Eine Stimme für Vielfalt - FC Bayern

Auf dem Bild zu sehen, von links nach rechts: Mermoz Agbemenya, Sofia Borges, Kastriot Shabani, Dang Nguyen, Nural Ibrahim, Schhad Mashehor, Ruweyda Salahaly, Resmije Maloku, Jassin Akhlaqi, Murat Traoré, Mustafa Azizi.
Beim Verlesen der Mannschaftsaufstellungen des Bundesliga-Spiels zwischen dem FC Bayern und dem 1. FSV Mainz 05 wurden Menschen mit Migrationshintergrund eingebunden, die inspirierende Geschichten über ihren persönlichen Lebensweg und das Thema Integration zu erzählen haben. Hier erfahrt Ihr mehr über sie.
Mermoz Agbemenya (15) - „Die Welt ist bunt – auch vor deiner Haustür“
Meine Mama kommt von den Philippinen. Irgendwann ist sie ins Flugzeug gestiegen und in München gelandet. Hier gibt es einfach mehr Möglichkeiten und Chancen. Mein Papa kommt aus Togo. Den hat sie hier in Deutschland kennengelernt. Und dann kam ich auf die Welt. Dabei habe ich mich in München nie anders, nie fremd gefühlt. Seit 15 Jahren nun schon. Ich wurde zum Glück auch noch nie rassistisch angefeindet.
Aber natürlich ist das Thema präsent, nicht nur in Deutschland. Rassismus hat beim Fußball und überall in der Gesellschaft nichts verloren. Das sollte jedem klar sein. Falls nicht, dann reden wir drüber. Das machen wir auch bei buntkicktgut so – da stehe ich für die Harras Bulls im Tor. Und ich bin Reporter beim buntkicker – das ist das Straßenfußball-Magazin von buntkicktgut.
Momentan gehe ich in die neunte Klasse und mache bald meinen Realschul-Abschluss. Wie es dann weiter geht, weiß ich noch nicht. Da habe ich noch etwas Zeit. Mein Traum und Ziel ist auf jeden Fall, dass ich Fußballprofi werde. Manuel Neuer ist mein großes Vorbild. Ich will auch irgendwann einmal, so wie er, die Champions League gewinnen und vor 70.000 Zuschauern den Pokal in die Luft recken.
Aber nicht nur Titel und Erfolge sind wichtig. Gerade beim Straßenfußball siehst du wie bunt, schön und grenzenlos die Welt ist - wenn wir mit unserem Team quer durch die Stadt fahren und an den Spieltagen immer wieder neue Leute treffen und neue Orte sehen. Da brauchst du gar nicht ins Flugzeug steigen und die Welt bereisen – die Welt ist bunt. Auch direkt vor deiner Haustür.
Sofia Borges (25) - „Das große Ganze“
Mein Vater und meine Mutter kommen aus Portugal, haben mich in Wangen, das ist im Allgäu, zur Welt gebracht. So haben wir Zuhause fast nur Portugiesisch gesprochen, bis ich in den Kindergarten kam und dort Deutsch lernte. Das ging sehr gut. Dennoch habe ich damals schon viele Freunde mit Migrationshintergrund gehabt. Da besteht offenbar so eine Art unsichtbare Verbundenheit - durch diese Gemeinsamkeit, dass deine Familie eben nicht aus Deutschland kommt.
Ich komme aus einer absoluten Fußball-Familie. Bei uns spielt jeder Fußball – nur meine Mutter nicht. Kicken macht einfach Spaß. Und du lernst viel übers und fürs Leben. Zum Beispiel: Meine Bedürfnisse können nicht immer an erster Stelle stehen. Ich muss auch die Menschen um mich herum sehen, das große Ganze. Nur so wirst du Teil eines Teams und eine Einheit. Und da geht es darum, auch Verantwortung zu übernehmen – auf wie außerhalb des Bolzplatzes.
Trotz meiner portugiesischen Wurzeln fühle ich mich in Deutschland zuhause. Ein Land mit vielen Möglichkeiten, gerade was Bildung und Beruf angeht. In Portugal ist Arbeitslosigkeit ein großes Thema. In Weingarten konnte ich direkt als Sozialpädagogin arbeiten. Das ist toll. In Oberschwaben und im Allgäu mache ich zusammen mit Sven Pahl die Koordination für buntkicktgut – ein tolles Projekt aus München, bei dem wir über den Straßenfußball Kindern und Jugendlichen ganz spielerisch grundlegende Werte vermitteln können, die fürs spätere Leben sehr wichtig und hilfreich sind. Es geht hier also nicht nur um Fußball, sondern auch um eine gesellschaftliche Aufgabe und Entwicklung. Die Kids sehen und lernen, wie gut und wichtig ein respektvolles Zusammenspiel und ein offenes Miteinander ist. Das wirkt weit über den Bolzplatz hinaus. Das runde Leder hat eine ganz besondere Kraft, die ich ja selber bestens kenne und spüre – und nun an die Jungs und Mädels weitergeben darf. Jetzt und in Zukunft.
