Ein ereignisreiches Jahr 2022 geht für die Jugendmannschaften des FC Bayern zu Ende. Im Interview mit fcbayern.com blickt Campusleiter Jochen Sauer auf die vergangenen zwölf Monate zurück und spricht unter anderem über die Entwicklung der FCB-Talente, die erste Amateure-Saisonhälfte und eine erfolgreiche Bayern-U17.
Das Interview mit Jochen Sauer
Herr Sauer, wie sehr freut es Sie, dass mit Jamal Musiala, Josip Stanisic und Wooyeong Jeong drei ehemalige Campus-Talente bei der WM dabei waren?
„Natürlich schaut man bei so einem Ereignis besonders hin. Unsere Nachwuchsspieler in den Profi-Fußball zu bringen ist unser höchstes Ziel. Wenn sie dann auch noch zum A-Nationalspieler aufsteigen und bei einer Weltmeisterschaft dabei sind, freut uns das natürlich umso mehr. Josip hat mit Kroatien in einem prestigeträchtigen Spiel um Platz drei 90 Minuten absolviert und auch seinen Teil dazu beigetragen, dass sein Land am Ende mit einer Medaille auf Platz drei landet. Ich habe ihm dazu natürlich gratuliert. Jamal hat bei Deutschland eine tragende Rolle gespielt, Wooyeong war mit Südkorea im Achtelfinale. Das macht einen schon stolz, zumal alle Spieler noch vor wenigen Jahren täglich bei uns am Campus waren.“
Mit Paul Wanner, Gabriel Vidović und Lucas Copado durften auch in diesem Jahr wieder einige Nachwuchsspieler ihr Profi-Debüt feiern. Was bedeuten diese Einsätze für die Arbeit am Campus?
„Für unsere Nachwuchsspieler ist es weiterhin eine Herausforderung, regelmäßige Einsatzminuten bei der Profi-Mannschaft zu sammeln, weil die Leistungsdichte extrem hoch ist. Darüber hinaus hat sich der FC Bayern im Sommer in Puncto Transfers hochklassig verstärkt, was es nicht einfacher macht. Für mich sind diese ersten Minuten also eher ein Reinschnuppern in den Profi-Alltag. Die Nominierungen sind einerseits gut für das Selbstbewusstsein, aber auch hilfreich, um sich zu zeigen und sich für eine Leihe zu empfehlen, falls es mit den regelmäßigen Einsätzen nicht klappt. Unsere Aufgabe ist immer, die Jungs nachhaltig im Profifußball unterzubringen.“
In den FC Bayern Campus Stories spricht Paul Wanner über seinen Werdegang beim FC Bayern:
Darüber hinaus sind in Malik Tillman, Gabriel Vidović und Co. einige ehemalige Campus-Spieler aktuell per Leihe in den ersten Ligen Europas unterwegs. Wie fällt ihr Fazit zu ihrem ersten halben Jahr aus?
„Bei unseren Leihspielern kann man in dieser Spielzeit und bei ihren aktuellen Vereinen meist eine sehr gute Entwicklung erkennen. Malik Tillman hat sich bei Glasgow festgespielt und durfte bereits Champions League spielen, Vidovic spielt bei Arnheim eine gute Rolle, Torben Rhein hat sich in Lustenau in der Startelf etabliert oder auch Marvin Cuni schießt seine Tore in der 3. Liga. Alle unsere Leihspieler kommen voran, das gefällt mir sehr gut. Zudem konnten wir unsere ehemaligen Leihspieler wie Joshua Zirkzee und Chris Richards mit sehr guten Transferentschädigungen an zwei Erstligisten in zwei Top-Ligen in Europa vermitteln. Wir können also durchaus ein positives Fazit ziehen.“
Beim Blick auf die Jugendmannschaften stellt man schnell fest, dass vor allem die Amateure und die U19 eine sehr junge Mannschaft stellen. Ist es ein bewusstes Vorgehen, jüngere Spieler in den älteren Jahrgang zu stecken, um ihr Talent noch besser zu fördern?
„Die Ausgangssituation beim FC Bayern ist klar: Die Spieler müssen den Schritt aus der Regionalliga-Mannschaft zu einem Team schaffen, welches jedes Jahr die Ambition hat, die Champions League zu gewinnen. Diesen maximal langen Weg wollen und müssen wir verkürzen. Ein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, ist die frühzeitige Etablierung im nächsthöheren Jahrgang, wenn der Spieler über das fußballerische Talent und die körperlichen Voraussetzungen verfügt. Entwicklung passiert meist nur dann, wenn man sich einem Widerstand stellen muss und die mentale Kraft entwickelt, ihn zu überwinden. Deshalb wollen wir jedem einzelnen Spieler immer wieder Aufgaben geben, an denen sie zu knabbern haben und die nicht im Vorbeigehen zu bewältigen sind.“
Die Amateure gehen nach einem Trainerwechsel und schwierigen Spielen auf Platz sechs in die Winterpause. Was klappt in diesem Jahr bisher nicht so gut wie in der Vorsaison?
