2020 eröffnete in der Münchner Innenstadt die FC Bayern Welt mit Fanshop, Restaurant und Hotel. Hier erklären die Architekten Andreas Hild und Matthias Haber, was dies für das Stadtzentrum bedeutet.
Das Interview mit den Architekten der FC Bayern World
Herr Professor Hild, muss man eigentlich Fan des FC Bayern sein, wenn man den Verein mit so einem ambitionierten Projekt in Szene setzen soll?
Andreas Hild: „Man muss nicht. Es geht ja um eine architektonische Aufgabe. Aber hinderlich ist es nicht. Und ist in unserem Fall auch gegeben (lächelt).“
Der FC Bayern zieht ins Herz der Stadt – wie integriert man eine große Marke stimmig ins Bild?
AH: „Aus meiner Sicht muss man den FC Bayern nicht mehr großartig in München integrieren. Der FC Bayern ist bereits seit langem ein Teil der Stadt und auch ihres Selbstverständnisses. Ich muss niemanden mit einem Gebäude den FC Bayern erklären.“
Matthias Haber: „Das Ziel ist ja, ein gutes Haus zu bauen. Wir sprechen von Qualität, und da haben wir wie der FC Bayern im Sport die höchsten Ansprüche. Insofern geben wir zusammen ein stimmiges Bild ab.“
Der Neubau orientiert sich an einem historischen Vorbild: Sie ließen sich von der Fassade aus dem Jahr 1872 inspirieren.
AH: „Wir hatten eine Zeichnung und Fotos der Fassade aus der Vorkriegszeit. Das wurde der Ausgangspunkt unserer Überlegungen. Es ist aber keine Rekonstruktion, sondern eine Transformation des alten Bildes in unsere Zeit. Die mehrschichtige Putztechnik, die wir dabei verwenden, ist alt. Aber die Art und Weise, wie dieses sogenannte Sgraffito hergestellt wird, ist neu.“
MH: „Sgraffiti wurden in der Zeit, als München wieder aufgebaut wurde, sehr häufig angewandt. Am Beck am Rathauseck zum Beispiel oder am alten Rathausturm. Eine Technik mit großer lokaler Tradition.“
Welchen Einfluss hatte die Umgebung auf das Design des Gebäudes? Die „FC Bayern Welt“ steht ja an einer historischen Stelle im Stadtzentrum, zwischen Rathaus und Frauenkirche.
MH: „Der Kontext ist in städtebaulicher Hinsicht und auch für die Fassade immer eine wichtige Komponente. In dieser Zeile vom Marienplatz bis zur Maffeistraße hat jedes Haus eine leicht unterschiedliche Gestaltung, und doch ist jedes davon in der Architektur der 50er Jahre verhaftet. Da gibt es Fassadenmalerei, da gibt es Naturstein, all die verschiedenen Typologien, in denen während der Zeit des Wiederaufbaus eben Fassaden dargestellt wurden. Wir wollen das Haus da einpassen. Sgraffito gibt es in dieser Zeile bisher nicht, auch darum haben wir uns dafür entschieden.“
Ein Architekt erfährt meistens relativ spät, wer als Nutzer einzieht. Insofern spielte es in Ihren Planungen wohl keine Rolle, das „Mia san mia“ einzubauen, oder?
AH: „Als wir an die Aufgabe herangegangen sind, stellte sich diese Frage nicht. Es passt aber trotzdem super. Weil das Haus so ist, wie es ist. Es steht für sich, es ist ein Statement – wie der FC Bayern auch. Man kann das gut als Einheit sehen. Die Anforderungen, die der FC Bayern hat, bilden wir mit diesem Gebäude gut ab. Das ‚Mia san mia‘ findet ein Zuhause.“
Wie wichtig ist es für einen Fußballverein, sich im Herzen seiner Stadt einen Platz zu sichern?