Ich bin zwar in Deutschland geboren, habe jedoch durch meine Eltern einen portugiesischen Pass. Das ist sehr schön, weil ich mich beiden Ländern und Kulturen sehr verbunden fühle. Ich kenne beide Seiten: In Deutschland ist alles sehr strukturiert. Das ist gut. Allerdings haben die Menschen dadurch hier wenig Zeit, stellen ihren Beruf oft an die erste Stelle – verbunden mit Wohlstand und finanzieller Sicherheit. Mein Onkel aus Portugal war auch schon mal für fünf Monate in Deutschland. Er meint: Die Deutschen leben, um zu arbeiten. Das ist in Portugal eher genau anders herum.
Ich lebe auf jeden Fall, um möglichst viel zu reisen und zu entdecken – andere Länder, Kulturen und Bräuche. Das ist sehr spannend und macht mein Leben vielfältig und bunt.
Kastriot Shabani (40) - „Plötzlich stand Beckenbauer neben uns“
Ich liebe meine Familie. Ich liebe meine Heimat. Und ich liebe Fußball. Doch das passt nicht immer so gut zusammen. Besonders dann, wenn Konflikte, Unterdrückung und Gewalt dazwischenfunken. Wie im Kosovo. Da bin ich geboren, da komme ich her. Doch irgendwann ging es einfach nicht mehr. Da packten meine Eltern die Koffer und wir hauten ab. Da war ich so acht Jahre alt. Plötzlich weg, raus und alles hinter sich lassen.
In München strandeten wir dann in einer Gemeinschaftsunterkunft. Das war auch nicht gerade toll. Da saß unsere Familie in einem kleinen Container. Da wir nur geduldet waren, drohte uns immer wieder die Abschiebung, wir mussten das immer wieder bei anderen erleben.
Doch irgendwann kam plötzlich ein Mann mit Brille. Sein Name war Rudi. Er hatte einen Fußball dabei. Und er brachte die verschiedensten Menschen, Kulturen und Nationen in der Gemeinschaftsunterkunft zusammen. Alle Konflikte und Unterschiede lösten sich auf. Alle, vor allem die Kinder und Jugendlichen, wollten einfach nur spielen, Tore schießen und den ganzen Mist um sich herum vergessen. Das klappte. Auch wenn es hier und da mal auf dem Platz etwas turbulent zur Sache ging. Das war so 1997.
Wir waren anfangs nur ein paar Spieler, dann wurden es immer mehr und schließlich fanden sogar Turniere statt. Rudi war einer der Initiatoren der interkulturellen Straßenfußball-Ligen. Er blieb mit uns am Ball, auf Augenhöhe und gab uns das Gefühl, das uns endlich mal jemand sieht, hört und versteht. So entstanden dann auch die Harras Bulls – unser Team, mit dem wir durch ganz München und Deutschland zogen und zu internationalen Straßenfußball-Turnieren fuhren. Eine tolle und sehr aufregende Zeit.
Ich werde auch nie vergessen, wie ich mich mit meinen Jungs mal während eines Spiels des FC Bayern ins Olympiastadion geschlichen habe. Über einen Seiteneingang sind wir rein, haben einen Fahrstuhl entdeckt und sind mit dem einfach losgefahren. Plötzlich hielt er an, die Tür ging auf und Franz Beckenbauer stand neben uns. Der Hammer! Er war superfreundlich zu uns.
Ich träumte damals natürlich davon, Fußballprofi zu werden, weil ich ganz gut mit dem Ball umgehen konnte und Kapitän der Harras Bulls war. Ich spielte auch in der Bayernliga. Eine Profi-Laufbahn wäre schon drin gewesen. Doch ein Autounfall stoppte meine Pläne. Aber es gibt ja noch ein Leben neben dem Fußball. Und auf den Kopf gefallen bin ich ja auch nicht. Ich gründete nach meiner ebenfalls turbulenten Schulzeit und kurzen Fußballkarriere mein eigenes Unternehmen, bin da jetzt der Kapitän und brauche mir über Abschiebung, Geld oder sonstige Dinge keine Sorgen mehr machen. Bei buntkicktgut bin ich auch immer wieder – als Spieler bei Legenden-Turnieren, Trainer oder einfach nur so. Einmal buntkicktgut, immer buntkicktgut – ein Projekt, das für Vielfalt und Zusammenhalt steht. Denn der Fußball vereint und verbindet, öffnet Grenzen, Barrieren und die Augen der Menschen.
