich ein paar Männer in Lederhosen und Trachtenhüten in der Open-Air-Bar „Little Woodrow’s“ auftauchen. „What the heck is going on?“, würde man im breiten Texas-Drawl, dem lokalen Dialekt, murmeln. Rund 500 Fans, Mitglieder und Freunde des FC Bayern-Fanclubs FCBTX im US-Bundesstaat Texas haben sich versammelt, um das Top-Spiel Bayern gegen Dortmund zu verfolgen. „Die größte Watch Party außerhalb der Allianz Arena“ – so bewirbt der Club das Event. Strahlend blauer Himmel. 28 Grad. Das Spiel läuft auf einer riesigen Leinwand und auf über 30 Fernsehern. Fast alle Besucher tragen Bayern-Trikots. Alle tragen Bayern im Herzen!

Fußball gewinnt in den USA stetig an Popularität und holt gegenüber American Football, Basketball, Baseball und Eishockey auf. Die Major League Soccer hat einen Zuschauerschnitt von knapp 25.000 Menschen und zieht durch Stars wie Lionel Messi, Luis Suárez oder Olivier Giroud immer mehr Aufmerksamkeit auf sich. Die WM 2026 findet in den USA, Kanada und Mexiko statt. Und als Generalprobe steigt ab Mitte Juni die Klub-WM.
„‚Mia san mia‘ passt perfekt zu uns Texanern. Es könnte unser eigener Slogan sein“, sagt Justin Gardiner, der FCBTX 2014 gegründet hat und noch heute als Präsident anführt. „Wir sind wie die Menschen in Bayern – schon besonders, aber auf eine bodenständige Weise. Und: Wir halten zusammen!“ Die FCBTX-Mitglieder kommen heute aus sechs Städten – Austin, Dallas, Houston, New Braunfels, Corpus Christi und Fort Worth.
Die Bayern-Familie in Texas
Um 11:30 Uhr Ortszeit beginnt der Klassiker. Zwischen München und Texas liegen sieben Stunden Zeitunterschied und rund 8.500 Kilometer. Paulaner hat die Open-Air-Bar in einen bayerischen Biergarten umgewandelt. Es gibt Brezen, Bratwurst und deutschen Kartoffelsalat. Offizieller Einlass ist ab 10 Uhr – doch schon um 9 Uhr tummeln sich über 100 Fans in der Location.

Es geht herzlich und familiär zu: Justin Gardiner begrüßt alle Besucher mit einer festen Umarmung. „Wir sind ein Mix aus unterschiedlichen Kulturen, Glaubensrichtungen, Hautfarben und Altersgruppen“, sagt der 38-Jährige, „aber uns alle verbindet der Fußball. Uns verbindet die Liebe zu Bayern! Die Menschen hier um uns herum im Fanclub sind durch Bayern eine unglaubliche Familie geworden!“ Der Fanclub hält engen Kontakt nach München und zum New Yorker Büro des Clubs. „Die Stimmung ist großartig, die Menschen leben und lieben den FC Bayern, das spürt man sofort“, sagt Julia Willer, die Geschäftsführerin der FC Bayern Munich LLC in New York, die extra von der Ostküste nach Fort Worth geflogen ist und eine Meisterschale mitgebracht hat, die in der texanischen Sonne glänzt. Die Fans reißen sich um Erinnerungsfotos. Auch Maskottchen Berni ist da und spielt mit den vielen Kindern.
Justin Gardiner ist Finanzberater und Familienvater mit zwei Söhnen aus Houston. „Ich bin schon immer großer Fan von Football und Baseball gewesen“, erzählt er. Auf einer Europa-Reise 2013 besuchte er dann die Allianz Arena. Ein Tag, der seinem Leben eine neue Richtung gab. „Bayern spielt eine außerordentliche Rolle in meinem Leben“, sagt Gardiner. „Der Verein hat mir mehr gegeben, als es jede andere Sportart je getan hat. Bayern hat mir gezeigt, was es heißt, Fan zu sein.“ Und Gardiner ist nicht der einzige US-Sportfan, der ein solches Erweckungserlebnis hat, wenn er ein Fußballspiel in Europa, Afrika oder Südamerika besucht. In den Spielstätten des US-Sports ist es ruhiger, es gibt keine Choreografien und Fangesänge auf den Tribünen, die Stimmung wird mehr vom Videoscreen beeinflusst als vom Geschehen auf dem Spielfeld. Die Emotionalität und die historische Kultur von Top-Fußballclubs wie dem FC Bayern sind etwas Besonderes.
