Fotos: © Fritz Beck
In zehn Jahren beim FC Bayern hat Jérôme Boateng alles gewonnen. 24 Titel, darunter zwei Mal das Triple. Jupp Heynckes riet ihm einst, das Spiel zu genießen, so reifte der „Boss“ zum Vorzeigemodell eines modernen Verteidigers – und war nie der Typ nullachtfünfzehn. Das ausführliche Abschieds-Interview gibt es im Mitgliedermagazin „51“.
Das Interview mit Jérôme Boateng
Jérôme, wenn du daran denkst, wie du vor zehn Jahren nach München gekommen bist, was würdest du dem Jérôme von damals mit auf seinen Weg geben?
„Dass er es noch mehr genießen soll, auf dem Platz zu stehen, dass er frei aufspielen soll. Man sieht es vielleicht nicht, aber ich bin schon ein besessener Typ, will alles perfekt machen. Gerade in der ersten Saison war ich vor Spielen sehr nervös und verkrampft, deswegen sind mir ein paar Fehler passiert. Ich habe überhastet den Ball gespielt, mir sind dumme Fouls unterlaufen. Jupp Heynckes war damals sehr wichtig für mich, er hat gesagt: ‚Jérôme, du hast alles, aber du musst ruhiger Fußball spielen. Genieß es.‘ Das kam dann alles mit der Zeit.“
Du hast dich entwickelt, der Klub ebenfalls. Hattest du dir 2011 vorstellen können, gemeinsam in so eine Ära aufzubrechen?
„Das Erste, wovon ich geträumt habe, als ich zu Bayern kam, war, mal Deutscher Meister zu werden – und Champions League zu spielen. Es war dann eine extreme Erfahrung, es gleich bis ins ‚Finale dahoam‘ zu schaffen und dort so krass zu scheitern. Ein Jahr später haben wir dann tatsächlich den Henkelpott geholt. Als Kind hatte ich immer die Finals geguckt, zu Hause auf unserem kleinen Fernseher. Selbst mal den Pokal hochzuhalten, das war schon unglaublich.“
Musstest du dich mehr an den FC Bayern gewöhnen oder der FC Bayern mehr an dich?
„Ich glaube nicht, dass es bei Bayern vorher so einen Typ gab wie mich. Ich bin halt nicht nullachtfünfzehn. Aber natürlich musste ich mich auch an Bayern gewöhnen. Diesen Druck, jedes Spiel gewinnen zu müssen, kannte ich vorher nicht. Aber es hat total zu mir gepasst. Ich hasse es zu verlieren, schon als Kind war das für mich immer eine Katastrophe.“
Hier geht es zur großen Abschieds-Doku über Jérôme Boateng:
Du wurdest zum Prototyp des modernen Verteidigers, dem es nicht mehr nur darum geht, den gegnerischen Stürmer zu stoppen.
„Der Job ist heute vielfältiger als früher. Klar, die Abwehrarbeit ist immer noch das Wichtigste für einen Innenverteidiger, aber die Anforderungen sind gestiegen. Man muss auch im Spielaufbau Verantwortung übernehmen, viel sprechen, die Mannschaft von hinten coachen.“
Wie hast du es geschafft, über so einen langen Zeitraum Topleistung zu bringen?
„Das ist der Anspruch an mich selbst. Ich wollte mich immer weiterentwickeln, immer das Größtmögliche erreichen. Schon drei, vier Tage nach dem WM-Titel 2014 habe ich wieder mit Fitnesstraining angefangen und habe mich auf die neue Saison gefreut. Ich mag auch den Konkurrenzkampf, wollte immer zeigen, was ich kann. Zehn Jahre lang für Bayern so viele Spiele zu machen, kommt nicht von ungefähr.“
Wenn du die jungen Verteidiger von heute siehst: Erkennst du dich wieder?
„Ich sehe schon viele Parallelen, bei Tanguy Nianzou zum Beispiel. Er ist auch schnell und zweikampfstark, er erkennt Situationen. Er ist sogar kopfballstärker, als ich es in seinem Alter war. Der Junge hat ein Riesenpotenzial, ein Top-Verteidiger zu werden. Aber man sieht auch, dass er noch Flüchtigkeitsfehler macht, so wie ich früher.“
Du hast einmal gesagt, du seist kein Typ, der lange an einem Ort bleibt …
„Und jetzt sind es doch zehn Jahre Bayern geworden. 2018 und 2019 stand ich kurz vor einem Wechsel. Aber im Nachhinein bin ich froh, geblieben zu sein. Ich habe die Champions League noch mal gewonnen, habe Hansi erlebt. Es war ein toller Abschluss. Bayern ist ein toller Verein. Ich habe mich wohlgefühlt, konnte meine Grenzen erfahren und mich verbessern. Aber es stimmt schon: Eigentlich bin ich ein Typ, der nach drei bis fünf Jahren was Neues braucht. Deswegen freue ich mich auf das, was jetzt kommt.“
Im Abschieds-Interview spricht Hansi Flick über seinen Abschied aus München, große Spieler und sein Vermächtnis an Nachfolger Julian Nagelsmann:
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