Dang Nguyen (38) - „Vom Straßenkicker zum Anwalt“
Der Fall der Mauer hat mich nach München gebracht. Meine Mama arbeitete in der damaligen Deutschen Demokratischen Republik in einer Textilfabrik in Ost-Berlin. Sie war eine Gastarbeiterin aus Vietnam. Nach der Wende ging sie nach München und holte ihre Kinder nach. Das war 1999 und ich war 13 Jahre alt.
Mit Fußball hatte ich damals eigentlich nicht viel zu tun. In meiner Schule gab es damals ein paar Jungs, die bei buntkicktgut spielten – Inter Afro nannten die sich. Und die suchten einen Torwart. Ich war nicht besonders groß und spielte auch nicht ständig Fußball. Doch ich probierte es aus, stand im Tor – und blieb auch im Tor. Wir holten Pokale und Titel. Unvergessen ist für mich der Sieg der Sommerliga – da spielten wir im Grünwalder Stadion und gewannen die sogenannte „Champions League“ von buntkicktgut. Waren damit Meister! Auch mein drei Jahre jüngerer Bruder hat für buntkicktgut gekickt. Wir haben zwei, drei Mal zusammen gespielt. Eine tolle Zeit, die mir viel gegeben und mich viel gelehrt hat – über Menschen, Kulturen und deren Zusammenspiel.
Im Rückblick hat mir der Fußball auch schulisch geholfen. Er hat mich stark gemacht. Denn ein gutes Zusammenspiel erfordert eine gewisse Struktur, Disziplin und Verlässlichkeit. So bin ich von der Hauptschule zur Realschule. Von dort aufs Gymnasium. Um dann mit Abitur in der Tasche an einer Universität Jura zu studieren. Mittlerweile habe ich meine eigene Kanzlei in München und bin, was für ein Zufall, Fachanwalt für Migrationsrecht. Streiten, Konflikte, eine Lösung finden – Fußball hat alle Facetten, die das Leben so bietet. Du lernst mit Siegen und Niederlagen umzugehen, gibst nicht auf und solltest auch immer ein Auge für deine Mitspieler beziehungsweise Mitmenschen haben. Das hilft mir bis heute in meinem Alltag und meinem Beruf.
Über den Fußball fand ich damals sehr schnell Anschluss in München und meinen Platz in der Gesellschaft. Ich fühlte mich nicht so fremd und staunte schon als Jugendlicher, wie fleißig, strukturiert und höflich die Menschen in Deutschland waren und sind. Das gefällt mir bis heute. Nur das Wetter und das Essen könnten besser sein. Ich liebe einfach die asiatische Küche. Auch das sehr angenehme und freundliche Klima in Vietnam fehlt mir etwas.
Allerdings: Ich bin nun schon seit knapp 25 Jahren in Deutschland und fühle mich mehr mit der deutschen als mit der asiatischen Kultur verbunden. Hier bin ich groß geworden, hier habe ich viele Freunde und mein Leben gestaltet. Auch meine Kanzlei läuft gut. Und ich trete weiterhin jede Woche gegen den Ball. München ist meine Heimat. Dennoch werde ich nie meine vietnamesischen Wurzeln vergessen. Ich verbinde immer wieder meine beiden Kulturen miteinander. Das sorgt wie beim Fußball für Bewegung. Ich lebe und liebe diese Vielfalt.
Nural Ibrahim (44) - „Fußball ist eine sehr lebendige Schule“
Mein Vater ist als türkischer Gastarbeiter nach Kiel gegangen, das war so 1972. Meine Mutter und Geschwister kamen irgendwann nach. Ich erblickte 1980 im hohen Norden das Licht der Welt. Die Menschen sind da sehr offen, freundlich und direkt. Ich hatte da eine sehr schöne Kindheit. München trat erst 2009 in mein Leben. Ich wollte etwas Neues sehen und erleben, ging also vom Norden in den Süden. Und es dauerte dann noch ein paar Jahre, bis ich wirklich mit Fußball in Berührung kam – und zwar über meine Kinder, die bei buntkicktgut schon seit zweieinhalb Jahren gegen den Ball treten.
Ich selber kicke da nicht mit, bin schon etwas zu alt für die interkulturellen Straßenfußball-Ligen. Aber es macht mir sehr viel Spaß, meinen Kindern beim Kicken zu zuschauen. Welche Freude und Energie da entsteht. Wie die verschiedenen Kulturen und Nationen miteinander interagieren und zusammen spielen. Somit ist Fußball für mich nicht nur eine Sportart, sondern eine Lebenseinstellung. Was du auf dem Bolzplatz lernst, geht weiter übers Toreschießen hinaus.
