
Säbener Stories – das ist die Kolumne für alle, die den FC Bayern München leben und lieben. Hier geht es um die ruhmreiche Vergangenheit und die spannende Gegenwart des Rekordmeisters.
Thema diesmal: Zweimal die Nummer 9, ein gemeinsames Vermächtnis. Gerd Müller, der gerade seinen 80. Geburtstag gefeiert hätte, und Harry Kane – zwei Tor-Giganten, ein gemeinsames Ziel: Das Runde, es muss möglichst oft rein ins Eckige.
Der Bomber & The Bomber. Wie viel Gerd steckt in Harry?
I. Kleines dickes Müller? Kleines dickes Kane!
„Was soll ich mit diese kleine dicke Müller? Sind wir Gewichtheber?“ Bayern-Trainer Tschik Čajkovski verzieht 1964 das Gesicht, als er den stämmigen Neuzugang aus Nördlingen mustert.
Aber Sepp Maier erkennt bald: „Er konnte Haken schlagen wie ein wildes Kaninchen auf der Flucht.“ Und so hört Gerd Müller 15 Jahre lang einfach nicht mehr auf mit dem Toreschie ßen.

Auch Harry Kane hört früh: „Nicht fit genug, zu langsam.“ Arsenal sortiert „Little thick Harry“ als Kind aus. Jugendtrainer Liam Brady: „Leider haben wir ihn abgewiesen. Er war dick und nicht wirklich athletisch. Wir haben uns geirrt.“
Als junger Profi bei den Spurs verliert Kane zehn Kilo, halbiert annähernd seinen Körperfettanteil. „Dieser Wille brennt wie ein Feuer in mir“, sagt er heute. Zwei Stürmer, zwei Generationen – aber eine ähnliche Geschichte: Erst belächelt, dann verehrt.
II. Die Elfmeter-Könige: Eiskalt vom Punkt
70 Elfer verwandelt Gerd Müller für den FC Bayern. Allein in der Bundesliga sind es 51 – nur Bananenflanken-König Manni Kaltz vom HSV trifft noch zweimal öfter.
Allerdings verschießt der Bomber auch zwölfmal. Wahre Legenden dürfen eben Schwächen haben, siehe Franz Beckenbauers kuriose vier Eigentore in den 70ern.
Instinkt-Fußballer Müller verzichtete beim Elfmeter bewusst auf Finten oder Verzögerungen, wartete nie auf den Torwart, taktierte nicht. Das machte ihn relativ berechenbar. Seine Methode: kurzer Anlauf, schneller Abschluss. Motto: „Man muss sich einfach trauen. Nie zaubern.“
Trotzdem ist die Torquote des Bombers auch bei den Elfmetern natürlich herausragend.

Harry Kane perfektioniert die Kunst des Elfmeterschießens. 31 in Serie verwandelt er zwischen 2023 und 2025. Aktueller Stand in der Bundesliga: 18 Elfer, 18 verwandelt. Da muss man kein Mathe-Genie sein, um auszurechnen: 100 Prozent Trefferquote.
„Mr. Penalty“ trainiert an der Säbener jeden Elfer wie im Stadion: mit Pfiff, mit Fokus, ohne Ablenkung: „Sieben Schritte, dann schießen. Ich halte immer an der Routine fest.“
Seit der WM 2022, als er einen Elfer gegen Frankreich vergibt, variiert er die Technik: mal eiskalt in die Ecke, mal wartend im Neymar-Stil.
Gerd Müller und Harry Kane: Der eine verlässt sich auf den Instinkt – der andere macht’s zur Wissenschaft. Ergebnis: Beide treffen unübertrefflich.
III. Torquoten für die Ewigkeit
Gerd Müller und seine 365 Bundesliga-Tore – es macht quasi an jedem Tag des Jahres einmal „Bumm“. Diese legendäre Zahl können Bayern-Fans bis heute auswendig aufsagen.
Ebenso unvergessen: 68 Länderspieltore in 62 Spielen. Das macht einen Schnitt von 1,097 Treffern pro Partie.

