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„Haben uns Leichtigkeit und Selbstbewusstsein zurückgeholt“

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„Haben uns Leichtigkeit und Selbstbewusstsein zurückgeholt“

Seit vergangenen Sommer coacht Niko Kovac den FC Bayern. In diesen sechs Monaten hat er wohl alle Phasen des Trainer-Daseins an der Säbener Straße erlebt. Nach sieben Siegen zum Auftakt folgte eine schwerere Phase, welche der 47-Jährige mit seiner Mannschaft aber meisterte und die Hinrunde mit acht Spielen ohne Niederlage beendete. Im ausführlichen Interview mit fcbayern.com zieht Kovac Bilanz des letzten halben Jahres, erklärt, warum kurzzeitig positive Ergebnisse ausblieben und wie der FCB den Weg zurück in die Erfolgsspur fand. Außerdem blickt der Fußballehrer voraus auf 2019 und sagt, was die Fans vom deutschen Rekordmeister erwarten können.

Das komplette Interview mit Niko Kovac

Es war ein turbulentes halbes Jahr, das jetzt mit drei Siegen am Stück jeweils ohne Gegentor zu Ende ging. Mit welchem Gefühl verbringst du die Winterpause?
Niko Kovac: „Dem Gefühl, dass wir wieder der FC Bayern vom Saisonstart sind, dass wir uns unsere Leichtigkeit und das Selbstbewusstsein zurückgeholt haben – und dass die Jungs heiß sind, in der Rückrunde alles aus sich rauszuholen und Borussia Dortmund einen erbitterten Kampf liefern.“

Du bist seit rund einem halben Jahr zurück in München, wie blickst du auf die sechs Monate zurück?
Kovac: „Es war ein halbes Jahr mit vielen Facetten. Sehr emotional - und sicher nicht langweilig. Wir hatten sehr viele gute Phasen, aber auch schwierige zu überstehen. Aber: Wir sind unter dem Strich auf einem guten Weg und können letztlich doch ein positives Fazit dieser sechs Monate ziehen. Erstmals seit zehn Jahren hat der FC Bayern die Champions-League-Gruppenphase ohne Niederlage überstanden, im DFB-Pokal sind wir weiter und in der Bundesliga wieder dran.“

Der Saisonstart war erfolgreich und die ersten sieben Spiele wurden - mit tollem Fußball - gewonnen. Hättest du das so erwartet?
Kovac: „Natürlich habe ich uns einen guten Start gewünscht. Dafür hatten wir in der Vorbereitung sehr hart gearbeitet. Wir haben die Spiele dominiert. Die Jungs wollten sich beweisen, nachdem ein neuer Trainer da war. Dementsprechend stark waren auch die Leistungen im Training und bei den Spielen. Dann gab es leider einen kleinen Knick. Wir hatten uns als Trainerteam sehr viele Gedanken gemacht: wieso, weshalb, warum. Vielleicht haben wir uns ein bisschen zu sehr von dem beeinflussen lassen, was uns suggeriert wurde: Dass wir unschlagbar seien, dass wir wieder mit großem Abstand Meister werden. Das schleicht sich ins Bewusstsein ein - und dann fehlen bei jedem ein bis zwei Prozent. Dann reicht es in der Summe nicht mehr. Die Bundesliga ist meiner Meinung nach sehr viel ausgeglichener und stärker als letztes Jahr. Deswegen mussten wir uns strecken. Aber die Jungs haben sich gefangen. Mit dem Champions-League-Spiel gegen Benfica haben wir gezeigt, dass wir gut nach vorne spielen, Chancen kreieren und Tore erzielen können.“

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Wie hast du die schwere Phase im Oktober/November und die Kritik an deiner Person erlebt?
Kovac: „Ich habe das von mir so weit wie möglich ferngehalten. Ich wollte frei entscheiden; einzig auf der Grundlage meiner Eindrücke im Training. Das habe ich bis zur Winterpause durchgezogen. Ich verzichte quasi seit rund vier bis fünf Monaten auf Medienberichte. Ich fühle mich gut dabei, das belastet mich nicht. Das ist der springende Punkt. Wenn dich Sachen belasten, dann entscheidest du nicht frei. Und das musst du.“