Fußball ist eine sehr lebendige Schule. Das wird sehr deutlich, wenn man mal einen Spieltag von buntkicktgut live und direkt miterlebt hat. Die Kinder, Jungs wie Mädchen, fühlen sich gesehen und verstanden, können bei den interkulturellen Straßenfußball-Ligen mitgestalten. Können Ideen einbringen und ihre Meinung offen sagen. Auf spielerische Art und Weise wird den Kids vermittelt, wie wichtig ein respektvolles Miteinander ist. Und, dass es keine Rolle spielt, woher du kommst oder was für eine Hautfarbe du hast. Wie wichtig Respekt und Toleranz sind – auf dem Fußballplatz und genauso auch außerhalb davon. Mir ist wichtig, dass meine Kinder mit beiden Beinen auf dem Boden und im Leben stehen. Dass sie mit offenen Augen durch die Welt gehen. Der Fußball hilft dabei, unterstützt das.
Durch meine türkischen Wurzeln habe ich eine besondere Perspektive auf Deutschland und die Türkei. Ich fühle mich beiden Ländern sehr verbunden und habe München mittlerweile in mein Herz geschlossen. Gerade als Familie finden wir hier viel Ruhe und Sicherheit. Deutschland ist ein sehr sauberes und friedliches Land. Junge Menschen haben hier viele Möglichkeiten, sich zu entfalten und ihr Leben selbst zu gestalten. Das ist ein großes Glück.
Ich arbeite hier in München in einem Kindergarten und betreue auch alte Menschen in der ambulanten Pflege, wo ich immer wieder tolle Lebensgeschichten zu hören bekomme. Das finde ich sehr bereichernd. Eine abwechslungsreiche, vielfältige und spannende Arbeit. Fast so spannend und vielfältig wie ein Fußballspiel meiner Kinder auf dem Bolzplatz.
Schhad Mashehor (14) - „Fußballprofi - vielleicht sogar in der Allianz Arena“
Unser Weg nach München war recht lang. Von Saudi-Arabien ging es nach Ägypten und Marokko – da saßen wir über drei Monate fest, kamen nicht über die Grenze nach Spanien. Doch irgendwann haben wir es geschafft. Sind mit einem Schiff durchs Mittelmeer bis nach Valencia geschippert. Von dort sollte es mit einem Bus nach Belgien gehen. In Frankreich wurden wir jedoch aufgehalten. Zum Glück hat mein Vater Freunde dort, die uns ein Dach über dem Kopf gegeben haben. Ein paar Tage später klappte es: Wir waren in Belgien. Kurz darauf ging es weiter nach München.
Nach ein paar Wochen bekam meine Familie eine richtig große Wohnung in einer Gemeinschaftsunterkunft bei Passau. Da hatten wir sogar einen Balkon. Doch mein Vater ist ein Stadtmensch. Er wollte zurück nach München. Nach zwei Jahren gingen wir wieder in die große Stadt, wohnen seitdem in einem tollen Viertel, in dem viel Fußball gespielt wird. Und ich liebe Fußball. Ein Sport, durch den ich schon viel gelernt habe.
Denn es geht beim Kicken nicht nur um Tore und Pokale. Verlieren gehört ebenso dazu. Genauso wie Fairplay. Das habe ich vor allem bei buntkicktgut gelernt - die interkulturellen Straßenfußball-Ligen in München sind für mich wie eine zweite Familie. Hier habe ich viele Freunde gefunden, die verstehen, was es bedeutet, in einem fremden Land zu sein. Meine Familie kommt aus Jemen und Somalia. Ich kam in Saudi-Arabien zur Welt.
In München habe ich durch den Fußball schnell Anschluss gefunden. Fußball verbindet dich mit Menschen. Nach der Schule gehe ich oft mit Jungs oder Mädels auf einen Bolzplatz. Für den FFC Wacker spiele ich auch noch. Da habe ich in der vergangenen Saison das entscheidende Tor zur Meisterschaft geschossen. Dabei bin ich gar nicht so gut, lerne immer noch und immer wieder dazu. Doch im Team spielt dann jeder seine Stärken aus.
Was ich an Deutschland echt toll finde: Jeder bekommt hier Hilfe. Der Staat unterstützt Familien, Kinder und Erwachsene. Das war in Marokko, Spanien oder Belgien nicht so. Was ich nicht gut finde: Wenn Jungs oder Mädchen in der Schule zu mir das N-Wort sagen, machen die Lehrer oft nichts. Auch in der U-Bahn haben mich schon alte Leute aufgrund meiner Hautfarbe beleidigt. Das macht mich traurig und wütend. Doch mittlerweile versuche ich, gerade in der Schule, mit den Leuten darüber zu reden und frage sie, ob sie überhaupt wissen, was das N-Wort bedeutet.
