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Rummenigge im Corona-Dialog: „Fußball bietet aktiv Lösungen“

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Corona-Dialog mit Rummenigge & Virologe Prof. Dr. Streeck

Die Infektionszahlen steigen – was bedeutet das für die Rückkehr der Fans in die Fußballstadien? FC Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und der Virologe Professor Dr. Hendrik Streeck haben sich zu einem konstruktiven Austausch in schwierigen Zeiten verabredet. Das ausführliche Gespräch lesen Sie im aktuellen FC Bayern-Mitgliedermagazin „51“.

Der Dialog mit Karl-Heinz Rummenigge und Hendrik Streeck

Herr Professor Streeck, bevor wir uns diesem sehr ernsthaften Thema, den Auswirkungen von Corona auf unsere Gesellschaft und den Fußball, widmen, kurz zum Einstieg noch eine eher lockere Frage: Sind Sie eigentlich Fußballfan? Und wenn ja, von welchem Verein?
Hendrik Streeck: „Als Kind habe ich Fußball im Verein gespielt und war ein großer FC Bayern-Fan. Dann wurden andere Interessen wichtiger, aber zu einer WM oder EM schalte ich ein. Im Moment habe ich leider viel zu wenig Zeit für das, was man als Freizeit bezeichnen kann. Im Großen und Ganzen bin ich heute ein neutraler Fan.“

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Karl-Heinz Rummenigge: „Neutral ist ja oft nicht das Schlechteste. Herr Streeck, wie sehen Sie die Situation im deutschen Fußball mit Blick auf Corona – was haben wir in den letzten sechs Monaten gut, was haben wir schlecht gemacht?“

Streeck: „Was mir an der Fußballbranche gefällt, ist, dass sie früh angefangen hat, aktiv Lösungen anzubieten. Ganz zu Beginn von Corona wusste man ja noch gar nicht, mit was man es da genau zu tun hatte. Vor diesem Hintergrund waren die tiefen Einschnitte in unseren Alltag vertretbar. Aber im Verlauf haben wir gelernt, die Gefahr einzuschätzen: Aus der Gefahr ist ein Risiko geworden. Vielleicht haben wir bald einen Impfstoff – vielleicht aber auch nicht. Also müssen wir Wege finden, wie wir mit dem Virus leben können. Dazu gehört auszuprobieren, was mit einem Hygienekonzept funktioniert und was nicht – und da hat der Fußball schon früh erste konstruktive Schritte entwickelt.“

Aktuell steigen die Infektionszahlen überall, leider besorgniserregend und dramatisch: Hat Deutschland generell mit Blick auf Corona die richtige Strategie für den Herbst?
Streeck:
„Wir brauchen meiner Meinung nach eine Anpassung unserer Strategie. Die Infektionszahlen steigen – aber nicht so stark die Anzahl der schwer erkrankten Patienten. Daher müssen wir jetzt, wo wir diese Diskrepanz sehen, die Faktoren der medizinischen Belastung und die Anzahl der Tests in die Maßnahmen miteinbeziehen, die wir ergreifen. Mein Vorschlag wäre, anhand der mathematischen Daten, die wir nun seit sechs Monaten sammeln, ein intelligentes System aller Faktoren zu berechnen und dann beispielsweise in spezifischen Ampelmodellen darzustellen.“

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Unsere Kernfrage in diesen schweren Zeiten lautet: Wieviel Risiko darf der Fußball bei der Rückbefüllung der Stadien für die Gesellschaft denn aus Ihrer Sicht auf sich nehmen?
Streeck:
„Ich finde, es ist eine wichtige Chance für die Gesellschaft. Denn wir müssen neue Erkenntnisse gewinnen, um unser Leben mit dem Virus vernünftig zu regeln. Wir wissen noch immer viel zu wenig über Covid-19. Daher ist meine Meinung, dass wir kalkulierbare Risiken eingehen müssen, um Wege in eine neue Lebenswirklichkeit zu finden. Es geht heute ja nicht mehr um potenzielle Super-Spreading-Events, wie sie am Anfang der Pandemie zustande kommen konnten, denn wir reden jetzt von ganz detaillierten, sorgfältig geplanten und behutsamen Veranstaltungen, die von Hygienekonzepten begleitet werden. Mein Vorschlag wären idealerweise Stadionbesuche mit Hygienekonzepten plus einer wissenschaftlichen Begleitung. Man muss genau schauen, wie sich die Zahlen im Anschluss entwickeln, und daraus Schlüsse ziehen.“

Rummenigge: „Wir haben ein 50 Seiten fassendes Konzept für die Allianz Arena, alles ist sehr genau mit dem Gesundheitsamt abgestimmt. Können schnellere Tests zusätzlich eine Lösung sein?“

