João Cancelo hat Titel in Portugal, Italien und England geholt – und will nun auch mit dem FC Bayern Erfolge feiern. Vor dem Duell mit Manchester City spricht er im ausführlichen Interview mit dem Mitgliedermagazin „51“ über beide Clubs, Vergleiche mit Philipp Lahm und wie er Kraft aus einem schweren Schicksal schöpft.
Das Interview mit João Cancelo
João, seit dem Wechsel von Manchester City im Winter sind dir in elf Spielen für den FC Bayern fünf Torbeteiligungen gelungen. Ein guter Wert für einen Verteidiger, oder?
„Meinen Start bei Bayern empfinde ich auch als positiv. Bei Fußballern gibt es immer eine gewisse Eingewöhnungszeit. Ich habe deshalb versucht, mich maximal schnell in das Team zu integrieren, die neuen Kollegen und das System kennenzulernen. Auf Mannschaftsebene und auf persönlicher Ebene läuft bis jetzt alles sehr gut.“
Sadio Mané hat neulich gesagt, er sehe keinen Kader, der besser sei als der des FCB. Du hast drei Jahre bei Manchester City gespielt – kannst du das bestätigen? Jetzt vor dem großen Viertelfinale?
„Es gibt drei, vier, fünf Clubs, die für sich stehen – und der FC Bayern gehört natürlich dazu. Mannschaften wie der FC Bayern, Manchester City und Real Madrid sind immer schwer zu schlagen und gehören jede Saison zu den Favoriten auf den Sieg in der Champions League. Es ist eine Ehre für mich, hier zu sein. Wir können es mit jedem aufnehmen. Wir können jedes Team schlagen.“
Wie würdest du die Mannschaft des FC Bayern beschreiben? Was zeichnet sie aus?
„Als ich die Gelegenheit bekam, zu diesem großartigen Club zu wechseln, habe ich sofort zugesagt. Ich war schon in Spanien, Italien und England und wollte nun auch einmal den Fußball in Deutschland erleben.“
Und?
„Beim FC Bayern ist alles und jeder auf den absoluten Erfolg fokussiert. Hier wird in jedem einzelnen Training richtig hart gearbeitet – mir gefällt diese Mentalität sehr. Ich bin glücklich, hier zu sein und in dieser großen Mannschaft zu spielen.“
Im März wurdest du in die FIFA-Weltelf gewählt. Was bedeutet dir das?
„Ich war schon das zweite Mal nominiert, und dieses Jahr konnte ich mich dann durchsetzen. Das ist ein Traum, denn als Leistungssportler möchtest du immer das Beste aus dir herausholen. Mein Anspruch ist stets, der Beste auf meiner Position zu sein und vor allem mit dem Team erfolgreich zu sein. Ich danke allen, die mich gewählt haben.“
„Beim FC Bayern ist alles und jeder auf den absoluten Erfolg fokussiert. Hier wird in jedem einzelnen Training richtig hart gearbeitet – mir gefällt diese Mentalität sehr.”
João Cancelo
Einer deiner Vorgänger auf der rechten Außenbahn des FCB, Philipp Lahm, stand ebenfalls zweimal in der FIFA-Weltelf. Was weißt du über ihn und sein Spiel?
„Es ist schön, wenn man mit solchen großen Spielern verglichen wird – ich habe Philipp früher selbst gerne spielen gesehen. So ein Name ist eine Referenz für mich – auch Dani Alves oder Marcelo von Real Madrid schätze ich sehr. Ich glaube, ich muss noch viel leisten, um am Ende auf das Niveau eines Philipp Lahm zu kommen. Er hat alles gewonnen. Die Champions League ist auch mein großer Traum – und ich werde nicht nachlassen, bis ich ihn verwirklicht habe. Vielleicht klappt es ja dieses Jahr mit Bayern, ich hätte nichts dagegen.“ (lächelt)
Welche Spieler sind deine Vorbilder?
„Mein größtes Idol auf dem Fußballplatz ist Ronaldinho Gaucho. Wegen seiner Spielfreude, seiner Ausstrahlung. Er war für mich der talentierteste aller Fußballprofis. Diego Maradona und Pelé habe ich ja nicht selbst spielen gesehen, Marco van Basten oder Johan Cruyff auch nicht. Diese lockere, immense Fröhlichkeit von Ronaldinho, dieses Pfiffige und Wagemutige, die Magie auf dem Platz und der Spaß, den er den Zuschauern bereitet hat, das war einzigartig. Deshalb ist Ronaldinho Gaucho mein Held.
Deine Flanken gehören zu den präzisesten im Weltfußball: Wie hast du dir diese Technik angeeignet?
„Ich gebe tatsächlich lieber Vorlagen, als selbst aufs Tor zu schießen. Die Pässe und Flanken trainiere ich jeden Tag. Meine Technik hat sich ganz natürlich entwickelt. In meiner Schulzeit habe ich Futsala gespielt, Futebol de Salao, fünf gegen fünf in der Halle: Weil man dort weniger Platz hat, wird die Technik besonders geschult. Und ich habe auf der Straße mit Freunden gekickt, von denen zwei, drei ebenfalls sehr talentiert waren. Aber nur mit Talent kommt man nicht ganz nach oben. Ich wechselte später zum FC Barreirense. Dann konnte ich auf die Benfica Academy gehen, eine der besten Fußballschulen der Welt. Fast jeden Tag bringt diese Schule ein neues Talent hervor.“
João, seit drei Jahren bist du Vater einer Tochter. Wie ist das für dich?