Bei buntkicktgut spiele ich bei den Ladies. Ich bin außerdem Coach und Referee. Somit bin ich auch Teil des Liga-Rates, der alle vier Wochen zusammen kommt und über Regelverstöße und besondere Vorkommnisse während der Spieltage berät. Dadurch habe ich live und direkt gelernt, was Fairplay, Toleranz und Respekt bedeuten. Das hilft mir auch im Alltag.
Ich bin nun in der 8. Klasse und bereite mich auf meinen Abschluss in der Mittelschule vor. Später möchte ich mal Fußballprofi werden. Klar! Und vielleicht sogar in der Allianz Arena spielen. Da war ich schon mal als Zuschauerin. Eine tolle Atmosphäre, ein riesiges Stadion. Wow! Mein absoluter Traum ist allerdings, einmal Cristiano Ronaldo einfach nur Fußballspielen zu sehen. Vielleicht klappt das ja jetzt während der Europameisterschaft in Deutschland.
Ruweyda Salahaly (18) - „Fußball, Freunde und viel Spaß – eine gute Mischung“
Jetzt bin ich schon seit zwölf Jahren mit meiner Familie in München. Unglaublich, wie die Zeit vergeht. Eine gute und sehr bunte Zeit. Es war zwar nicht immer einfach, gerade wenn man, so wie ich, ein Kopftuch trägt. Da schauen mich manche Leute, ob nun in den Straßen, in der Schule oder U-Bahn, immer wieder komisch an. Doch das stört mich nicht weiter, wobei ich mir gerade bei den jungen Leuten schon ab und zu denke: Was ist los mit euch? Ich heiße übrigens Ruweyda, bin 18 Jahre alt und komme eigentlich aus Somalia. Das ist mein Heimatland, da bin ich geboren.
In Kenia, ein Nachbarland von Somalia, bin ich dann mit meinen drei Schwestern und drei Brüdern aufgewachsen. Wir sind eine recht große Familie. Unsere Mama lebt mit uns in München. Sie wollte uns Kindern eine bessere Bildung ermöglichen. In Kenia gibt es nicht so gute Schulen und Lehrer. Du musst viel Geld für Schulmaterial und -bücher bezahlen.
Unser Papa ist in England. Er schaut ab und zu bei uns in München vorbei. Ihm gefällt es, dass ich Fußball spiele. Gerade in München hat mir das sehr geholfen. Du brauchst nicht viel reden, keine großen Worte. Wenn der Ball rollt, ist alles gesagt. Da wissen dann alle Bescheid. Als Fremde in einer fremden Stadt ist das ein großer Vorteil. Erst sieben Jahre später, also 2019, bin ich dann zufällig auf buntkicktgut gestoßen.
Die interkulturellen Straßenfußball-Ligen haben sogar eine eigene Ladies-Liga. Das fand ich toll, da wollte ich mitspielen. Und das ging ganz leicht und unkompliziert. Einfach anmelden und kicken. Für die Brancos Ladies bin ich auf Torejagd gegangen. Wir hatten sogar einen Coach, Max, der war immer sehr locker und hat viel gelacht. Da habe ich mich gleich sehr wohlgefühlt. Immer am Ball zu sein, hat mir sehr geholfen, gab mir eine Struktur und auch Halt. Fußball, Freunde und viel Spaß sind eine gute Mischung. Ich habe aus der Zeit noch Pokale und Medaillen.
Momentan spiele ich nur noch selten Fußball. Meine Mama hat es mir verboten. Für sie gehen die Schule und meine Noten vor. Das ist ihr einfach sehr, sehr wichtig. Deswegen sind wir hier. Zumal ich gerade in der Realschule meinen Abschluss mache - die Mittlere Reife. Danach möchte ich auf die Fachoberschule gehen. Das Abitur ist mein großes Ziel. Allerdings nicht, weil ich super viel Geld verdienen und reich werden möchte. Darauf kommt es mir nicht an. Ich habe noch keinen konkreten Berufswunsch. Ich möchte einfach nur ein entspanntes Leben führen und noch viel von der Welt sehen. Also ganz viel reisen. Es gibt so viele wunderbare Länder und Kulturen – diese große Vielfalt möchte ich live und direkt spüren.
Wenn ich irgendwann selber Kinder habe, dann werden wir ebenso viel reisen. Und natürlich Fußball spielen. Ob nun Junge oder Mädchen, das spielt keine Rolle. Fußball ist für alle da und bewegt die unterschiedlichsten Menschen. Das runde Leder vereint und verbindet.
