
Säbener Stories – das ist die wöchentliche Kolumne für alle, die den FC Bayern München leben und lieben. Hier geht es um die ruhmreiche Vergangenheit und die spannende Gegenwart des Rekordmeisters.
Wir erzählen von den großen Momenten des Vereins und von den neuesten Heldentaten. Hier begegnen sich Kaiser und Kane, Katsche und Kimmich, Sepp Maier, Oliver Kahn und Manuel Neuer. Die Säbener Stories liefern Geschichte und Geschichten rund um die Farbe Rot und ums „Mia san mia“.
Nachdem Manuel Neuer gerade wieder hält, wie nur Manuel Neuer hält (also fantastisch), geht es in der englischen Woche um die Bundesliga-Torhüter des FC Bayern. Natürlich denkt dabei jeder an unsere große Torwart-Dynastie mit Sepp Maier, Oliver Kahn und Manuel Neuer.
Kein Wunder: Wer nachrechnet, kommt darauf, dass das illustre Trio 62,1 Prozent aller bisher 2.047 Bundesligaspiele des FC Bayern seit 1965 bestritten hat. Und wenn Manu so weitermacht, steigt diese Zahl jede Woche noch weiter an.
Trotzdem gab es auch andere brillante, glamouröse und legendäre Keeper im Bayern-Tor – vom belgischen Entertainer Jean-Marie Pfaff bis zu seinem nicht allzu guten Freund Raimond Aumann, von Elfmeter-Held Hans Jörg „Butt, Butt, Butt“ bis zum treuen Sven „Ulle“ Ulreich. Hier lernt Ihr sie alle kennen.
Fritz Kosar (1960 bis 1969)
Torhüter, die auch prima Fußball spielen können – die gab es beim FC Bayern schon weit vor Manuel Neuer. Wenn der junge Sepp Maier wie (fast) immer im Tor stand, ging sein Stellvertreter mit dem schnittigen Namen (Kosar, nicht Korsar!) gern als Stürmer auf Torejagd.

Nach mehreren Einsätzen als „Geheimwaffe“ im Angriff ab 1962 feierten ihn die Zeitungen als „mitreißenden Sturmdirigenten“. Dass er sich selbst als „mittelmäßigen Fußballer“ bezeichnet, ist also definitiv falsche Bescheidenheit des heute 86-Jährigen. Kosars Pech war allerdings: Während er vorne unterwegs war, etablierte sich hinten Jungspund Sepp Maier als Stammtorwart.
Und so ging Fritz Kosar als Ersatzmann bis 1969 überwiegend einer sitzenden Tätigkeit nach. Immerhin: Er war der einzige Keeper, der Sepp Maier in dessen Bundesliga-Karriere überhaupt drei Spiele abluchste – in der Premieren-Saison 1965/66. Trotzdem wussten Tschik Cajkovski und Branko Zebec, dass sie sich auf ihn verlassen können, wie auf einen frühen Sven Ulreich.
Walter Junghans (1977 bis 1982)
Der Jugend-Nationalspieler hatte einen gar nicht so üblen Plan. Er wechselte von Victoria Hamburg zum FC Bayern, um langfristig den schon 33-jährigen Sepp Maier als Nummer 1 abzulösen. Aber nicht mit dem Sepp! Der ließ kein Spiel aus und spottete: „Mit mir als Torwart wird der Junghans zum Althans!“

Und plötzlich stand der junge Junghans dann doch im Tor. Nach Sepp Maiers schwerem Autounfall 1979 beförderte ihn Trainer Pal Csernai zur Nummer eins. Der Ex-Reservist nutzte seine Chance, wurde mit Bayern 1980 und 1981 Meister. Er fuhr sogar als dritter Torwart mit zur EM 1980 – und wurde auch ohne Spiel wenigstens ein bisschen Europameister.
Restlos überzeugen konnte er in München in seinen 67 Bundesliga-Spielen dann aber doch nicht. Als 1982 Jean-Marie Pfaff kam, ging Junghans – für 25 Jahre. 2007 erinnerte sich Uli Hoeneß an den feinen Kerl, und holte ihn als Torwart-Trainer zurück nach München. Dort wurde Walter Junghans Nachfolger ausgerechnet von Sepp Maier. Vom „Althans“ war aber nicht mehr die Rede.
Manfred Müller (1979 bis 1984)
Als Sepp Maier 1979 plötzlich nicht mehr spielen konnte, heuerte Jung-Manager Uli Hoeneß Routinier Manfred Müller vom ESV Ingolstadt als Junghans-Vertreter an. Doch weil der Hamburger öfter mal wackelte, spielte der Manni mit dem Schnauzer öfter als gedacht.

