Hasan Salihamidžić ist seit dem 1. Juli genau ein Jahr Sportvorstand des FC Bayern. Zuvor war der 44-jährige ehemalige FCB-Profi drei Jahre als Sportdirektor beim Deutschen Meister tätig. In unserem Interview spricht er über seine Ziele, erklärt seinen Alltag und blickt auf die Zusammenarbeit mit Oliver Kahn als neuem Vorstandsvorsitzenden sowie Julian Nagelsmann als neuem Trainer voraus.
Das Interview mit Hasan Salihamidžić
Herr Salihamidžić, hinter Ihnen liegt das erste Jahr als Sportvorstand des FC Bayern – was haben Sie sich für das zweite Jahr vorgenommen?
Salihamidžić: „Dass wir so erfolgreich bleiben, wie wir in der Vergangenheit waren. Bei mir ist das so: In dem Augenblick, in dem wir einen Titel gewonnen haben, freue ich mich natürlich. Wir trinken ein Bier zusammen, man freut sich, genießt – aber gleichzeitig rattert bei mir schon wieder der Kopf: Was machen wir, um diesen Erfolg zu bestätigen? Ich bin nicht bereit, auch nur einen Millimeter nachzulassen. Als Spieler feierst du einen Titel mehrere Tage und kannst auch abschalten. Als Verantwortlicher denkst du sofort weiter. Hier geht es um Titel, Titel Titel - dafür arbeiten wir Tag für Tag, das sind wir unseren Fans auch schuldig. Unser Club steht für erfolgreichen, attraktiven Fußball. Das ist der FC Bayern München. Das ist unser Anspruch – und mein Antrieb, auch für die Zukunft.“
Sie sind nun schon seit vier Jahren in verantwortlicher Position beim FC Bayern. Was hat Sie in dieser Zeit im Rückblick am meisten überrascht, positiv wie negativ?
„Mit Negativem beschäftige ich mich nie lange. Was hat mich überrascht? Ich würde lieber sagen, was mich gefreut hat: Gefreut hat mich, dass wir neben unseren zahlreichen Titeln zum Beispiel in Robert Lewandowski den Weltfußballer und in Manuel Neuer den Welttorwart stellen - und zudem mit Robert, Joshua Kimmich, Alphonso Davies sowie Thiago vier aus unserem Team in der FIFA-Weltauswahl 2020 standen. Das sind nicht nur Auszeichnungen für die jeweiligen Spieler. Das ist eine Bestätigung für den ganzen Club, weil damit ausgedrückt wird, dass der FC Bayern eine absolute Top-Adresse im internationalen Spitzenfußball ist und dass alle hier beim FC Bayern sehr gut arbeiten.“
365 Tage Sportvorstand. Nehmen Sie doch die Fans bitte einmal in Ihren Alltag mit: Wann beginnt, wann endet Ihr Arbeitstag? Wie oft am Tag klingelt Ihr Handy?
„Wie oft das Handy klingelt, kann ich wirklich nicht sagen. Aber es steht selten still. Dazu Textnachrichten, E-Mails. Ich habe einen 24/7-Job, keine Frage. Der Alltag ist oft nicht so planbar, ich spreche gerne von „Moment-Management“. Gemeint ist: Ich habe einen Kalender, da steht alles drin, und jeden Abend nimmt man sich dazu drei Aufgaben für den nächsten Tag vor. Dann gehst du ins Büro, und du musst feststellen, dass über Nacht plötzlich sieben andere Aufgaben auf deinem Tisch gelandet sind. Man muss also flexibel sein. Einen geregelten Alltag in dem Sinne gibt es selten. Und wenn abends ein Spiel ansteht, ist noch einmal alles anders. Da knistert es dann. Das mag ich am liebsten.“
Was ist dann der Unterschied zu den anderen Tagen?