MH: „Interessanter ist doch die Frage nach der Qualität: Wie stellt sich ein Verein dar? Würde der FCB ein banales und protziges Standardgebäude bauen, wäre das auch ein Statement. Aber wenn man in ein Haus einzieht, das sich stimmig in die Stadt integriert, finde ich das wesentlich sympathischer.“
AH: „Ich glaube auch, dass es im Sinne der Stadt ist, den Verein im Zentrum zu installieren. Wir jammern immer, dass es dort nur noch anonyme Ladenketten gibt – und jetzt zieht mit dem FC Bayern eine Institution ein, die durchaus identitätsstiftend ist. Der FC Bayern ist München, München ist das Zuhause des Klubs. Insofern finde ich, der Klub gehört in ein Gebäude im Zentrum. Das ist mir persönlich allemal lieber als die 17. Filiale eines Großkonzerns.“
Soll das Gebäude auch das ganz besondere Lebensgefühl Münchens widerspiegeln?
MH: „Absolut. Diese Geschichte bezieht das Heimatbewusste, das Traditionelle mit ein, in allen Facetten: Dieser große Münchner Klub in einem Gebäude mit typischem Münchner Charme…“
AH: „…das gleichzeitig aber auch das Ergebnis echter Hightech-Arbeit ist. Ich würde immer für uns in Anspruch nehmen, dass wir für Münchner Architektur stehen. Und der FC Bayern symbolisiert ähnliche Werte; er hat eine große Tradition und ist dennoch auch immer dem Neuen verpflichtet.“
Auf welche Details, die dem Laien nicht sofort ins Auge springen, sollen die Besucher achten?
MH: „Die Übertragung der Zeichnung in all ihren Details, die Tatsache, wie vielschichtig sich das Sgraffito lesen lässt, mit Schattenwirkungen an der Fassade – das entsteht ja alles mit Hightech, ziemlich kompliziert, mit Computer und zugleich handwerklich mit Folienschnitten. Es wird ein interessantes Gebäude. Hightech anhand traditioneller handwerklicher Technik – das gelingt einem nicht bei jedem Haus.“
AH: „Gemessen am Grad der Zerstörung ist München mit Münster der erfolgreichste Wiederaufbau in Deutschland. Die Münchner Innenstadt ist ein hohes Gut, das es zu bewahren gilt. Wobei bewahren nicht heißt, dass es verboten ist, gestaltend einzugreifen. Ich empfehle Interessierten künftig einen Blick auf unsere Fassade bei Streiflicht, sprich wenn die Sonne im Süden steht. Das Gebäude steht in Nord-Süd-Richtung – von der Weinstraße aus wird es mittags besonders schön sein.“
Ein stehender Begriff im Fußball ist die „Tiefe des Raumes“ – was bedeutet das für Sie als Architekten?
AH: (überlegt lange) „Architekten beschäftigten sich mit dem Raum – aber es ist ein anderer Raum als der, den der Fußballer bespielt. Der Fußballer macht Räume in seinem Defensivverhalten eng, und in der Offensive stellt er Räume her, die der Gegner nicht im Blick hat. Der Raum ändert sich dauernd. Der Architekt baut in einem statisch festgelegten Raum, der Fußballer agiert in einem stetig wandelbaren. Das sind völlig verschiedene Ideen von Räumen.“
Sie sind nicht glücklich mit manchen fotorealistischen Gebäudedarstellungen, die bereits in den Zeitungen veröffentlicht wurden – warum nicht?
AH: „Weil vieles, was bisher kursiert, nicht dem entspricht, wie es mal aussehen wird. Außerdem wurden Queransichten des Gebäudes veröffentlicht, die es in der Realität nicht gibt. Das ist absurd. Vieles wurde auf der Basis von schlechten Fotos fabriziert. Das finden wir nicht hilfreich.“
Was sollen die Leute in 100 Jahren von diesem Gebäude denken, wenn sie davorstehen?
AH: „Ich würde mich freuen, wenn es in 100 Jahren noch so dasteht, wie wir es geplant haben. Das würde bedeuten, dass wir eine sinnvolle und dauerhafte Idee hatten. 100 Jahre, so lange stehen Gebäude heutzutage eher selten. Es würde auch bedeuten, dass es von der Bevölkerung angenommen wurde. Ein Sgraffito hält auf jeden Fall 100 Jahre.“
Wird es dann immer noch die Heimat des FC Bayern sein?
AH: „Ich weiß nicht, wie lange der Mietvertrag läuft (grinst). Aber ich sage mal so: Das Ziel sollte sein, dass es dem FC Bayern in dem Gebäude gut geht. Gerne auch die nächsten 100 Jahre.“
Alle Informationen zum Fan-Erlebnis in der FC Bayern World gibt es hier: