
Der FCB-Fanclub „Red Light Korea“ wurde 2019 gegründet und besteht nur aus Frauen. Vor dem ersten Besuch des FC Bayern auf der ostasiatischen Halbinsel haben wir drei der Fans in der Hauptstadt Seoul besucht. Sie wollen nicht nur den FC Bayern bekannter machen – sondern Südkoreas Fußballwelt insgesamt weiblicher.
Seit Kay vor etwa zehn Jahren zum Fußballfan wurde, muss sich die Koreanerin regelmäßig sarkastische Kommentare anhören. Zunächst von ihrem Professor an der Uni, später dann von Kollegen im Büro. „Warum interessierst du dich für Fußball?“, heißt es dann. Oder: „Weißt du überhaupt, was Abseits ist?“ Kay ist sich sicher, dass „sich jeder weibliche Fußballfan in Südkorea die gleichen Kommentare anhören muss“. Doch die 33-Jährige lässt sich nicht beirren: Sie hält an ihrer Leidenschaft für Fußball fest – und ist damit längst nicht mehr allein.
Fanclub „Red Light Korea" zählt über 70 Mitglieder
Im Jahr 2014 schaute sie – eher beiläufig, um sich vom Stress der Uni-Abschlussprüfung abzulenken – die Weltmeisterschaft im Fernsehen, wo gerade Deutschland gegen Algerien übertragen wurde. In jener Sekunde, als Thomas Müller beim Singen der Nationalhymne lächelnd in die Kamera winkte, war es um Kay geschehen. „Ich fand ihn sofort sympathisch“, erzählt sie, „und nach der WM habe ich mich gefragt, welche Spiele ich schauen muss, um mehr von Thomas Müller zu sehen. Seither bin ich FC Bayern-Fan.“

2019 gründete sie schließlich mit zwei Freundinnen Südkoreas ersten zu 100 Prozent weiblichen FC Bayern Fanclub. „Red Light Korea“ ist eine Art „Safe Space“, wo weibliche Fans ihre Fußballleidenschaft teilen, ohne nervige Kommentare fürchten zu müssen. Der Name ist bewusst gewählt: Die Farbe Rot steht in Ostasien für Glück und Wohlstand – und symbolisiert natürlich auch die Stärke des FC Bayern. Zudem wollen die Fans ein „Spotlight“ auf Frauen im Fußball werfen, die laut Kay „nach wie vor zu wenig Sichtbarkeit haben“. Sie begannen als lose Online-Gruppe von ein paar gleich gesinnten Fans und sind heute ein offiziell registrierter Bayern-Fanclub mit über 70 Mitgliedern.
Im Sommer haben sie erstmals die Möglichkeit, ihr Lieblingsteam live in Südkorea zu erleben. Am 3. August tritt der FC Bayern während der „2024 Audi Summer Tour“ gegen Tottenham Hotspur an. Das „Seoul World Cup Stadium“ wird bis zum letzten der 67.000 Plätze gefüllt sein, denn mit Minjae Kim und Heung-min Son treffen die zwei beliebtesten koreanischen Legionäre aufeinander.