„Es gibt nichts Schöneres auf der Welt für mich, als Vater zu sein. Ich liebe es, meine Tochter jeden Tag ein bisschen mehr kennenzulernen. Sie ist gesund und ein sehr fröhliches, lustiges Mädchen, das immer Lust zum Spielen hat.“
„Es gibt nichts Schöneres auf der Welt für mich, als Vater zu sein. Ich liebe es, meine Tochter jeden Tag ein bisschen mehr kennenzulernen.”
João Cancelo
Auf Instagram vergleichst du deine kleine Tochter aber mit einem Erdbeben.
„Das sagen wir in Portugal, wenn ein Kind besonders viel Energie hat. Sie kommt ständig mit Fragen, macht eine unheimliche Unordnung mit ihrem Spielzeug. Sie kickt auch manchmal mit mir (lacht) – aber eigentlich steht sie mehr auf dieses Prinzessinnen-Ding. Sie ist ein großes Geschenk, für das ich dankbar bin. Leider habe ich meine Mutter früh bei einem Autounfall verloren. Seit der Geburt meiner Tochter habe ich eine neue Lust auf das Leben.“
Glaubst du eigentlich an einen Beschützer?
„Ich glaube an Gott. Und vor allem glaube ich an meine Mutter Filomena, an die Kraft, die sie mir gibt. Durch ihren Tod verlor ich meine größte Unterstützerin. Ich war damals erst 18 Jahre alt und musste lernen, ohne sie zurechtzukommen. Der Verlust hat mich stärker und zu dem gemacht, der ich heute bin. Manchmal heißt es, ich habe vielleicht eine nicht ganz einfache Persönlichkeit. Aber ich habe das Herz auf dem rechten Fleck. Und man kann sich immer auf mich verlassen.“
Wie siehst du das mit der nicht ganz einfachen Persönlichkeit?
„Das ist schwierig zu erklären. Ich versuche es mal. Ich bin sehr impulsiv und sentimental und sehr wahrscheinlich leicht zu durchschauen, weil ich immer ausdrücke, was ich fühle. Transparente Menschen wie ich haben es in der heutigen schnellen und gnadenlosen Welt nicht immer leicht.“
Was kann man auf dem Fußballplatz über das Leben lernen?
„Sehr viel. Das Wichtigste: Stehe immer zu deinen Grundsätzen, auch wenn es mal Schwierigkeiten gibt. Ich bin ein Kämpfer. Das Leben in Portugal ist viel schwieriger als in Deutschland. Meine Mutter hat als Putzhilfe in drei verschiedenen Betrieben gearbeitet. Und weil der Mindestlohn in Portugal sehr niedrig ist, war es schwer, damit die Miete zu bezahlen. Die ersten 16 Jahre meines Lebens lebte ich mit meiner Familie im Haus meiner Großeltern, weil wir uns keine eigene Wohnung leisten konnten. Mein Vater war Bauarbeiter und arbeitete immer sechs Monate lang in der Schweiz und verbrachte dann einen Monat bei uns. Er musste ins Ausland ziehen, um seine Familie zu ernähren. Heute ist er zum Glück in Rente. Ich war ein guter Schüler und hatte immer den Fußball.“
Auf Instagram verwendest du den Hashtag #mommyblessme. Möchtest du erzählen, was es damit auf sich hat?
„Als ich meine Mutter im Alter von 18 Jahren verloren habe, war das sehr hart. Mein Vater hat mir damals erklärt, dass ich jetzt mehr Verantwortung für meine Familie übernehmen muss. Er selbst hatte keine Arbeit, mein Bruder ging zur Schule. Das war keine einfache Zeit. Man braucht da eine gewisse Willenskraft. Das hat, glaube ich, auch dazu beigetragen, dass ich heute ein eher verschlossener Typ bin, obwohl ich im Grunde eine sehr fröhliche Natur bin. Ich trage ein Porträt meiner Mutter als Tattoo auf dem Oberarm und ihren Namen Filomena auf dem Unterarm. Ihr Segen gibt mir Kraft und Sicherheit. Wenn ich daheim in Portugal bin, besuche ich als Erstes Mamas Grab. Dort fühle ich mich gut. Ich kann ihr alles sagen, was ich fühle. Für mich ist es so, als wäre sie noch unter uns, auch wenn sie nicht antwortet.“
Dein Ziel ist, deine Mutter stolz zu machen.
„Ich meine das in sportlicher und in persönlicher Hinsicht. Die Menschen, die mich mögen, sollen stolz auf mich sein. Ich möchte ein guter Ehemann sein, ein guter Vater für meine Tochter, ein guter Sohn für meinen Vater, ein guter Bruder für meinen Bruder – das ist es. Das treibt mich an.“
Das komplette Interview gibt es in der aktuellen Ausgabe des FC Bayern Mitgliedermagazins „51“.
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