Resmije Maloku (26) - „Mehr Gehör für Frauen“
Das Leben ist nicht immer leicht und einfach. Besonders um 1995 herum im Kosovo. Da sind meine Eltern, noch vor dem Kosovokrieg, nach Deutschland gegangen und haben sich in München eine neue Heimat aufgebaut. Drei Jahre später wurde ich geboren. Ich ging ganz normal in den Kindergarten und in die Schule, habe da Deutsch gelernt – ein Selbstläufer! Genauso wie Fußball. Ein toller Sport, der meine gesamte Familie begeistert und bewegt. Mein Bruder und meine jüngeren Schwestern spielen auch. Da war es klar, dass wir irgendwann auf buntkicktgut stoßen werden – die interkulturellen Straßenfußball-Ligen sind besonders in München sehr präsent und aktiv. Sie sorgen in den Straßen und auf so vielen Bolzplätzen für einigen Wirbel.
Der Wirbel hat mich letztendlich zum FC Bayern gebracht. Denn ich wollte nicht nur Tore schießen und Titel mit meinem Team gewinnen. Ich wollte Profispielerin werden. Rudi, der Leiter von buntkicktgut, stellte den Kontakt her. Ich wurde zum Training eingeladen und konnte die Bayerncoaches überzeugen. Unglaublich! Mein großer Traum wurde wahr – ich unterschrieb einen Vertrag bei den Frauen des FC Bayern.
Doch meine Profilaufbahn endete ziemlich schnell. Mein Knie wollte nicht so, wie ich wollte. Nach einem Kreuzbandriss kam ich nicht wieder in Schwung, konnte nicht mehr alles geben. Da musste ich bereits mit 18 Jahren meine Stollenschuhe an den Nagel hängen. Sehr blöd! Doch meine Karriere war leider vorbei.
Aber Fußballer, gerade Straßenkicker, wissen: Rumheulen kommt nicht in Frage. Zumal mir dieser wunderbare Sport so viel gegeben und ermöglicht hat. Durch den Fußball habe ich gelernt, wie wichtig Durchhaltevermögen und Zielstrebigkeit sind – auch im ganz normalen Leben ohne Ball am Fuß. Und was vor allem Teamgeist bedeutet. Während meiner Verletzungen und Comeback-Versuche haben mich meine Mitspielerinnen immer wieder motiviert und mir Rückhalt gegeben. Ich musste nicht alleine durch diese schweren Zeiten gehen. Das war wichtig, hat mir sehr geholfen.
Mittlerweile arbeite ich bei einer Bank als Sachbearbeiterin für „Operations“ – was nichts anderes bedeutet als: Ich sitze in der Zentrale und bearbeite Kundenaufträge. Kicken tue ich natürlich auch noch – mit meinen Geschwistern ab und zu ganz entspannt. Wir alle fühlen uns in Deutschland sehr wohl, haben unseren Platz in der Gesellschaft erkämpft und gefunden. Daran ändert auch Rassismus nichts. Egal, ob ich gerade in Deutschland oder im Kosovo bin. Selbst da sagen Leute zu mir: „Da ist ja die Ausländerin.“ Doch so ein Gerede trifft mich nicht. Ich fühle mich mit der gesamten Welt verbunden, bin Teil einer bunten Gesellschaft. Und ich weiß genau, wer ich bin und woher ich komme. Darauf bin ich stolz.
Und ich werde auch nicht ewig in der Bank hocken. Irgendwann gründe ich meine eigene Agentur, verbunden mit einem Sportleistungszentrum. Da arbeiten wir dann an Konzepten, wie sich der Fußball weiterentwickeln kann. Und, dass Frauen im Fußball mehr gehört und gesehen werden – von den Profispielern, den Vereinen und Verbänden. Die wissen zwar, was Vielfalt ist. Über die Rolle der Frauen müssen sie allerdings noch viel lernen.
Jassin Akhlaqi (27) - „Augen öffnen und Horizont erweitern“
Meine Familie kommt aus Afghanistan. Bereits 2003 sind wir in den Iran geflohen. Lebten dort einige Jahre. Doch irgendwann gab es im Iran keine Perspektive mehr für uns. Und so machten wir uns wieder auf den Weg. Richtung Westen – die klassische Route: Über die Türkei und Griechenland erreichten wir schließlich Deutschland und landeten eher zufällig in München. Das war 2011. Die ersten Monate waren sehr schwer. Wir durften in der Gemeinschaftsunterkunft nichts machen, saßen nur herum – keine Schule, keine Außenwelt, keine Begegnung. Aber Fußball war möglich, auf der Straße - und das war mein großes Glück.
Denn so kam ich endlich mit unserer neuen Außenwelt in Kontakt, lernte auf dem Bolzer auch immer mehr und besser Deutsch. Und fand Freunde fürs Leben, die meiner Familie schon damals sehr geholfen haben. Wenn es beispielsweise um Briefe von den Behörden ging, die wir nicht verstehen konnten. Oder um ein Ticket für die U- oder S-Bahn.