Diese Zahl führt direkt zu Harry Kane – der mit 74 Toren in 72 Bundesligaspielen und einem Schnitt von 1,028 auf eine ganz ähnliche, Müller-artige Quote kommt.
„Harry hat brutale individuelle Klasse“, staunt Thomas Müller. Und Kalle Rummenigge erinnert an Bomber Müller, mit dem er von 1974 bis 1979 die Tormaschine angeworfen hat: „Ein Schritt vor, zurück, vor, zurück – dann hatte er ein paar Zentimeter Platz. Das reichte ihm.“
Den einen oder anderen Rekord beim FC Bayern wird Harry Kane garantiert noch knacken. Motto: Then it makes Bumm!
IV. Strafraum-Könige – die Kunst der kurzen Wege
„Der Strafraum war mein Reich“, sagte Gerd Müller. Drinnen lauerte er, bewegte sich durch seinen niedrigen Schwerpunkt minimalistisch, maximal effektiv. Sein Markenzeichen war die Drehung aus dem Nichts, dann der Schuss: „Wennst denkst, is’ eh zu spät.“ So wurde das „Müllern“ zur Berufsbezeichnung.

Harry Kane? Gleiche Disziplin, gleiche DNA. Während andere mit Tempo glänzen, regieren Kane und Müller mit Antizipation, Körperbeherrschung, Kaltschnäuzigkeit.
„Er hatte diese Schusstechnik schon mit 14“, erinnert sich ein Jugendcoach an den jungen Kane. Beide riechen Tore, bevor der Pass kommt. Die Stürmer-DNA steht bei ihnen für: Dauerhafte Netz-Ausrichtung.
V. Führung durch Taten, nicht durch Worte
Gerd Müller redete nicht viel – er traf lieber. „Gerd und ich, wir waren wie Brüder“, sagte Franz Beckenbauer. „Bescheiden, charmant, freundlich“, erinnert sich Hermann Gerland. Wenn der Bomber – selten genug – nicht getroffen hat, wurde er in der Dusche stocksauer. Doch sonst war Gerd der stille Held, der immer lieferte.
Harry Kane führt genauso: „Man kann auf unterschiedliche Weise ein Anführer sein. Ich will mit Leistung vorangehen.“ CEO Jan-Christian Dreesen nennt ihn einen „360-Grad-Stürmer – kein Egomane, ein Vorbild.“
Gerd Müller ließ Tore sprechen, Harry Kane lässt Leistung strahlen. Beide stehen für das, was den FC Bayern seit jeher groß macht: Disziplin, Demut, Dominanz.
VI. Gestern Kartoffelsalat, heute Katie
Gerd Müller liebte seine Uschi. Und ihren Kartoffelsalat. „Der beste der Welt“, schwärmte er oft von seinem Leib- und Magengericht. Tochter Nicole wurde sein Ruhepol. 1974 zog sich Familienmensch Gerd aus der Nationalelf zurück, für mehr Zeit mit seinen Liebsten.

Harry Kane? Seit 2019 mit Jugendliebe Katie verheiratet, vier Kinder: Ivy, Vivienne, Louis, Henry. „Nach dem Hattrick heißt es zuhause: Mach mir einen Tee“, verrät er schmunzelnd. „Katie bringt mich auf den Boden zurück, das liebe ich.“ Kane zeigt sich oft mit der Familie, gründet eine Stiftung für mentale Gesundheit. Auch hier: Vorbildfunktion.

Zuhause war und ist für den Bomber und The Bomber Rückzugsort und Energiequelle. Zwei Generationen, eine Wahrheit: Das Herz schlägt nicht nur im Strafraum – sondern vor allem auch daheim.
4ever Gerd. Und bestimmt auch bald: 4ever Harry.
Über den Autor: Unser Kolumnist, der „Balkonpoet“, war schon vor der WM 1974 als kleiner Münchner Bub überzeugt: „Der FC Bayern wird Weltmeister – weil da Franz Beckenbauer und Gerd Müller mitspielen.“
Gut, den Unterschied zwischen Vereinsfußball und Nationalelf musste er noch lernen. Aber an seiner Grundüberzeugung hat sich nichts geändert: Ein Spiel dauert 90 Minuten, und am Ende gewinnt der FC Bayern. Zumindest meistens.
In den Säbener Stories verbindet er jahrzehntelange Bayern-Leidenschaft mit einem amüsanten und unterhaltsamen Blick auf die Mannschaft von heute. Pack ma’s, Vincent!
Themen dieses Artikels