„An Spieltagen fokussiert sich alles in diesem Verein auf das Match. Ich bin dann auch im Tunnel und versuche, dem Trainerteam und der Mannschaft zu helfen, wenn sie etwas Spezielles brauchen. Es gibt nichts Wichtigeres, als dass die Spiele gewonnen werden. Da tritt alles andere in den Hintergrund. Wir sind ein Fußballverein. Wenn wir gewinnen, ist alles gut.“
Mit dem 1. Juli beginnt in diesem Jahr eine neue Zeitrechnung beim FC Bayern: Oliver Kahn ist der neue Vorstandsvorsitzende. Wie ist Ihr Austausch, was darf man von Ihnen beiden erwarten?
„Wir haben ein enges, vertrauensvolles, ein sehr gutes Verhältnis. Oliver und ich kennen uns lange, wir haben neun Jahre zusammen beim FC Bayern Fußball gespielt und Seite an Seite alle Höhen und Tiefen erlebt. Wir wissen, wie der andere tickt, Dinge verarbeitet, was ihm wichtig ist. Wir haben uns beide nach unserer aktiven Karriere weiterentwickelt. Ich kann mir keinen besseren Partner als Oliver vorstellen. Wir werden alle wichtigen sportlichen Entscheidungen zusammen treffen, und ich bin sicher, dass er der richtige Nachfolger von Karl-Heinz Rummenigge als CEO ist. Der gesamte Vorstand muss wie eine Mannschaft funktionieren und immer abgestimmt sein mit dem Aufsichtsrat um unseren Präsidenten Herbert Hainer. Es geht darum, zusammenzustehen und sich immer gegenseitig im Sinne des FC Bayern zu ergänzen.“
Sie waren als Spieler beide vom Ehrgeiz getrieben. Bleibt das auch in neuer Rolle so?
„Ja. Das ist das FC-Bayern-Gen. Oliver und ich haben diesen Anspruch sowieso, wir wollen immer gewinnen, das steckt in uns drin. Dazu müssen wir uns nicht verstellen.“
Als Spieler haben Sie beide bereits die Champions League gewonnen – und vergangenes Jahr auch schon in neuer Rolle. Sind Sie weiter hungrig?
„Ja sicher. Oliver war 2020 noch kein CEO. Also ist der Gewinn der Champions League unser neues Ziel, weil wir jetzt beide in der Verantwortung stehen. Wir werden nicht nachlassen. Allerdings wird der Champions League-Titel eine ganz große Herausforderung. Wir erleben wirtschaftlich sehr schwere Zeiten, Corona hat uns sehr zugesetzt, und vor allem die Vereine in der Premier League haben hier klare finanzielle Vorteile.“
Nächste Woche startet Julian Nagelsmann als neuer Trainer. Was erwarten Sie von ihm?
„Wir bekommen in Julian einen jungen, sehr innovativen Trainer. Julian ist außerdem ein Trainer, den viele europäische Top-Vereine gerne verpflichtet hätten, und daher sind wir sehr glücklich, dass er sich dazu entschieden hat, hier bei uns seine und unsere Erfolgsgeschichte weiterzuschreiben. Der FC Bayern freut sich sehr auf ihn.“
Ein Thema, das die FCB-Fans in jedem Sommer sehr bewegt, ist das Thema Transfers. Was können Sie dazu in diesem Jahr sagen?
„Zunächst einmal haben wir ja einen exzellenten Kader, der nach wie vor Potential hat und den wir weiterentwickeln werden. Das heißt, wir sind bereits top aufgestellt, und unsere Hausaufgaben haben wir diesmal früh erledigt, indem wir Dayot Upamecano und Omar Richards für die Defensive geholt haben. Trotzdem werden wir den Transfermarkt wie immer bis zum Schluss sehr genau beobachten. Allerdings haben wir wegen Corona in diesem Sommer klare wirtschaftliche Limits und können uns auch nur innerhalb dieser Limits bewegen.“
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