Du hast dann auch das System leicht verändert. War das der Hauptgrund für die Wende?
Kovac: „Es war schon ein sehr wichtiger Punkt, dass wir uns entschieden haben, dass wir die Mitte unbedingt schließen müssen. Die Gegner erwarten uns meist tief und versuchen, bei Ballgewinn schnell in die Tiefe zu spielen. Die Umstellung hatte zudem den Effekt, dass wir unsere starken Außenspieler besser ins Spiel gebracht haben. Und auch die Entscheidung, Richtung Winterpause pro Spiel nicht mehr ganz so viele Startelf-Wechsel vorzunehmen, war sicherlich von Vorteil. Die Mannschaft hat sich gefunden und jeder wusste, dass er mit Top-Leistungen im Team bleiben würde.“

Welches war aus deiner Sicht das beste Spiel in dieser Hinrunde?
Kovac: „Ich finde, dass wir gerade am Anfang sehr gute Spiele gezeigt haben. Auf Schalke zum Beispiel, als wir 2:0 gewonnen haben. Da haben wir den Gegner dominiert. Aber auch die Letzten waren gut, wie in Hannover. Das sah auch spielerisch richtig top aus. Es gab aber auch einige Leistungen, mit denen ich nicht zufrieden war.“

Welches Spiel würdest du am liebsten vergessen?
Kovac: „Niederlagen tun immer weh, gerade wenn sie zuhause passieren. Wir haben in Berlin und Dortmund verloren. Aber das 0:3 gegen Gladbach in der Allianz Arena war ein Nackenschlag. Die Jungs haben sich danach allerdings wieder herausgekämpft. Wenn sie gepikst werden, dann haben sie bisher immer eine sehr gute Reaktion gezeigt.“

„Die Jungs haben einmal mehr gezeigt, dass sie mit Kritik umgehen können.“

Niko Kovac

Das letzte Heimspiel gegen Leipzig war sehr emotional. Mit dem goldenen Tor von Franck Ribéry kurz vor dem Ende…
Niko Kovac: „Es war ein tolles Erlebnis. Wir haben über 90 Minuten defensiv gegen einen starken Gegner nicht viel zugelassen. Zum Schluss haben wir auch offensiv nochmal zulegen können. Als wir dann das Tor gemacht haben, fiel der gesamte Ballast von uns und den Zuschauern ab. Es war ein wichtiger Sieg!“

Welche Entwicklung siehst du in der Mannschaft und bei den Spielern?
Kovac: „Ich glaube, dass man bei jedem – gerade bei den etwas jüngeren Spielern – sieht, dass jeder Tag, jede Woche, jeder Monat hilfreich war in der Entwicklung. Auch die Arrivierten haben sich noch einmal entwickelt. Sie zeigen immer wieder, was sie können. Das ist auch die Stärke des Klubs. Die Spieler sind nie zufrieden, jeder will immer mehr. Bei jedem Pass, jedem Tackling, jedem Kopfball. Im Training und in den Spielen. Von der Mentalität haben wir auch zugelegt: Die Jungs haben einmal mehr gezeigt, dass sie mit Kritik umgehen können - und wenn es eng wird, sind sie nervenstark und voll fokussiert.“

Was hast du für dich in den letzten sechs Monaten gelernt?
Kovac: „In diesem Geschäft geht es sehr schnell. Was gestern noch gut war, ist plötzlich am nächsten Morgen schlecht. Du musst Ruhe bewahren. Das haben mir meine Trainer schon früher immer gesagt. Ich hatte zum Glück einige sehr gute. Ich verfalle nie in Panik.“

Und dann wartet im Februar / März das Champions-League-Duell mit dem FC Liverpool, auf das sich jeder freut. Kann man da jetzt während der freien Tage als Trainer überhaupt abschalten oder ist die Vorfreude zu groß?
Kovac: „Man muss abschalten. Wir sind permanent unter Strom, es geht jeden Tag um Fußball. Ich werde versuchen auszuspannen. Liverpool ist sicher ein toller Gegner und eine große Herausforderung für die Mannschaft und mich. Aber bis dahin haben wir noch fünf Liga- und ein Pokalspiel. Die wollen wir erfolgreich bestreiten. Wir müssen uns auf die Hausaufgaben in der Liga und im Pokal konzentrieren - und dann schauen wir, was in der Champions League möglich ist. Wir werden auf alle Fälle perfekt vorbereitet sein.“

Kurz und knapp: Was versprichst du den Fans für die zweite Saison-Hälfte?
Kovac: „Das wir hart arbeiten, dass wir uns von nichts und niemandem beirren lassen und alles für den Erfolg tun werden. Wir möchten am Ende der Rückrunde mit unseren Fans feiern.“

Das Interview führte: Marius Achatz