Müller verlor mit dem FC Bayern das leidige Landesmeister-Endspiel 1982 gegen Aston Villa – und er gewann drei Wochen davor das legendäre Pokalfinale gegen Nürnberg mit Turban-Dieter Hoeneß als Held.
Zehn Jahre später schrieb Manfred Müller nochmal Fußballgeschichte: Seine Fernsehproduktionsfirma MM Film & Video lieferte die Bilder, als die Bundesliga ab 1992 in ein neues TV-Zeitalter aufbrach.
Jean-Marie Pfaff (1982 bis 1988)
Wenn Sepp Maier die „Katze von Anzing“ war – dann war „Die Jean-Marie“, wie er sich selbst gern nannte, die „Katze von Beveren“. Gaudibursch und Weltklassetorwart mit Minipli-Locken: Wenn der FC Bayern einen zweiten Sepp gesucht hat, lag er mit dem frohsinnigen Belgier goldrichtig.
Die Fans liebten den Entertainer, der sich auch mal gemütlich auf einen Klappstuhl hinter sein Tor setzte. Das Motto von „El Sympatico“: „Die Zuschauer zahlen so viel Geld – da müssen wir für gute Unterhaltung sorgen.“ Und noch ein wunderbarer Pfaff-Spruch: „Zuerst musst du ein guter Mensch sein, dann ein guter Torwart.“

Dabei begannen seine sechs Münchner Jahre denkbar katastrophal. Beim Debüt gegen Werder Bremen ließ er einen laaaaaaangen Einwurf von Uwe Reinders unglücklich ins Tor flutschen. Da dachten viele: Was für einen Vogel haben sich die Bayern denn da für eine Rekordablöse von einer Million Mark eingefangen?
Aber der Vogel lernte schnell das Fliegen. Spätestens nach einem gehaltenen Elfmeter von HSV-Star Manni Kaltz wurden die „Jean-Marie“-Sprechchöre im Olympiastadion zum Dauerbrenner. Mit Jung-Konkurrent Raimond Aumann hat er sich am Ende gefetzt (manche sagen: das zweite „e“ ist durch ein „o“ zu ersetzen).
Gesungen hat er auch: „Ich war ein Belgier und jetzt bin ich ein Bayer. Ich trinke Bier und esse Leberkäs’ mit Eier.“
So viel Sepp Maier gab’s beim FC Bayern seit Sepp Maier nicht mehr.
Raimond Aumann (1982 bis 1994)
Er war ein Augsburger, und jetzt ist er ein Münchner – frei nach dem Lied seines Rivalen Jean-Marie Pfaff. Das gilt mittlerweile seit 43 Jahren. Nachdem der jüngere „Balu“ Aumann am Ende das Torhüter-Duell gegen den Belgier gewann, holte er mit seinen Bayern sechs deutsche Meisterschaften, wurde 1988 und 1990 Schlussmann des Jahres – und 1990 als Stellvertreter von Bodo Illgner Weltmeister in Italien.

Eigentlich hatte ihn Teamchef Franz Beckenbauer nach einer bärenstarken Saison im Bayern-Tor als Nummer 1 für die WM eingeplant. Nach drei unglücklichen Gegentoren im Test gegen Uruguay entschied sich der Kaiser aber um – was nichts daran ändert, dass Raimond Aumann bis heute eine Bayern-Legende ist.
Genau diese Aufgabe hat er jetzt auch, nach 27 Jahren in der Fan-Betreuung als Mitglied der „FC Bayern Legenden“. Balu stand im Tor, als Bayern zum Rekordmeister aufstieg. Und viele meinen im Hinblick auf seinen Nachfolger Oliver Kahn: Er war der Titan vor dem Titan.
Toni Schumacher (1991 bis 1992)
Der kölsche Jeck im Tor des FC Bayern – das klingt wie der Kölner Dom am Münchner Marienplatz, wie Kölsch auf dem Oktoberfest. Aber es stimmt wirklich: 1991 und 1992 half Harald Schumacher, den alle nur Toni nennen, für acht Spiele beim FCB aus. Damit sicherte er sich für immer einen Platz im Herzen eingeschworener Bayern-Fans.