Liebe zum Club, Liebe des Lebens

Gegenüber der Leinwand sitzt ein junges Paar auf Barhockern an einem Stehtisch. Andrew Dutkievic und Hannah Sharp strahlen: „Ohne Bayern, ohne diesen Fanclub hätten wir uns nicht ineinander verliebt und wären jetzt nicht verheiratet.“ Sie im schwarzen Bayern-Trikot und mit Bayern-rotem Lippenstift. Um den Hals einen Manuel-Neuer-Schal. Er trägt ein rotes Müller-Jersey und Sonnenbrille. „Zur Klub-WM wollen wir natürlich gern hin, aber in der Zeit schließen wir gerade unseren Hauskauf ab. Das geht vor“, lachen beide. „Aber bei der WM 2026 wollen wir auf jeden Fall Spiele in Houston anschauen. Das wäre natürlich toll, wenn Deutschland da spielt. Wir würden uns aber auch freuen, wenn wir einen der anderen Bayern-Nationalspieler mit seinem Team dort sehen könnten.“
2024 haben sie geheiratet. Als Überraschung hat der FC Bayern eine Video-Grußbotschaft von Alphonso Davies geschickt. Und außerdem ein handsigniertes Trikot von Manuel Neuer, dem Lieblingsspieler von Hannah. Überreicht wurde es von Berni, der plötzlich bei der Hochzeitsfeier auftauchte. „Das war natürlich der Wahnsinn! Wir hatten dem FC Bayern geschrieben, dass wir heiraten. Bis zur Feier hatten wir aber nichts gehört – und dann diese verrückte Überraschung!“, erzählt sie. „Das beweist, wie besonders der Club ist und dass wir den richtigen Verein gewählt haben.“
Ihre Liebe begann während der Corona-Zeit: Beide wollten eine Bar besuchen, in der auch der Fanclub gemeinsam die Spiele schaute. Doch die Tür war zu! Wegen des Virus! Da standen sie nun – und lernten sich kennen. „Zu unserer Hochzeit kamen auch zahlreiche Fans.“ Kinder sind erst mal keine geplant. „Wir haben einen Hund, das reicht uns. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt.“ Womöglich ein Baby mit einem Bayern-Namen? „Harry? Hmm. Jamal? Hmm. Manuel? Manuel Dutkievic? Das klingt nicht schlecht.“ Beide lachen.
Eine große Halbzeitshow
Im US-Sport gehört eine Halbzeitshow dazu: Deshalb hat sich der FCBTX etwas einfallen lassen. Elizabeth Beck, Ratsmitglied der Stadt Fort Worth, betritt die Bühne und erklärt den 12. April 2025 zum offiziellen „FC Bayern Munich Day“ in der Stadt. Riesenjubel! „Das Großartige an meiner Aufgabe als Stadtratsmitglied ist, dass ich besondere Leute und Gruppen auszeichnen darf“, sagt Beck. „Der Verein hat 400.000 Mitglieder weltweit, und der Fanclub in Texas gehört zu den größten Fanclubs. In den letzten elf Jahren hat dieser Fanclub Menschen bewegt und glücklich gemacht. Das wollen wir honorieren! Herzlichen Glückwunsch!“ Einen FC Bayern-„Feiertag“ gibt es nicht einmal in München.
Alles rot bei der Watch Party? Na ja, fast alles. Mittendrin sitzen zwei Fans in Dortmund-Jerseys. Als das 0:1 fällt, nicken die Bayern-Anhänger den beiden Schwarz-Gelben anerkennend zu. Keine Spur von Fanfeindschaft. Als Bayern das 1:1 macht, springen die Fans von ihren Sitzen auf, skandieren: „Hey, hey! Superbayern, Superbayern! Hey, hey!“ Justin klatscht reihenweise Hände ab, schnappt sich das Mikro und schreit: „Raphaël!“ Und die Menge grölt zurück: „Guerreiro!“ So wie man es aus der Allianz Arena kennt. Alles, nur mit einem texanischen Akzent.
Kurz darauf mischt sich Justin wieder unter die Fans – um dann plötzlich wieder zur Großbildleinwand zu rennen, um das 2:1 durch Serge Gnabry auf dieselbe Art und Weise abzufeiern. Die Stimmung ist ausgelassen. Wieder singen alle: „Hey, hey! Superbayern, Superbayern! Hey, hey!“ Zwei Fans laufen mit ihren Fahnen durch die Menge.
