
Vom Sandplatz im Senegal bis an die Säbener Straße: Mit 16 plötzlich Profi, mit 18 allein in Spanien – Nicolas Jackson hat früh alles gewagt. Im Gespräch erzählt er von Heimweh, seinem Glauben und der Kraft, niemals aufzugeben.
Das Interview mit Nicolas Jackson
Nicolas, die Fans und Mitglieder des FC Bayern sollen dich in diesem Interview besser kennenlernen. Deine ersten Fußballschritte hast du barfuß auf den Sandplätzen von Ziguinchor im Senegal gemacht. Für unser Shooting hast du jetzt wieder die
Schuhe ausgezogen – was bedeutet es dir, wenn du den Sand unter deinen Füßen spürst?
„Es fühlt sich sofort vertraut an, fast wie eine Rückkehr in meine Kindheit. Der Sand hat mich geprägt – für uns war es selbstverständlich, barfuß zu spielen. Niemand hatte Fußballschuhe, wir alle haben einfach losgelegt. Hier wirkt das vielleicht ungewöhnlich, aber bei uns war es Alltag. Noch heute sieht man die Kinder dort barfuß kicken. Natürlich war es später eine große Umstellung, auf Rasen zu spielen – aber ich bin dankbar für diese Erfahrung, weil sie mich stark gemacht hat und zu dem Spieler, der ich heute bin.“
Du wurdest ja früh geprägt. Deine Eltern haben dir bereits als Baby einen Ball ins Bett gelegt. Was bedeutet Fußball für dich persönlich?
„Der Fußball ist mein Leben. Ohne Fußball weiß ich nicht, wo ich heute wäre. Als Kind wollte ich sein wie Ronaldo, wie Kaká, wie die großen Stars, zu denen ich aufgeschaut habe. Fußball war das Einzige, woran ich gedacht habe. Jetzt lebe ich die Träume, die ich als Kind hatte, und hoffe, dass ich noch mehr erreichen kann.“

Würdest du dich selbst als jemanden beschreiben, der gern Risiken eingeht?
„Ja, auf jeden Fall. Selbst wenn ich alles noch mal entscheiden könnte, würde ich es wieder genauso machen. Ich wusste, dass ich das Talent habe, also musste ich es nutzen – mit allen guten und schlechten Seiten, die der Fußball mit sich bringt. Zum Glück habe ich es geschafft – aber ehrlich gesagt ist es nur einer von Tausenden, der es wirklich schafft. Es ist extrem schwer. Deshalb sage ich: Es ist Gottes Werk, aber auch eine Frage von harter Arbeit.“
Der Glaube spielt bei dir also eine wichtige Rolle?
„Ja, ich denke, alles geschieht so, wie Gott es will. Aber das bedeutet nicht, dass man sich einfach zurücklehnt. Man muss seinen Teil beitragen, sonst funktioniert es nicht. Für mich heißt das: Gott öffnet Türen – aber nur, wenn man bereit ist, hart dafür zu arbeiten.“

Du warst erst 18, als du zu Villarreal nach Spanien gewechselt bist. Wie war das damals für dich?
„Es war natürlich schwierig, aber ich wusste, dass ich es tun musste – damit ich eines Tages meine Familie unter besseren Bedingungen wiedersehen kann. Mein ganzer
Fokus lag darauf, in Spanien zu bleiben, mich bei Villarreal durchzusetzen und es in die erste Mannschaft zu schaffen. Ich wusste: Wenn mir das gelingt, wird es einfacher, meine Familie nachzuholen – egal, wohin mein Weg mich führt. Ich habe meine Mutter und meinen Vater sehr vermisst, aber es war der einzige Weg, meine Ziele zu erreichen – und das Leben für meine ganze Familie einfacher zu machen.“
Dein Aufstieg seitdem verlief rasant: Debüt und Durchbruch bei Villarreal, Premier League bei Chelsea und
jetzt die Bayern. Wie schaust du auf deine bisherige
Karriere zurück?
„Ich bin sehr dankbar für alles, was bisher passiert ist – aber ich bin jemand, der lieber nach vorne schaut. Für mich zählt das Hier und Jetzt: beim FC Bayern alles zu geben, mich weiterzuentwickeln und mit der Mannschaft erfolgreich zu sein. Zurückblicken werde ich bestimmt einmal, wenn meine Karriere vorbei ist – dann vielleicht mit meinen Kindern. Aber im Moment möchte ich diesen Weg einfach Schritt für Schritt weitergehen und versuche dabei, immer das Positive zu sehen.“
„Der Sand hat mich geprägt – für uns war es selbstverständlich, barfuß zu spielen.”
Nicolas Jackson
Kommen wir zu deiner Gegenwart. Deine ersten Wochen in München: Wie waren sie so – inklusive Oktoberfest?
„Ich bin wirklich glücklich, hier zu sein und mit so großen Namen zusammenzuspielen. Das Oktoberfest war etwas ganz Besonderes, ich mag Traditionen sehr. Ich fand es sehr schön, dass mich meine neuen Kollegen gleich mitgenommen haben. So konnte ich einen wichtigen Teil der bayerischen Kultur kennenlernen. Bisher war alles großartig – ich fühle mich hier schon sehr wohl.“
Mit 24 ist Deutschland nach Gambia, Senegal, Spanien und England bereits das fünfte Land, in dem du lebst.
„Jeder Umzug bringt eine neue Erfahrung mit sich. In Spanien hat es eine gewisse Zeit gebraucht, bis ich die Sprache gelernt habe, die Leute kannte und mich zurechtfand. Hier geht es etwas schneller, weil viele Menschen Englisch sprechen. Aber ich möchte auf jeden Fall auch Deutsch lernen und mich Schritt für Schritt verbessern.“