Toni sprang ein, als die Not am größten war, als Raimond Aumann mit einem Kreuzbandriss monatelang ausfiel. Später erinnerte er sich: „Mein Freund Raimond Aumann rief mich an und meinte: Pass auf, Toni! Ich werde operiert und Sven Scheuer ist verletzt. Kannst du aushelfen? Der dritte Torwart Gerry Hillringhaus soll spielen. Aber wir brauchen einen erfahrenen Mann auf der Bank, falls noch etwas passiert.“
Toni hatte Bock und einigte sich per Handschlag mit Uli Hoeneß. Er sah sich nach drei Jahren bei Fenerbahce Istanbul auch mit 37 noch nicht als Fußball-Rentner. Als Hillringhaus nicht überzeugte, durfte er ins Tor, spielte klasse – und half mit, die unselige Saison mit Sören Lerby und Erich Ribbeck als Trainer einigermaßen über die Runden zu bringen.
Und das war gar nicht so einfach bei den der Legende nach „schlechtesten Bayern aller Zeiten“. Tonis Rückblick: „Ich habe damals im ganzen Klub Abstiegsangst gespürt, auch bei Uli Hoeneß. Ich konnte gut nachvollziehen, dass er mit einem Abstieg nicht sein Lebenswerk gefährden wollte.“ Am Ende wurde es Platz 10 in der Bundesliga. Die Roten waren mit einem blauen Auge davongekommen.
Hans Jörg Butt (2008 bis 2012)
Butt, Butt, Butt! Der coole Oldenburger war die Elfmeter-Legende – und der erste Bayern-Keeper, der in der regulären Spielzeit ein Tor schoss.
Im Spiel seines Lebens verwandelte Butt 2009 in der Champions League bei Juventus Turin gegen Gigi Buffon den superwichtigen Elfmeter zum 1:1. „Als der Schiedsrichter pfiff, gab mir Bastian Schweinsteiger ein Zeichen – und dann lief ich halt nach vorne“, erinnert er sich. Von da an war die Sache geritzt, seine Bayern gewannen 4:1.

Butt wurde Kult – ohne, dass er das beabsichtigt hatte. Ins Rampenlicht drängen wollte sich das Nordlicht garantiert nicht. Das mit den Elfmetern war zunächst eher Zufall: „Das hatte nichts mit Abenteuern zu tun, das hat sich einfach so ergeben: Wenn sich ein Spieler sicher fühlt, dann tritt er an.“
Bei Juventus Turin fürchten sie „Butt, Butt, Butt!“ bis heute. Denn er hat gleich drei Elfer gegen Juve verwandelt – für drei Klubs, für den HSV, für Leverkusen und für Bayern. 26 Tore hat Hans Jörg Butt allein in der Liga per Elfer geschossen – kein anderer Bundesliga-Torwart kommt auf mehr als zwei Treffer.
Im Norden sagt man nicht umsonst: Wat mutt, dat Butt.
Tom Starke (2012 bis 2018)
Der Super-Sub, der perfekte Ersatzmann, ist der Rekord-Goalie beim FC Bayern. Okay, nicht unbedingt in Sachen Einsätzen, aber in Sachen Effizienz. Tom Starke stand in sechs Jahren nur zwölfmal für den FCB auf dem Platz – holte damit aber 15 Titel. Was für eine Starke-Bilanz! Er hatte beinahe öfter die Hand am Pokal als am Ball.

Genau dafür ist der Sachse 2012 als Stammtorwart der TSG Hoffenheim nach München gewechselt, als Backup für Manuel Neuer: „Damit habe ich mir meinen Kindheitstraum erfüllt.“ Sein Motto: Lieber 12 Spiele und 15 Titel als 200 Spiele ohne Erfolg.
Wenn der starke Tom im Bayern-Tor stand, war auf ihn Verlass. Seine spektakulärste Aktion: 2013 ein per Kopf abgewehrter Elfmeter des Nürnbergers Timmy Simons. Und wenn es um Teamgeist geht, kann er seinen Jungs als Torwart-Trainer im Bayern-Nachwuchs einiges mitgeben: „Nur, weil nicht auf dem Platz stehe, heißt es doch nicht, dass ich keinen Anteil an den Erfolgen meiner Mannschaft habe.“
Pepe Reina (2014 bis 2015)
Die Bayern-Geschichte des Weltklasse-Keepers als Manuel-Neuer-Vertreter begann schon viel früher – genau gesagt 1974, acht Jahre vor seiner Geburt. Denn bei Katsche Schwarzenbecks Last-Minute-Hammer zum 1:1 im ersten Endspiel von Brüssel gegen Atlético Madrid stand auch ein Reina im Tor. Und das war Pepes Papa Miguel Reina.
20 Sekunden waren nur noch zu spielen. Die Spanier führten 1:0 und hatten die Hand schon am Henkelpott, als der Katsche mit dem Mut der Verzweiflung aus 25 Metern abzog. Er traf ins Tor – und mitten ins Herz von Atlético. Der Legende nach hatte Reina senior seine vermeintlichen Sieges-Handschuhe schon als Souvenir einem Fotografen hinter dem Tor geschenkt.

