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Die Woche ihres Lebens - Teil 5: Schwarzenbeck rettet die Bayern

Vor 50 Jahren gewann der FC Bayern in nur acht Tagen als erste deutsche Mannschaft den Meister-Hattrick und den Europapokal. Das Mitgliedermagazin „51" blickt auf vier unvergessliche Spiele und vergessene Momente abseits des Platzes im Mai 1974 zurück. Teil fünf erzählt das Drehbuch des Endspiels gegen Atlético Madrid - und von zertrümmerten Vasen in Gerd Müllers Wohnung.

Mittwoch, 15. Mai, 20 Uhr

Das Heysel-Stadion ist mit 55.000 Fans ausverkauft und leuchtet in Rot-Weiß und Rot-Weiß-Blau. Fast unbemerkt von den Fußballfans absolvieren Leichtathleten ein Vorprogramm, der deutsche 400-Meter-Läufer Horst-Rüdiger Schlöske landet dabei nur auf dem zweiten Platz.

Der FC Bayern hatte in Rot auflaufen wollen, weil sie diesen Trikotsatz nach der Niederlage Anfang Januar gegen Düsseldorf angeschafft hatten und nicht mehr verloren hatten, so Manager Robert Schwan – das Los entschied aber, dass sie die weißen Auswärtstrikots überziehen müssen.

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Ein Ticket fürs Finale der Bayern gegen Atlético Madrid: 200 belgische Franken entsprachen etwa 12 Mark.

Während der erfolgreichen Wochen hat das Team Routine im Gewinnen entwickelt und so manch skurrilen Aberglauben. Trainer Udo Lattek isst am Abend vor dem Spiel immer Matjeshering: „Das bringt mir und der Mannschaft Glück.“ Gerd Müller zieht immer den linken Schuh zuerst an. Und Uli Hoeneß trägt auf dem Platz seit dem 3:3 in Dresden immer dieselbe Unterhose („nach dem Finale in Brüssel hat sie auch ausgedient, unabhängig vom Spielausgang“). 

Ganz München sieht das Europacup-Finale

In München sind die Straßen wie leer gefegt. Die Polizei meldet keine größere Straftat. „Die Gauner waren bis zur letzten Minute vorm Fernseher“, berichtet Polizeiinspektor Georg Lukas aus der Wache in der Ettstraße später in der Zeitung. Keiner will sich den ersten Auftritt einer deutschen Mannschaft im Europacup-Finale seit 14 Jahren entgehen lassen.

Anpfiff in Brüssel ist um 20 Uhr. Die deutschen Fernsehzuschauer sind erst ab 20:15 Uhr dabei. Die ARD überträgt zunächst wie jeden Tag die „Tagesschau“. Da haben sie schon eine große Chance von Conny Torstensson verpasst, der in der zweiten Spielminute frei stehend über das Tor schießt. 

Wer hier das erste Tor schießt, wird das Spiel gewinnen.

Udo Lattek

Freie Räume gibt es an diesem Abend aber nicht. Die Spanier stehen dicht gestaffelt und beeindrucken durch präzises Kurzpassspiel und gefährliche Konter. Das gefürchtete Sturmduo Uli Hoeneß und Gerd Müller ist bei den Verteidigern Heredia und Bejarano weitgehend abgemeldet, sie schießen jeweils im gesamten Spiel nur einmal aufs Tor. „Ein sehr gutes Spiel, vor allem von der Kampfkraft her“, lobt Hennes Weisweiler, Trainer der Gladbacher Rivalen, in der Halbzeitpause.

Und genauso geht es weiter. Intensiv statt offensiv. Vor dem Spiel hatte Udo Lattek gesagt: „Wer hier das erste Tor schießt, wird das Spiel gewinnen.“ In der 71. Minute jubelt Gerd Müller kurz, das Tor wird aber nicht anerkannt, weil er den spanischen Torhüter Reina unterlaufen hatte. Gegen Ende des Spiels kommt Atlético immer mehr auf. Die Bayern retten sich in die erste Verlängerung in der Geschichte des Europacups.

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Mittwoch, 15. Mai, 22 Uhr

In der Verlängerung scheitern zunächst Adelardo, Aragones und Capon nur knapp an Sepp Maier und den eigenen Nerven. In der 114. Minute reißt Hansen Bezerra einen Meter vor dem Strafraum des FC Bayern um. Der Schiedsrichter pfeift. Freistoß. „Wir wussten, dass Luis Aragones hervorragende Freistöße schießt“, erinnert sich Paul Breitner, „und dass er gerne den Ball ein, zwei Meter zurücklegt, um einen besseren Winkel zu haben.“

Während der Schiedsrichter die Mauer stellt, sieht Breitner, wie der Spanier unbemerkt den Ball verrückt. „Und wir Deppen sind stehen geblieben.“ Ein Pfiff. Aragones schießt den Ball mit Effet über die Mauer und an Maier vorbei ins Tor.  Alles vorbei? Selbst Trainer Udo Lattek glaubt „nicht mehr an ein Tor meiner Mannschaft“.

Und dann sollte Katsche Schwarzenbeck in der 120. Minute gut 25 Meter vor dem Tor eigentlich nicht schießen, schießt aber doch und … 

Was für ein Jubel im Stadion, in den Münchner Straßen und Gaststätten und unzähligen Wohnungen. Uschi Müller, die Ehefrau von Gerd, hat 15 befreundete Bayern-Fans eingeladen, nach dem Tor von Katsche reißen sie Vorhänge herunter und zertrümmern Vasen. „Du, Mäusi, unsere Freunde haben vor lauter Freud’ die Wohnung demoliert“, erzählt sie ihm später am Telefon. Der „Bomber“ antwortet im Scherz: „Dann muss eben Schwarzenbeck für den Schaden aufkommen. Er hat ihn schließlich verursacht.“

Die Spanier sitzen stumm und verzweifelt in der Kabine. Die Bayern liegen sich ungläubig in den Armen. Präsident Neudecker irrt im allgemeinen Chaos durch die Stadion-Katakomben und tritt sogar eine Tür ein, um zur Mannschaft zu gelangen. Manager Robert Schwan sagt das geplante Bankett im Hotel ab, damit sich die Spieler erholen können. Nur 30 von 130 bestellten Menüs werden verzehrt. „Es war peinlich“, klagt der Präsident in der Zeitung, und zählt auf, was die Gäste verpasst haben: „Melone, Krabbencocktail, einen herrlichen Kalbsbraten und eine als Fußballfeld geformte Eistorte.“

Hier geht's zu Teil 4 des großen Rückblick: