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Jan-Christian Dreesen, Interview, FC Bayern

Jan-Christian Dreesen: „Alle müssen Vertrauen spüren“

Zehn Jahre hat Jan-Christian Dreesen (55) für den FC Bayern hervorragende Arbeit geleistet, nun ist er Vorstandsvorsitzender. Im Interview erklärt er, was ihm Zusammenhalt bedeutet, wie wichtig die Fans für den Club sind und warum Emotionen auf dem Platz unbezahlbar bleiben.

Das Interview mit Jan-Christian Dreesen

Jan-Christian Dreesen, Interview, FC Bayern

Jan-Christian Dreesen trat Ende Mai 2023 die Nachfolge von Oliver Kahn als Vorstandsvorsitzender des FC Bayern an.

Herr Dreesen, mit etwas Abstand – wie war das Saisonfinale für Sie? Das Männer- und das Frauenteam des FC Bayern wurden am letzten Spieltag Deutscher Meister, und der Aufsichtsrat berief Sie als neuen Vorstandsvorsitzenden …
„Mich hat es vor allem für die gesamte Bayern-Familie gefreut, dass wir diese beiden Meisterschaften am letzten Spieltag feiern konnten. Unsere Spielerinnen und Spieler stehen im Rampenlicht – aber sie können nur so strahlen, weil das Team hinter dem Team funktioniert. Ich freue mich jetzt auf die neue Aufgabe als Vorstandsvorsitzender: Dass unsere Männer und Frauen Meister geworden sind – so kann es gerne weitergehen. Dafür werden wir alle gemeinsam arbeiten.“

Ihre Lebensplanung sah eigentlich vor, sich in diesem Sommer nach dem FC Bayern neue Herausforderungen zu suchen.
„Ja, aber wenn es eine Herzensangelegenheit ist, ändert man seine Pläne gern. Und das ist der FC Bayern für mich. Ich möchte mich beim Aufsichtsrat für das Vertrauen bedanken. Als ich vor zehn Jahren die Nachfolge von Karl Hopfner im Vorstand antreten durfte, war das eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Und jetzt ist es von Vorteil, dass alles kein Neuland für mich ist: Ich kenne die Strukturen und ich weiß um die positive Kraft, die dieser Verein entwickeln kann.“

Zusammenhalt, Miteinander und Füreinander. Werte zu leben, die den FC Bayern immer ausgezeichnet haben. Loyalität, Harmonie und ein ausgesprochenes Wir-Gefühl. Für mich ist das das viel zitierte ‚Mia san mia‘.

Jan-Christian Dreesen

Was ist Ihnen wichtig in Ihrer neuen Rolle?
„Zusammenhalt, Miteinander und Füreinander. Werte zu leben, die den FC Bayern immer ausgezeichnet haben. Loyalität, Harmonie und ein ausgesprochenes Wir-Gefühl. Für mich ist das das viel zitierte ‚Mia san mia‘. Auf diesem Weg müssen wir alle mitnehmen: In erster Linie die Mannschaft, denn der Sport ist die Basis, aber genauso unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Fans. Dieser Club hat sich immer durch seine familiäre Atmosphäre ausgezeichnet, und dieses Vertrauen müssen alle spüren, nicht zuletzt die Spieler.“

Champions League-Sieg 2020, Jan-Christian Dreesen, Interview, FC Bayern

Bayerns Champions League-Sieger von 2020: „Titel sind immer auch eine Bestätigung und Belohnung für den Weg, den dieser Club seit Jahren geht.“

Sie wirken am liebsten im Hintergrund. Wie wichtig sind Ihnen persönlich Titel?
„Ich durfte bisher zum Beispiel bei zwei Triple-Erfolgen dabei sein – und habe interessanterweise zwei völlig unterschiedliche Erinnerungen daran. 2013 war ich gerade mal ein halbes Jahr beim FC Bayern, alles war ganz frisch, aufregend, ich habe das alles zum ersten Mal so erlebt. So was vergisst man nie. Aber 2020 war es dann ein viel tiefer gehendes Erlebnis: Zum einen wegen Corona, aber vor allem auch, weil mir inzwischen bewusst geworden war, dass solche Titel immer auch eine Bestätigung und Belohnung für den Weg sind, den dieser Club seit Jahren geht: Es geht nur zusammen, als Team.“

Und es ist nun mal so: Entscheidend ist auf dem Platz.
„Ja, denn alles, was wir abseits des Spielfelds als Verein anstreben, kann nur dem einen Zweck dienen: Auf dem Platz Erfolg zu haben. Ich sage immer wieder, dass wir wirtschaftliche Solidität bei maximalem sportlichem Erfolg anstreben. Die Botschaft ist, dass wir auf dem Platz so viele Titel wie möglich gewinnen wollen, dabei aber niemals das rationale Handeln verloren gehen darf.“

Jan-Christian Dreesen, Interview, FC Bayern

Blick auf die Allianz Arena: „Das Stadion steht jetzt fast 20 Jahre, ist aber weiterhin wunderschön und immer noch modern, obwohl sich die Welt sehr verändert hat.“

Ist sportlicher Erfolg planbar?
„(überlegt) Ja und nein. Gerade in der jetzt zu Ende gegangenen Saison haben wir erlebt, dass im Sport viele Faktoren und Nuancen eine Rolle spielen. Die sind nicht alle planbar, damit würde man dem Fußball ja auch die Emotionalität nehmen, von der er lebt. Aber ich weiß, dass hier beim FC Bayern alle, wirklich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, täglich ihr Bestes geben, damit wir größtmögliche Erfolge feiern können.“

Was bedeutet es Ihnen, dass die Allianz Arena seit der Pandemie wieder stets voll besetzt ist?
„Wenn ich Bilder der Allianz Arena sehe, muss ich zunächst einmal sagen: Das Stadion steht jetzt fast 20 Jahre, ist aber weiterhin wunderschön und immer noch modern, obwohl sich die Welt sehr verändert hat. Von der wirtschaftlichen Planung her ist es fantastisch, dass du immer damit rechnen kannst, ausverkauft zu sein. Auch wenn die Ticketerlöse heute nicht mehr den Stellenwert wie vor 30, 40 Jahren haben, gibt uns das eine stabile Basis – und jeder einzelne Arena-Besucher trägt so auch zu unserer wirtschaftlichen Stabilität bei. Wichtiger ist mir aber der emotionale Aspekt.“

Ich sage immer wieder, dass wir wirtschaftliche Solidität bei maximalem sportlichem Erfolg anstreben.