Doch das bestreitet Miguel Reina bis heute: „Man hat viel über dieses Finale geredet. Aber die einzige Wahrheit ist: Der Bayern-Verteidiger hat den Ball gut getroffen – und er war drin. Wir hatten halt Pech.“
Aber wenn’s nicht stimmt, ist es zumindest gut erfunden. Happy End für den FC Bayern: Mit dem souveränen 4:0 im Wiederholungsspiel (2 x Hoeneß, 2 x Müller) ging der Henkelpott zum ersten Mal an die Säbener Straße.
40 Jahre später wurde Miguels Sohn ein Münchner – aber nur für ein Jahr. Pep Guardiola wollte den langjährigen Stammtorwart des FC Liverpool, weil er ähnlich wie Manuel Neuer mitspielen konnte und stark am Ball war. Pepe zog es nach München, „weil ich möglichst viele Titel gewinnen wollte“.
Nach der Meisterschaft 2015 war aber schon wieder Schluss mit dem Spanien-Duo Pep und Pepe, der zurückblickt: „Ich war glücklich in München. Aber es ist eben schwer, wenn du nicht spielst.“ Er zog weiter nach Neapel und beendete seine Karriere nach 988 Profi-Spielen erst diesen Sommer in Como.
Bei aller Verbundenheit zum FC Bayern – die Sache mit dem Katsche stinkt den Reinas bis heute. Sohn Pepe: „Es stimmt schon, der Fußball schuldet Atlético einen Europapokal.“
Sven Ulreich (2015 bis heute)
Vom Stammtorwart beim VfB Stuttgart zum Stellvertreter Manuel Neuers auf Erden – die Verwunderung war groß, als der Schwabe 2015 zum FC Bayern wechselte. Zehn Jahre später bleibt als Fazit: Alles richtig gemacht, Ulle!
Achtfacher Deutscher Meister, zweifacher Pokalsieger, Triumph in der Champions League 2020, und immerhin 103 Spiele für den FCB – höher dekorierte Torhüter gibt es nicht viele.

„In einem Team muss man seinen Platz kennen“, sagt der treue Ulle über seine Rolle als Manuel Neuers Hintermann, der immer parat stand, wenn der „Tag X“ gekommen ist. Nur einmal hatte er genug vom Bankdrücken, ging 2020 zum HSV – und war nach einem Jahr wieder zurück an der Säbener. Dahoam is dahoam!
2025 hat er seinen Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert, und höchstes Lob von Max Eberl erhalten: „Sven Ulreich ist die Verlässlichkeit in Person: Er hält, was er verspricht – im wahrsten Wortsinn.“
Brillante Torhüter, die da waren, wenn man sie brauchte, hatte der FC Bayern eben schon immer – von Fritz Kosar bis Sven Ulreich.
Über den Autor: Unser Kolumnist, der „Balkonpoet“, war schon vor der WM 1974 als kleiner Münchner Bub überzeugt: „Der FC Bayern wird Weltmeister – weil da Franz Beckenbauer und Gerd Müller mitspielen.“
Gut, den Unterschied zwischen Vereinsfußball und Nationalelf musste er noch lernen. Aber an seiner Grundüberzeugung hat sich nichts geändert: Ein Spiel dauert 90 Minuten, und am Ende gewinnt der FC Bayern. Zumindest meistens.
In den Säbener Stories verbindet er jahrzehntelange Bayern-Leidenschaft mit einem amüsanten und unterhaltsamen Blick auf die Mannschaft von heute. Pack ma’s, Vincent!
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