Meine Jungs und ich gründeten ein Straßenfußball-Team – den FC Ariana. Wir meldeten uns bei buntkicktgut an, gewannen Pokale und Medaillen. Das war eine wunderbare Zeit. Denn auf dem Bolzer verschwanden meine alltägliche Sorgen, traf ich Freunde und hatte viel Spaß. Ich wurde Coach und Referee. Und ich lernte: Zusammenhalt ist gerade auf der Straße und im Leben sehr, sehr wichtig.
So fand ich Schritt für Schritt, Kick für Kick meinen Platz in der Gesellschaft, in einem Land, in dem die Sicherheit sehr viel wiegt und bedeutet. Außerdem gibt es in Deutschland nicht nur einen Weg. Viele Wege führen dich ans Ziel – in der Bildung wie im Beruf. Du hast hier vielfältige Möglichkeiten.
Nur das erste Jahr war sehr schwer. Da konnte meine Familie, konnten wir als Geflüchtete nicht viel machen. Und so arbeite ich nun schon seit langer Zeit für „Jugendliche ohne Grenzen“, die sich für junge Menschen und vor allem Geflüchtete einsetzen, sie beraten und begleiten, damit sie besser und schneller Anschluss finden. Auch das Thema Rassismus spielt da eine Rolle. Ich gebe dazu auch Workshops, berichte von meinen Erfahrungen. So wurde ich schon angespuckt, geschlagen und angepöbelt. Rassismus ist leider überall auf der Welt. Es ist wichtig, dass alle Menschen ihre Augen öffnen und ihren Horizont erweitern. Es ist doch schön, dass es so viele und verschiedene Menschen gibt.
Ich komme aus Afghanistan. Ein tolles Land, wenn man die Kultur und Natur betrachtet. Aber auch der Iran ist toll - gutes Essen, gute Musik. Wie in der Türkei. In Deutschland ist das Essen auch ganz gut. In München habe ich vor allem viele Freunde gefunden. Oder Spanien. Meine Schwester studiert in Barcelona, hat dort eine sehr gute Zeit. Griechenland ist auch sehr cool. Ich kann sogar die Schrift lesen.
Viel lesen muss ich bei meinem Masterstudium für Informatik in München. Nebenbei arbeite ich als Consultant für eine Software-Firma. Wenn ich eine gute Stelle finde, werde ich auch noch promovieren. Und ich möchte eine eigene Familie gründen. Fußball mit meinen Jungs vom FC Ariana spielen. Einfach ein glückliches Leben führen.
Murat Traoré (28) - „Irgendwann hatte ich es kapiert“
Meine Eltern kommen beide aus Togo, haben sich allerdings erst hier in München kennengelernt. So bin ich ein Münchner Kindl. Geboren in einer schönen und bunten Stadt, in der Fußball einen besonderen Stellenwert genießt. In Form des FC Bayern und TSV 1860 München ist dieser Sport immer präsent und allgegenwärtig. Damit nicht genug: Neben den großen Fußballvereinen sorgen auch die interkulturellen Straßenfußball-Ligen von buntkicktgut besonders in den Straßen und auf den Bolzplätzen dieser Stadt für Bewegung und Begeisterung. Das ging natürlich auch an mir nicht spurlos vorbei.
Mit acht Jahren fing ich so richtig mit dem Straßenfußball an. Ich spielte bei den Harras Boys und Harras Bulls, stand im Tor. Wir gewannen wirklich alles – die Sommer- und Winterliga, den Liga-Cup und zahlreiche Turniere. Ein absolutes Highlight war für mich der FC Bayern Youth Cup mit der lebenden Fußball-Legende Paul Breitner. Ein cooler Typ, der sich immer voll und ganz für die Kids interessiert und eingesetzt hat. Er nominierte mich fürs „Team Germany“. Somit war ich beim abschließenden „World Final“ dabei – ein krasses, internationales Jugendturnier. Auch wenn wir da am Ende von insgesamt fünf Mannschaften nur Platz vier erreichten, war es eine tolle Erfahrung.
Nicht so toll waren damals meine Ausraster, die ich immer wieder hatte und lange nicht in den Griff bekam. Wenn ich mich oder mein Team ungerecht behandelt fühlte, dann flippte ich aus. An der Siegenburgerstraße standen wir während eines buntkicktgut-Spieltages im Endspiel und führten sogar mit 4:1. Als Jacob Avadra, einer meiner besten Freunde, von einem Spieler umgegrätscht wurde und gegen den Pfosten flog. Da sah ich nur noch Rot, und kurz vor Schluss holte ich den anderen mit einer fiesen Blutgrätsche von den Beinen. Er flog und schrie so laut, dass ich dachte, ich hätte sein Schienbein gebrochen. Zum Glück nicht. Aber es kam zur einer heftigen Schlägerei - und zum Spielabbruch.