Jan-Christian Dreesen

Warum ist Ihnen der Austausch mit den Fans so wichtig? Sie sind seit Jahren auch regelmäßig bei den Treffen des Arbeitskreis Fandialog dabei.
„Ich war ja früher selbst ein Fan, der nicht in irgendwelchen Logen gesessen, sondern ganz normal ins Stadion gegangen ist. Mein Sitzplatz hat sich zwar inzwischen geändert – aber Fan bin ich immer noch. Neben unserer Mannschaft und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind die Fans für mich das Wichtigste, das wir beim FC Bayern haben. Denn wir spielen für unsere Fans, die sich mit dem Verein, unserer Mannschaft und unseren Werten identifizieren. Ich denke, es ist wichtig, zuzuhören und Anregungen ernst zu nehmen. Man darf dabei auch ruhig mal Kontra geben, wenn man eine andere Meinung hat – es muss aber konstruktiv sein. Ich glaube, gerade was die Stimmung und Zusammenarbeit mit der Südkurve betrifft, haben wir in den vergangenen zehn Jahren viel zusammen erreicht.“

Jan-Christian Dreesen, Interview, FC Bayern

Jan-Christian Dreesen: „Ich war ja früher selbst ein Fan, der nicht in irgendwelchen Logen gesessen, sondern ganz normal ins Stadion gegangen ist.“

Was bedeutet Ihnen Heimat?
„Für mich ist Heimat ein Ort, an dem ich Kraft tanken kann und der mir Sicherheit gibt. Wenn ich mich zu Hause und heimisch fühle, dann fühle ich mich stärker und empfinde mehr Kraft und auch Selbstbewusstsein.“

Ist Bayern Heimat?
„Ja, für mich ist Bayern meine Heimat geworden. Vor meiner Zeit beim FC Bayern habe ich in verschiedenen Städten gearbeitet: München ist völlig anders, man hat hier ein ganz anderes Selbstverständnis. Hier wird hart gearbeitet, aber auch genossen. Das ‚leben und leben lassen‘ ist ausgeprägter.“

Jan-Christian Dreesen, Interview, FC Bayern

Lange Jahre der Mann der Zahlen beim FCB: „Alles, was auf dem Rasen im Sinne der Emotion und der Identifikation geschieht, ist am Ende unbezahlbar.“

Wenn Sie auf der Jahreshauptversammlung die Bilanzen präsentieren, hat man immer den Eindruck, dass es Ihnen Spaß macht, den Mitgliedern eine trockene Materie näherzubringen.
„Das ist für mich stets ein besonderer Tag, fast ein Feiertag, und offen gestanden bin ich auch beim zehnten Mal noch nervös gewesen. Mein Ziel ist es immer, etwas vermeintlich Trockenes mit Engagement und Leidenschaft interessant rüberzubringen. Unsere Mitglieder sollen ja verstehen, um was es geht, und sich nicht während meines Vortrags draußen eine Wurstsemmel holen müssen. Wir haben einmal im Jahr diesen direkten Austausch mit den Mitgliedern, und ich empfinde eine offene, transparente, auch mal kontroverse Diskussion gehört zu einem lebendigen Vereinsleben.“

Jan-Christian Dreesen, Interview, FC Bayern

Welcher Transfer ist in diesen zehn Jahren Ihr Lieblingstransfer gewesen?
„(überlegt) Unglaublich spannend war es bei Xabi Alonso. Ich bin damals mit nach Spanien geflogen, und wir konnten uns mit Real zunächst nicht einigen. Nach unserer Rückkehr bekam ich nachts um halb zwei plötzlich einen Anruf aus Madrid, es gehe jetzt doch in Ordnung. Xabi kam am nächsten Morgen nach München zur Untersuchung, und während er bei Dr. Müller-Wohlfahrt zur Untersuchung auf der Liege lag, stand ich mit der Vertragsmappe neben ihm, dass er unterschreiben konnte. Er ist dann noch einmal nach Spanien geflogen, um sich von den Fans zu verabschieden, kam zurück nach München und spielte sofort zum ersten Mal für uns auf Schalke – so, als wäre er schon jahrelang bei uns.“

Wir haben eingangs über Ihre Freude über Titel gesprochen. Rechnen Sie eigentlich in solchen Momenten mit: Was kostet dieser Titel – und was bringt er ein?
„(lacht) Nein, in so einem Moment kannst und darfst du nicht rechnen. Man müsste ja die ganze Wegstrecke bis zu einem Titelgewinn mit einbeziehen und nicht nur das eine Spiel, und wenn man anfangen würde, so etwas herunterzubrechen, sind wir tatsächlich nicht mehr zuvorderst beim Fußball und Sport. Fakt ist: Alles, was auf dem Rasen im Sinne der Emotion und der Identifikation geschieht, ist am Ende unbezahlbar.“

© Bilder: Dirk Bruniecki

Das komplette Interview gibt es in der aktuellen Ausgabe des FC Bayern-Mitgliedermagazins „51“: