Tief im Herzen Brasiliens, Stunden entfernt von der Zivilisation, betreibt Giovane Elber (Foto: © Valeska Jimenez) eine Rinderfarm. Vor über 20 Jahren begann er, vom Fußballer auf Cowboy umzusatteln. Der FC Bayern reiste nun mit ihm auf die Fazenda. Die ausführliche Geschichte lesen Sie in unserem Mitgliedermagazin „51“.
Vom Goalgetter zum Cowboy
Jeden Morgen ist es ein Ritual, das Leben retten kann: Giovane Élber klopft seine Schuhe aus. Erst den einen, dann den anderen, prüfend fährt er mit der Hand hinein, vorsichtig, denn über Nacht könnte sich was eingenistet haben: Ein Skorpion, eine Spinne, eventuell sogar eine gewitzte Schlange. Platz in Élbers Schuhen wäre genug; er trägt Stiefel. Sein Outfit komplettiert ein Westernhemd, eine Jeans mit großer Schnalle und Messer am Gürtel sowie ein breiter Sonnenhut. Wenn Giovane Élber hier, auf seiner Fazenda São Paulo mitten im Herzen von Brasilien, vor die Haustür tritt, gibt der langjährige Bayern-Star das Paradebeispiel eines Cowboys ab.
Das mit den tierischen Fazenda-Gästen ist mit das erste, das Élber Besuchern erklärt. Soll ja keinem was passieren. Das Personal schaut regelmäßig unter sämtliches Mobiliar, alles blitzsauber, aber einmal sah sich Élber tatsächlich mit einer Schlange konfrontiert: Als er in einem Verwaltungshaus unten am See den Schrank öffnete. Grau, braun, schmal, giftig, beschreibt er sie. Mit einem langen Messer beförderte er sie raus in den Dschungel. Angst hatte er keine, aber Respekt. Das müsse man haben, sagt er. „Zu einem Krankenhaus braucht man von hier aus sehr, sehr lange.“ Die nächste größere Stadt heißt Cuiaba und ist eine Schotterpistenautofahrt entfernt, die sich ziehen kann. „Wir sprechen hier nie in Zeitangaben, nur in Kilometern“, so Elber. „Man kann einfach nie genau sagen, wie lange man braucht.“ Diesmal waren es vier Stunden.
Élbers Farm erstreckt sich auf einer Fläche von über 10.000 Hektar
1999 hat Élber die Farm Sao Paulo gekauft, 2003 und 2005 erstand er auch noch die Nachbar-Fazendas San Jose und Paraíso. Insgesamt sind es rund 10.000 Hektar, auf denen er Rinder züchtet, aktuell 4500 an der Zahl, es sollen mal 7000 werden. Sein Vater hatte ihm geraten, sich eine Farm zuzulegen. „Mein Papa hatte Flugangst, er konnte mich in Europa kaum besuchen“, da wollte Élber die verlorene Zeit nach dem Karriereende gemeinsam nachholen. „Leider ist mein Papa 2006, kurz vor meinem Abschied aus dem Fußball gestorben. Er war zwei Mal hier und ich weiß, er würde es lieben“, erzählt Élber.
„Wenn ich hierherfahre, denke ich immer, Papa sitzt neben mir auf dem Beifahrersitz. Ich weiß, er schaut uns von oben zu.“ Zwei, drei Mal im Jahr kommt Élber auf seiner Fazenda vorbei, jeweils für gut zehn Tage. Seine Familie lebt in Londrina, 1700 Kilometer entfernt, da bedeuten Visiten einen Aufwand. Doch Élber liebt es, alles vor Ort zu inspizieren. Seine Frau Cinthia und die beiden Kinder begleiten ihn, wenn ihnen nach Urlaub auf der Fazenda ist.
„Schlimmer als nach einem Training mit Felix Magath“
Von den 13 Mitarbeitern, die mit ihren Familien hier leben, gibt es pro Farm je zwei Cowboys, denen 50 Arbeitspferde zur Verfügung stehen. „Ein Cowboy steht um vier Uhr auf, um 10 Uhr isst er schon zu Mittag und um 19 Uhr geht er ins Bett. Das ist unser Leben hier draußen“, so Élber. „Ohne die Gauchos geht auf einer Farm gar nichts, und ohne Pferde wäre die Verletzungsgefahr zu groß.“ Er ist selbst ein guter Reiter geworden, seitdem er zum Ende seiner Fußballkarriere angefangen hat. Man braucht Sitzfleisch, denn auf der Fazenda kommt man mit dem Auto längst nicht überall hin.
Die Regenperiode liebt Élber bei seinen Besuchen am meisten. „In der Trockenzeit ist alles, was grün sein soll, braun und grau, es hat 42, 45 Grad, ganz schrecklich – was sollen meine Rinder fressen?“, erzählt er, während er sein Auto querfeldein lenkt. „Das ist wie in einer Waschtrommel, und abends tut dir alles weh, schlimmer als nach einem Training mit Felix Magath.“ Auf seinen Kontrolltouren macht Elber überall Station; er dreht in einem Traktor – er hat vier davon – eine Runde, dann untersucht er Graswurzeln nach Schädlingen, er prüft die Trockenfutterproduktion und besucht seine Mitarbeiter. Auch der Stopp an den beiden Wasserpumpen ist ein Muss. „Unsere Goldmine“, sagt er.
Es gibt alles, was man braucht. Sofern kein Stromausfall ist, kann man sogar Bundesliga und Champions League empfangen. „Aber ich mag es auch, wenn wir mal keinen Strom haben“, so Élber: „Kein Fernsehen, kein Internet, kein Handy – tut gut, ist richtig entspannend.“
Auch im fernen Brasilien sind Élbers Gedanken beim FC Bayern - wie dieses Motivationsvideo zum Rückrunden-Auftakt der U17 beweist:
Grillabende für die Belegschaft
Für seine Mitarbeiter organisiert er Grillabende, wenn er zu Besuch ist, alle acht Wochen schlachtet er zwei Rinder, um sie an die Angestellten zu verschenken, und einmal im Monat besorgt er samstags einen Bus in den nächsten Ort. Der fährt um vier Uhr morgens los und kommt gegen 22 Uhr zurück, eine Strecke dauert ca. vier Stunden. Die Familien kaufen dann Bohnen, Reis, Mehl. Wenn sie einmal Party machen wollen, sind die Möglichkeiten bedauernswert überschaubar. Um die Ecke stehen ein paar Häuser, es gibt eine Bäckerei, eine kleine Kirche – und eine Art Saloon, in der man Musik hören und Bier trinken kann. Um die Ecke, was heißt das? Élber lächelt: „Naja, zu Fuß eine Stunde.“
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