Streeck: „Schnellere Tests sind auch meine Hoffnung für viele Lebensbereiche. Es gibt Firmen, die daran arbeiten, binnen 90 Sekunden ein Ergebnis zu bekommen. Diese Tests sind nicht zu 100 Prozent sensitiv, aber sie würden enorm helfen, um das Infektionsgeschehen zu kontrollieren und die Leute herauszufiltern, die das Virus weitergeben. Eine Überlegung wäre auch, jeden Stadionbesucher zu einem Test fünf Tage nach dem Spiel zu verpflichten. Dann könnte man die Infektionsketten nachvollziehen. Der Ansatz sollte sein, pragmatische Lösungen zu finden, ohne pauschal zu verbieten.“   

Rummenigge: „Unser Wunsch wäre es, einen Weg zu finden, uns heranzutasten.“ 

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Streeck: „Und ich glaube, das ist machbar. Nehmen wir einmal an, wir hätten eine Serie von fünf Spielen mit Zuschauern, bei denen es jedes Mal mit fünf Tagen Abstand eine Testung gab – und es kam zu keiner Cluster-Bildung, zu keinen großen Übertragungen. Dann könnte man fundiert über weitere Schritte reden. Wir sollten dieser Pandemie natürlich mit aller Vorsicht begegnen, aber auch zu einem gewissen Grad souverän und nicht ausschließlich ängstlich.“  

Rummenigge: „Es ist uns allen klar, dass die Gesundheit der Menschen an erster Stelle stehen muss. Das ist die Basis aller Überlegungen, und wir müssen das ganze Thema mit einem Höchstmaß an Sensibilität angehen. Ich finde, die DFL und die Vereine haben sehr ordentliche Modelle erarbeitet und seriös umgesetzt. Und inzwischen wurden unsere Hygienekonzepte weiterentwickelt, alles stets in enger Abstimmung mit den zuständigen Gesundheitsbehörden sowie der Politik. Dass wir alle umsichtig mit dieser Pandemie umgehen müssen, steht außer Frage. Vernunft muss immer das oberste Gebot sein.“

Streeck: „Dinge auszuprobieren, das gehört zu einem erfolgreichen Prozess. Die entscheidende Frage ist, wie man Schritt für Schritt eine achtsame Normalität erreicht. Und das gelingt nur, indem man – immer mit der gebotenen Vorsicht – auslotet, was möglich ist und was nicht. Wir registrieren gerade sehr viele Infektionen, die ohne oder nur mit milden Symptomen verlaufen. Das bedeutet, diese Menschen geben das Virus nicht weiter, sind zum Teil immun und tragen daher nicht mehr zum Pandemiegeschehen bei. Die Infektionszahlen sind aktuell höher als im April, das kann man aber nicht vergleichen, weil heute viel mehr getestet wird. Man muss das im Verhältnis sehen. Wir müssen Leben schützen, so gut es geht – und Leben zulassen, soweit es geht.“

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Ist Chaos unausweichlich, wenn sich die Stadionbesucher nicht an die Hygienekonzepte halten?
Streeck:
„Unverantwortliche gibt es leider in jedem Lebensbereich. Das Problem ist nicht im Stadion. Da macht ein Virus nicht die große Runde, da die Kontakte limitiert sind, wenn sich die Leute an die Auflagen halten. Die An- und Abreise ist schwieriger, da müssen die Leute erst recht diszipliniert sein. Mit dem Bewusstsein, das die Menschen über die Monate entwickelt haben, glaube ich, die Gefahr eines Super-Spreaders wie rund um das Spiel in Bergamo ist heute um einiges geringer als im Frühjahr. Die Menschen sind jetzt besser vorbereitet und sich der Situation bewusster – im Frühjahr traf diese Pandemie unsere Gesellschaft ja im Grunde gänzlich unvorbereitet. Und wir müssen auch für Eigenverantwortung plädieren: Wenn jeder Einzelne mitmacht, können Fußballspiele mit Zuschauern stattfinden. Man muss sich als Gesellschaft gerade in so einer Pandemie klar sagen: Wir achten aufeinander.“

Wie wichtig wären Zuschauer im Stadion aus gesellschaftspolitischer Sicht? Die Wiederaufnahme des Spielbetriebs der Bundesliga war ja auch ein Zeichen.
Streeck:
„Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten sind elementar und stehen selbstverständlich immer an erster Stelle. Aber das bedeutet nicht, dass nicht parallel Maßnahmen ausgelotet werden können. Fußball ist ein Sinnbild dafür, was eine Gesellschaft ausmacht – und Fußball hat im Vergleich zu vielen anderen Bereichen enormen Einfluss auf das Leben der Menschen. Wenn man beim Fußball aufzeigen kann, was funktioniert, kommt das bei den Menschen an. Hier liegt ein enormes Chancenpotenzial.“ 

(Fotos: Dominik Asbach, Dirk Bruniecki) 
Das ausführliche Gespräch gibt es in der aktuellen Ausgabe unseres Mitglieder-Magazins „51“. Die neue Augabe ist vorwiegend den Fans gewidmet:

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