Etwas ruhiger geht es am Tisch von Beth Brownlee und August Schumacher Lander zu. Die ältesten Mitglieder im Texas-Fanclub. Sie ist 75 Jahre jung, er 72. 2006 haben sie auf einer Deutschland-Reise ihr erstes Bayern-Spiel gesehen. „In Bremen! Oliver Kahn war gerade zur Nummer zwei abgesetzt worden in der Nationalmannschaft hinter Jens Lehmann. Im Stadion wurde er ausgebuht. Das fanden wir unfair. Miro Klose hat ein paar Tore geschossen für Bremen und ist dann ja nach München gewechselt. Das blieb alles bei uns hängen.“
2019 ist die Liebe zum Verein dann richtig entflammt. Beide waren in der Allianz Arena, schauten ein Spiel im VIP-Bereich. „Da kamen drei junge Männer in Anzügen, und ich sagte: Das sind bestimmt Spieler“, erzählt August. Er fragte nach. Die Antwort: Schön wär’s! Aber einer arbeitete im Bayern-Büro in New York und zeigte ihnen dann Filmmaterial von einer Watch Party des Fanclubs in Texas. Beth fügt hinzu: „Wir leben in Houston und sind dann einfach beim nächsten Event hin. Erst haben wir uns still und schüchtern angeschlichen. Aber Justin kam direkt auf uns zu – und hat uns herzlich mit offenen Armen empfangen.“
Wieder fällt ein Tor in München. Leider für Dortmund. 2:2. Die zwei BVB-Fans jubeln zögerlich, neben ihnen niedergeschlagene FCB-Fans. Aber die Entscheidung in der Meisterschaft ist nur vertagt.

Die nächste Generation der Roten
Beth fliegt als Flugbegleiterin häufig die Strecke nach München. Immer wieder bringt sie den Kindern von Justin Gardiner, Ezra (9) und Hudson (5), kleine Bayern-Geschenke mit. Das Haus des Fanclub-Präsidenten ist ein kleines FC Bayern-Museum, mit signierten und gerahmten Spielertrikots. In einer Vitrine liegt einer der Spielbälle aus dem Champions League-Finale 2020. Kein Wunder, dass die FC Bayern-Liebe an die nächste Generation weitergegeben wurde. „Wenn mein Papa Football im TV anschaut, dann guck ich höchstens mal für einen Moment zu“, erzählt Ezra. Anders, wenn Bayern spielt. Dann fiebert er mit Papa vor dem Fernseher mit. Sein Lieblingsspieler? „Manuel Neuer! The Wall!“ Was ist für ihn das Schönste am Bayern-Gucken? Seine kleinen Augen leuchten: „Die Zeit mit meinem Papa zu verbringen! Und dieses tolle Gefühl zu erleben, wenn wir mit dem Fanclub gucken. Alle sind immer so glücklich zusammen.“
536 offizielle Mitglieder hat der FCBTX-Fanclub vor Beginn der Watch Party. „Einige waren dabei, die noch keine Mitglieder waren und per E-Mail signalisiert haben, dass sie an einem Eintritt interessiert sind“, sagt Gardiner. Der FCBTX will schließlich weiterwachsen. Mit dieser positiven Gier und dem Ehrgeiz passen die Texaner gut zum FCB – die anstehende Klub-WM und die Spiele gegen Auckland, Boca Juniors und Lissabon bieten viele Gelegenheiten, um neue Fanclub-Mitglieder zu gewinnen. Aber Justin Gardiner geht es nicht um Zahlen: Er will Menschen ermöglichen, was er selbst genießt. „Jede dieser Veranstaltungen, die wir gemeinsam mit dem Club durchführen, schafft ein Erlebnis, an das sich die Menschen lange erinnern werden. Das ist es, worum es im Sport geht. Zusammengehörigkeit, Leidenschaft, unvergessliche Erlebnisse. Einfach ‚Mia san mia!‘“
Am Ende der Veranstaltung ist das 2:2 fast zweitrangig. Gefeiert wird trotzdem – und zwar der tolle Fußballtag im „Little Woodrow‘s“. Fanclub-Mitglieder verpassen Gardiner noch eine Bierdusche aus einem Weißbierglas. Fast so wie bei der Meisterfeier! Der Präsident ist klatschnass, riecht nach Bier. Sein Sohn rümpft die Nase. Aber schön war’s.
Fotos: Nitashia Johnson
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