Du wirst auch lernen, dass die Erwartungen beim FC Bayern groß sind. Wie gehst du mit Druck um?
„Wenn man bei einem großen Club spielt, gibt es immer Druck – das habe ich auch schon bei Chelsea erlebt. Hier ist es ganz ähnlich: Die Fans wollen Tore, sie wollen Titel. Für mich ist das Wichtigste, konzentriert zu bleiben und mich voll auf die Mannschaft zu fokussieren. Ich möchte unseren Fans Freude bereiten und meinen Mitspielern und dem Trainer das Vertrauen zurückzahlen. Wenn wir gut zusammenarbeiten, wird alles einfacher.“
Hast du dir persönliche Ziele für diese Saison gesetzt?
„Ja, habe ich – aber die behalte ich lieber für mich, bis ich sie erreicht habe (lächelt).“
„Ich wusste, dass ich das Talent habe, also musste ich es nutzen – mit allen guten und schlechten Seiten, die der Fußball mit sich bringt.”
Nicolas Jackson
Du spielst nun auch an der Seite von Harry Kane. Wie fühlt sich das an?
„Es ist unglaublich. Zu Harry habe ich schon als Kind aufgeschaut. Als Stürmer habe ich immer auf Spieler wie ihn geachtet. Genauso wie auf Lewandowski, Suárez, Agüero, Balotelli oder Drogba – all diese großen Namen. Jetzt mit ihm in einer Mannschaft zu spielen, macht mich sehr stolz. Ich lerne jeden Tag von ihm und versuche, mir einiges von ihm abzuschauen.“
Dein großes Idol war Cristiano Ronaldo, deine Freunde aber nannten dich früher Neymar. Wie würdest du deinen eigenen Stil beschreiben?
„(lacht) Ich kann viele Dinge, aber ich kann mich in allem verbessern. Meine Freunde haben mich früher Neymar genannt, weil ich immer gedribbelt und ständig mit dem Ball gespielt habe – einfach wie ein Kind, das Spaß hat. Aber je älter ich wurde, desto mehr wurden Cristiano Ronaldo, Neymar und auch Ronaldo Nazário zu meinen großen Idolen. Ich habe sehr viele Videos von ihnen
angeschaut.“

Cristiano wurde erst im Laufe seiner Karriere zum Mittelstürmer. Warst du schon immer ein klassischer Neuner?
„Als Jugendlicher war ich eher eine hängende Spitze. Weil ich viele Tore gemacht habe, hat mich mein Trainer irgendwann nach ganz vorne gestellt – und das ist dann so geblieben. Bei Villarreal haben wir zuerst mit zwei Stürmern gespielt, später war ich dann die einzige Spitze. Unai Emery hat mir damals geraten, nicht zu tief ins Mittelfeld zu kommen, sondern vorne zu bleiben: ‚Die anderen werden dich schon füttern.‘ Dieser Rat hat mir in meiner Karriere sehr geholfen.“
Steckt auch das Barfußspielen von früher noch in
deinem heutigen Stil?
„Als ich nach Spanien kam, habe ich noch sehr frei gespielt – so wie früher im Senegal. Aber auf professionellem Niveau liegt der Fokus ganz klar darauf zu gewinnen, und dafür braucht es Struktur und einen klaren Fokus. Bei Villarreal habe ich dann Schritt für Schritt gelernt, das Spiel besser zu verstehen und mich taktisch weiterzuentwickeln. Gleichzeitig hat mir diese unbeschwerte Art von früher eine gewisse Kreativität bewahrt.“

Wenn du heute den kleinen Nico von damals vor dir hättest, was würdest du ihm sagen?
„Ich würde ihm sagen: Mach weiter so, glaube an dich und vertraue auf Gott. Hör auf deine Eltern – nicht nur im Fußball, sondern auch im Leben. Arbeite hart und kämpfe für deine Träume. Und vor allem: Gib niemals auf.“
Das komplette Interview lesen Sie in der November-Ausgabe des Clubmagazins „51“.
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