Und ich? Ich musste mich vorm „liga-rat“ von buntkicktgut erklären und entschuldigen. Das kam eine Zeit lang öfter vor. Rudi, der Leiter von den Straßenfußball-Ligen gab mir jedoch immer wieder eine Chance, glaubte an mich. Das half mir sehr. Bis ich es irgendwann kapiert hatte und mir klar wurde, welche Bedeutung Fairplay, Respekt und Toleranz beim Fußball haben. Und wie sich das auch auf mein Leben auswirkt – im Alltag, in der Schule und jetzt im Beruf.
Mittlerweile bin ich Erzieher, arbeite an einer inklusiven Grundschule, begleite und betreue Kinder in ihrem schulischen Alltag, gestalte Elternprojekte und kann Kids, die gerne aus der Reihe tanzen, sehr gut verstehen. Denn ich begegne ihnen auf Augenhöhe. Das macht viel Spaß, ist eine sehr wirkungsvolle und nachhaltige Arbeit. Allerdings ist mein Traum, dass ich bald meinen Fußball-Trainerschein mache und an der Linie als Coach stehe – damit Bewegung und Bildung verbinde. Eine Form von gesellschaftlicher Bildung, die ein offenes und respektvolles Miteinander bei den jungen Menschen fördert.
Das sollte auch in Togo so sein. Ein schönes Land, das allerdings immer wieder mit gewaltvollen Unruhen und Konflikten zu kämpfen hat. Ich bin sehr froh, dass ich hier in Deutschland bin. Fühle mich sehr sicher. Auch wenn meine dunkle Hautfarbe immer wieder Leute dazu animiert, mir rassistisch zu begegnen. Doch Gewalt ist natürlich keine Antwort darauf. Diese Zeiten sind vorbei. Ich bleibe cool und versuche, mit diesen Leuten zu reden. Zumal die Gesellschaft ja hier auch immer bunter und vielfältiger wird. Das ist gut, gibt mir Hoffnung.
Mustafa Azizi (10) - „Dann steht auf der Anzeigentafel Mustafa“
Bei mir dreht sich fast alles um Fußball. Besonders hier in München. Eine große Stadt mit unglaublich vielen Bolzplätzen. Und ich bin nicht der Einzige in unserer Familie, der gerne Fußball spielt. Meine älteren Schwestern, Sarah und Maria, sind auch ganz verrückt nach dem runden Leder.
Meine Familie kommt aus Afghanistan. Die vielen Konflikte und Bomben machen ein sicheres und friedliches Leben dort unmöglich. Das konnten meine Mama und mein Papa nicht länger aushalten. Und so sind wir in München gelandet. Da ist es schön ruhig. Und da gibt es eben sehr viele Bolzplätze – und Rudi. Das ist der Mann, der die interkulturellen Straßenfußball-Ligen von buntkicktgut vor über 25 Jahren gegründet hat. Sehr, sehr cool! Denn du kannst dein eigenes Team gründen und im Sommer wie im Winter um die Meisterschaft spielen – die Champions League der Straßenkicker.
Mit den Sportis, so heißt mein Team, läuft es ziemlich gut. Wir haben schon einiges gewonnen. Und es gibt krasse Aktionen – buntkicktgut spielt nämlich mit dem FC Bayern immer wieder zusammen. Und da durfte ich mal auf das Spielfeld der Allianz Arena einlaufen. Mit Simon Zoller vom VfL Bochum. Über 75.000 Zuschauer haben uns zugejubelt und gefeiert. Und ich mittendrin, an der Hand von einem Bundesligaprofi.
Krass, was da in einem Stadion so los ist. Wenn man auf dem Rasen steht im Mittelkreis und es rundherum ein einziges, buntes Gewimmel ist. Das ist noch viel heftiger wie von der Tribüne aus. Und wenn dann auch noch Tore fallen – und zwar drei für die Bayern. Thomas Müller, Kingsley Coman und Serge Gnabry haben in dem Spiel den Ball jeweils versenkt.
Das will ich später auch mal. Dann steht auf der Anzeigentafel Mustafa – das ist mein Name. Jetzt auf dem Bolzplatz klappt das bei buntkicktgut schon ganz gut. Irgendwann vielleicht auch mal in der Allianz Arena. Neben buntkicktgut spiele ich ja schon für den FC Bayern in der D-Jugend. Das Training findet auf dem Bayern-Campus statt und macht viel Spaß. Es wäre der Traum, es bei den Bayern zu schaffen.