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Bayern München gegen Inter Mailand im Dezember 1988.
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Wie kam es zum „Wunder von Mailand“?

Am Dienstag empfängt der FC Bayern in der Allianz Arena Inter Mailand zum letzten Champions League-Spiel des Jahres. Die beiden Traditionsvereine lieferten sich schon zahlreiche historische Duelle - eines davon im Jahr 1988 - ein Rückblick:

Im Dezember 1988 reisen die Bayern gut 500 Kilometer nach Mailand. Auf der Fahrt herrscht eine angespannte Stimmung. Denn im Rückspiel der dritten UEFA-Cup-Runde müssen sie gegen Inter Mailand bestehen, im gefürchteten Giuseppe-Meazza-Stadion, vor 75.000 Zuschauern. Die Aufgabe? Einen 0:2-Rückstand gegen eine der damals besten Mannschaften der Welt drehen. Nur die wenigsten im Team glaubten an ein Happy End. 

Olaf Thon, Mittelfeld: „Durch das Hinspiel war die Sache eigentlich schon erledigt. Wir waren zu Hause im Olympiastadion eindeutig geschlagen worden, hatten im Grunde keine Chance. Natürlich sind wir mit einer gewissen Hoffnung nach Mailand gefahren, aber Italien war zu der Zeit führend im Weltfußball, und Inter war führend in Italien!“

Hans Dorfner, Mittelfeld: „Wir wurden in Grund und Boden kritisiert. Von der Presse, von den Fußballexperten. Wir waren auch als Mannschaft unzufrieden mit dem Ergebnis und dementsprechend geladen. Aber: Wir trugen das Sieger-Gen des FC Bayern in uns.“

Klaus Augenthaler, Kapitän: „Natürlich haben wir uns gegenseitig Mut zugesprochen, aber das waren hohle Phrasen. Eigentlich wollten wir alle nur mit Anstand aus der Sache herauskommen.“

Am 23.11 gewann Inter Mailand 2:0 gegen Bayern München.

Schwere Hypothek: Im Hinspiel verlor der FCB deutlich gegen Inter. Die Tore schossen Berti und Serena.

Die Fußballwelt sieht Ende der 1980er ganz anders aus als heute. Nicht die Premier League, nicht die Bundesliga, sondern die Serie A ist die stärkste Liga der Welt. Die besten Mannschaften, die besten Spieler, das meiste Geld. Alles, was Rang und Namen hat, will und wechselt nach Italien. Beim AC Mailand zaubern Marco van Basten, Ruud Gullit und Carlo Ancelotti, bei Inter stehen Aldo Serena, Giuseppe Baresi und Walter Zenga auf dem Platz. Und seit dem Sommer 1988 auch zwei alte Bayern-Bekannte: Lothar Matthäus und Andreas Brehme.

Hans Dorfner: „Ich habe immer von so einem Spiel geträumt. Erstens: das Giuseppe Meazza – oder: San Siro! 75.000 Zuschauer, da läuft es mir heute noch kalt den Rücken runter. Das hat motiviert. Ich habe nach dem Wechsel von Lothar öfters mal seine Position im Mittelfeld eingenommen. Ein Spiel wie gegen Mailand war da natürlich eine Möglichkeit, mich zu beweisen. Lothar war schließlich der beste Mitspieler, den ich je hatte – jetzt war er Konkurrent. Im direkten Duell mit Lothar Matthäus musste ich einfach eine Top-Leistung bringen.“

Olaf Thon, Mittelfeld: „Ich hatte zum Zeitpunkt des Inter-Spiels schon vier Jahre Nationalmannschaftserfahrung. Ich hatte in Rio gespielt, im Santiago Bernabéu in Madrid. Aber der Druck, den ich in dieser Situation und in diesem Stadion gespürt habe – das war auch für mich neu. Vor dem Spiel haben dann Jupp Heynckes und Uli Hoeneß flammende Reden gehalten, um uns noch weiter zu motivieren. Ich erinnere mich besonders an die Brandrede von Uli. Der hat uns mit einer doppelten Prämie gelockt!“

Jupp Heynckes, Bayern-Trainer, in der Pressekonferenz: „Wir werden uns rehabilitieren, die Löffel nicht hängen lassen. SO  eine große Mannschaft ist Inter nun auch wieder nicht. Wenn uns ein frühes Tor gelingt, kommt für die das große Zittern.“

Hans Dorfner: „Die Italiener haben uns, freiwillig oder unfreiwillig, dann noch heißer auf das Spiel gemacht. Wir durften uns vor der Partie nicht auf dem Spielfeld aufwärmen! Die haben uns einfach nicht aufs Feld gelassen, sondern in eine kleine Gymnastikhalle tief im San Siro gebracht. Die war dunkel und stickig und nicht geeignet für ein richtiges Aufwärmprogramm. Keine Steigerungsläufe, keine weiten Bälle. Ich war richtig sauer und der Rest der Mannschaft auch! Durch dieses Aufwärmen waren wir auch in einem ganz anderen Rhythmus als sonst. Hätten die uns auf das Spielfeld gelassen, hätten wir vielleicht gespielt wie im Hinspiel! So waren wir umso heißer auf das Spiel.“

Die Spieler des FC Bayern Hans Dorfner und Olaf Thon gegen Inter Mailand.

Voller Einsatz: Hans Dorfner (li.) und Olaf Thon im Luftduell gegen den Mailänder Gegenspieler.

Lange vor dem Anpfiff ist das Giuseppe-Meazza-Stadion bis auf den letzten Platz gefüllt. Feuerwerkskörper werden gezündet, Rauchschwaden ziehen durch die Reihen. Die Fans zünden sogar einen Teil der Tribüne an. Das Bayern-Spiel ist auch für die Zuschauer eine Generalprobe: Am folgenden Wochenende ist der AC Mailand zu Besuch, das wichtigste nationale Spiel der Saison. Sind die Italiener vielleicht in Gedanken schon beim Derby?

Olaf Thon: „Das Spiel fing richtig gut an für uns. Wir haben uns nicht überraschen lassen, ich würde sogar eher vom Gegenteil sprechen. Der Gegner war überrascht von uns! Wir haben uns nicht versteckt. Dass eine Mannschaft wie Inter Mailand überrascht ist, solche Spiele kannst du auf eine Karriere gesehen an einer Hand abzählen.“

Klaus Augenthaler: „Ich glaube, die hatten das Achtelfinale in Gedanken schon abgehakt. Schließlich hatten sie uns in München deutlich geschlagen, das Rückspiel wollten sie schon irgendwie schaukeln. Und vier Tage nach dem Rückspiel stand das Derby gegen den AC Mailand an. Inters Aufmerksamkeit galt nur noch diesem Prestigeduell – was unser Vorteil war.“

In der 33. Minute landet eine kurz gespielte Ecke an der rechten Strafraumkante bei Stefan Reuter. Dessen Flanke findet zwischen den italienischen Verteidigern ausgerechnet den Kopf des vergleichsweise kleinen Olaf Thon. Walter Zenga im Inter-Tor kann den Kopfball noch abwehren, gegen das Nachsetzen von Roland Wohlfarth ist er machtlos. Es ist der Beginn eines roten Sturmlaufs.

Bayern-Spieler Olaf Thon 1988 beim Torschuss gegen Inter Mailand.

Bayern vor, noch ein Tor: Mittelfeldspieler Olaf Thon war direkt am Führungstreffer beteiligt.

Giuseppe Bergomi, Inter Mailand-Legende: „Die Partie im San Siro war wie verhext. Erst verletzte sich bei uns Brehme früh, dann kassierten wir drei Tore in wenigen Minuten durch Wohlfarth, Augenthaler und Wegmann. Ich sah bei den Treffern nicht immer gut aus.“

Olaf Thon: „Zum Glück traf ich im Spiel nicht allzu oft auf Lothar Matthäus. Es gab eine Situation, da hat er mich verfolgt. Und er war ja schneller als ich! Da läuft einem derselbe Lothar Matthäus hinterher, der Manndeckung gegen Diego Maradona gespielt hat.“

Doch auch Matthäus kann Inter Mailand nicht vor dem bewahren, was die Bayern an jenem Tag aufbieten. In der 37. Minute landet der Ball nach einem Dribbling von Augenthaler bei Dorfner, der auf der linken Außenbahn Hans Pflügler bedient. Dessen Flanke aus dem Halbfeld findet knapp zwölf Meter vor dem Tor wieder den Kopf von Augenthaler: Der Kopfball schlägt unhaltbar in der linken Ecke ein. Beflügelt von dem spielübergreifenden Ausgleich laufen die Bayern weiter an, ganz zur Verzweiflung von Inter-Coach Giovanni Trapattoni. Adrett in einem beigen Wintermantel gekleidet, muss er mit besorgtem Blick zusehen, wie seine Mannschaft eiskalt ausgekontert wird.

Nach einem Inter-Angriff klärt Norbert Nachtweih auf der rechten Seite in die Füße von Johnny Ekström, der den Ball zu Stefan Reuter tropfen lässt. Dieser gewinnt gleich zwei Zweikämpfe auf der Höhe der Mittellinie, bevor der Ball zentral wieder bei Ekström landet. Mit Platz und Übersicht kann dieser den quer einlaufenden Jürgen Wegmann bedienen, der den Ball aus gut elf Meter Entfernung an Walter Zenga vorbei einschiebt. 

Lothar Matthäus und Raimond Aumann 1988 beim UEFA Cup-Spiel von Inter Mailand und Bayern München.

Zwei Bayern Legenden im Duell: Lothar Matthäus spielte für Inter, Raimond Aumann machte im Bayern-Kasten das Spiel seines Lebens.

Tuttosport (Sportzeitung aus Turin): „Ein kurzes Erdbeben zerstörte ein Monument des italienischen Fußballs. Erst verlor Inter Brehme, dann den Kopf.“

Corriere dello Sport (Sportzeitung aus Rom): „Alle Deutschen waren hervorragend drauf, bis auf Matthäus. Und ausgerechnet der spielte bei Inter.“

Hans Dorfner: „Aber dann kriegen wir noch vor der Pause diesen total unglücklichen Gegentreffer. Der hat den Mailändern noch mal Hoffnung gegeben.“

Klaus Augenthaler: „Bei einem weiteren Mailänder Treffer wären wir raus gewesen. Wir wussten, was uns nach Wiederanpfiff erwarten würde.“

Olaf Thon: „Die Abwehr musste in der zweiten Hälfte stehen. Und zum Glück stand sie auch. Inter hat mächtig Druck gemacht, vor allem bei Ecken und Standards waren die unfassbar gefährlich. Es war ein Spiel auf ein Tor.“

Raimond Aumann 1988 Giuseppe Bergomi Inter Mailand gegen FC Bayern

Raimond "the Wall": Aumann rettet auch gegen Giuseppe Bergomi.

Giuseppe Bergomi: „In Hälfte zwei holte Aumann die unglaublichsten Dinger raus. In einer Szene ließ Lothar Matthäus sechs, sieben Bayern stehen, zog ab, und wieder Aumann. Wie er den pariert hat, weiß ich bis heute nicht."

Aumann pariert gegen Morello, gegen Matthäus, gegen Serena. Er ist der Mann des Spiels und wird als „der Held von San Siro“ gefeiert. Der FC Bayern gewinnt 3:1 und zieht ins Viertelfinale ein.

Klaus Augenthaler: „Wir blieben clever und spielten hemmungslos auf Zeit. Die Italiener waren fuchsteufelswild. Selbst als das Spiel zu Ende war, wollten sie uns noch an den Kragen. Giuseppe Bergomi und Torwart Walter Zenga haben mich gar bis in die Kabine verfolgt!“

Hans Dorfner: „Das Spiel gegen Inter war eines der großen, vielleicht sogar fast das Highlight meiner Karriere. Es war ein besonderes Ergebnis, und ich konnte mir den Traum erfüllen, vor 75.000 Leuten im San Siro zu spielen. Ich spreche heute nicht mehr viel über meine Profikarriere und erzähle wenig von Spielen. Aber wenn, dann ist dieser Abend in Mailand immer dabei.“