„Bei der U23 hatten wir in den letzten drei Jahren immer das Szenario, dass wir mehrere sehr talentierte Spieler vor der Saison abgeben mussten bzw. konnten, weil sie den nächsten Schritt gehen wollten. Das geht natürlich an die Substanz – diese sportlichen Verluste wollen wir dann nicht jedes Mal mit vielen externen Transfers auffangen, da wir unseren eigenen Talenten nicht den Weg nach oben versperren möchten. Das ist ein schwieriger Spagat. Beispielsweise haben wir mit Nemanja Motika und Gabriel Vidovic unsere beiden besten Torschützen und Scorer der letzten Saison verloren, weil sie die Möglichkeit hatten, höherklassig ihre Erfahrungen zu sammeln. Es ist schwierig, das direkt mit dem eigenen Nachwuchs aus der U19 aufzufangen. Deshalb muss man damit rechnen, dass es auch mal eine Saison gibt, in der die nachrückenden Junioren etwas länger brauchen, um sich an den Männerfußball zu gewöhnen und es mal holpriger läuft. Ich bin aber zuversichtlich, dass alle in der zweiten Saisonhälfte einen Schritt nach vorne machen werden und sich das dann auch auf den Tabellenplatz positiv auswirkt.“
Der Kader der U19 wurde vor der Saison nochmal stark verjüngt und ist eigentlich eine U18. Wie bewerten Sie die Entwicklung der Mannschaft?
„Mit dem bisherigen Verlauf der U19-Saison können wir sicher nicht zufrieden sein. Grundsätzlich geht es um die Entwicklung und Ausbildung von Einzelspielern, aber wir möchten, dass die Nachwuchsspieler vom FC Bayern diese Entwicklung auch durch gewonnene Spiele und Erfolge vorantreiben. Dass wir nicht die Ergebnisse in der ersten Saisonhälfte hatten, die wir uns gewünscht haben, lag an vielen Kleinigkeiten. Ein Punkt ist aber definitiv, dass es bei den A-Junioren immer darum geht, aus zwei Jahrgänge eine funktionierende Mannschaft zu vereinen. Das ist uns in dieser Saison nicht so schnell gelungen, wie erhofft. Es gab hier zu viele Egoismen. Erst zum Ende des Jahres hat man den Schritt hin zu einem geschlossenen Team gesehen. Das haben die letzten Partien in der Liga, im Pokal und das Youth League-Spiel gegen Mailand gezeigt. Im kommenden Jahr müssen wir weiter daran arbeiten, unabhängig vom Tabellenplatz.“
Die U17 spielt eine starke Runde und ist bisher noch ungeschlagen – mit neuem Trainer und vielen internationalen Neuzugängen. Überrascht Sie das?
„Ich bin von der Entwicklung positiv überrascht, das konnte man so nicht erwarten. Unser neuer Trainer Michael Hartmann und sein Trainer- und Betreuerteam haben es direkt geschafft, die neuen Spieler in den Jahrgang zu integrieren, Sprachbarrieren und die Integration zu meistern. Vom ersten Spiel an war das Gefühl da, dass dort eine Truppe auf dem Platz steht, die füreinander da ist und unbedingt gewinnen will – egal, ob es die Startelf- oder Einwechselspieler waren. Wir können mit der Entwicklung super zufrieden sein, auch wenn es einen Tick einfacher war, die Jungs zusammenzubringen, da den größten Teil des Kaders ein sehr homogener 2006er Jahrgang bildet, der auch in der U16 schon gut harmoniert hat. Alles in allem gibt es an der ersten Saisonhälfte wenig auszusetzen.“
Ist die Süddeutsche Meisterschaft einer Ihrer Wünsche für das kommende Jahr?
„Ich bin der Meinung, dass sich Mannschaften immer für eine gute Runde belohnen sollten, deshalb würde es mich für unsere U17-Spieler freuen, wenn sie die Süddeutsche Meisterschaft gewinnen und in die Endrunde einziehen. Mit der U19 möchten wir uns im kommenden Jahr in der Tabelle verbessern, um am Ende einen versöhnlichen Saisonabschluss feiern zu können. Speziell für unsere U23-Spieler hoffe ich, dass sie sich in den letzten Monaten der Regionalliga-Saison nochmals steigern und für höhere Aufgaben empfehlen können. Auch in dieser Spielzeit haben wir wieder einige Jungs, die im Anschluss den nächsten Schritt gehen können – egal, ob per Leihe oder Transfer. Darauf wollen wir sie vorbereiten. Im Liga-Alltag wünsche ich mir, dass wir wieder näher an die beiden enteilten Spitzenteams Unterhaching und Würzburg heranrücken.“
Die vergangenen zwölf Monate der U17 in unserem Jahresrückblick:
Themen dieses Artikels