Auch die Studentin Young-eun fiebert dem Termin bereits entgegen. Sie begann ausgerechnet während der Weltmeisterschaft 2018 in Russland, sich für Fußball zu interessieren, als Südkorea die deutsche Nationalmannschaft in der Vorrunde aus dem Turnier warf.
Beeindruckende Bayern-Mentalität
Da die Bundesliga aber als einzige europäische Liga im Free-TV lief, schaute sie schon bald ihre ersten Bayern- Matches. Und suchte danach auf Youtube die Interviews mit den Spielern. „Besonders angetan war ich von der Mentalität des Teams“, sagt Young-eun. „Die Bayern sind selbstbewusst, aber nach Siegen niemals arrogant. Das hat mich beeindruckt.“
Weil sie ihre Idole wie Kimmich oder Neuer auch in deren Muttersprache verstehen wollte, begann sie, Deutsch zu lernen, und machte einen Sprachkurs in Bonn. „Mittlerweile studiere ich deutsche Literatur. Und das hat direkt mit dem FC Bayern zu tun“, sagt sie – ganz so, als sei es das Normalste der Welt.
„Die Bayern sind selbstbewusst, aber nach Siegen niemals arrogant. Das hat mich beeindruckt.”
Young-eun
Fußball ist in Südkorea ein echter Volkssport und liegt im Popularitätsranking etwa gleichauf mit Baseball. Erstmals in Kontakt kamen die Koreaner mit dem runden Leder wohl gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als britische Soldaten der Royal Navy während eines Zwischenstopps am Hafen von Incheon sich die Zeit mit einem Fußballspiel vertrieben. Eine professionelle Fußballliga, heute „K League“ genannt, entwickelte sich erst in den frühen 1980ern.
Dank Minjae: Bayern-Boom in Korea
Das Nationalteam wird seit langer Zeit immer wieder von europäischen Trainern gecoacht. Der Niederländer Guus Hiddink führte Südkorea während der Heim-WM 2002 bis ins Halbfinale, wo sie gegen Deutschland und einen unglaublich starken Oliver Kahn ausschieden. In den koreanischen Sport-Pubs laufen vor allem Partien der Premier League, seit der gefeierte Nationalheld Heung-min Son dort spielt.
Von einem ähnlichen Boom kann nun auch der FC Bayern dank Minjae profitieren: Seit der 27-Jährige für die Roten aufläuft, überträgt das öffentlich-rechtliche Fernsehen immer mehr Spiele der Bayern. Und er wurde im Januar von der koreanischen Fußballvereinigung zum „Spieler des Jahres“ gewählt. Kims Popularität schlägt sich auch auf die Mitgliederzahlen des FC Bayern München eV nieder: Rund 1.000 Koreanerinnen und Koreaner traten dem deutschen Rekordmeister in den vergangenen zwölf Monaten bei.

Die „Red Light Korea“-Fans kommen aus ganz Korea. Viele wohnen im Großraum der Metropole Seoul. Aber Mitgründerin Kay zum Beispiel lebt im Norden des Landes, unweit der Grenze zu Nordkorea. Ihr Arbeitsplatz liegt umgeben von mehreren Armeebasen. Weil die Mitglieder verstreut wohnen und die Zeitverschiebung zu Deutschland sieben Stunden beträgt, treffen sie sich nur selten persönlich. Stattdessen feuern sie ihre Mannschaft zusammen im Livestream an – meist über die App „Discord“, wo sich die Fans per Chat oder Audionachrichten unterhalten können.
Einsatz für Frauenrechte und Gleichberechtigung
Am meisten engagieren sich die weiblichen Bayern-Fans für Frauenrechte und Gleichberechtigung. Das ist im konservativen Südkorea keine Selbstverständlichkeit. Denn der ostasiatische Tigerstaat ist mit der Produktion von hochwertigen Halbleitern und überall verfügbarem ultraschnellem Internet in vielerlei Hinsicht in der Zukunft angekommen, die Gesellschaft ist jedoch teilweise noch stark patriarchal geprägt.
Unter allen OECD-Staaten weist Südkorea bis heute das stärkste Einkommensgefälle zwischen den Geschlechtern auf. Doch die Frauenbewegung hat in den letzten Jahren auch massiven Zulauf erfahren. „Koreanerinnen haben mittlerweile ein größeres Bewusstsein für Frauenrechte entwickelt“, sagt Kay. „Aber es gibt immer noch viele Streitigkeiten zwischen den Geschlechtern.“
Ein persönlicher Brief an Thomas Müller

In den letzten Jahren ist die Anzahl an weiblichen Stadionbesuchern in Südkorea merklich gestiegen. Dass auch der Werbemarkt und Fernsehproduzenten weibliche Fans zunehmend als Zielgruppe entdecken, hat nicht zuletzt auch mit dem Aufstieg der Frauennationalmannschaft zu tun, die in der FIFA-Liste aktuell auf dem 20. Platz rangiert. Die „Red Light Korea“-Mitglieder fiebern dem Sommer entgegen.
Kay ist „Summer Tour“-Veteranin. 2017 ist sie ganz allein nach Shanghai geflogen, um ihr Team in China spielen zu sehen. Am Flughafen von Shenzhen konnte sie Thomas Müller einen persönlichen Brief überreichen. „Das ist eine Erfahrung, die ich nie wieder machen werde“, sagt Kay überwältigt. Aber vielleicht liegt sie damit ja falsch. Im August 2024 kommt der FC Bayern ja erstmals nach Korea.
© Bilder: Tina Hsu
Der Text stammt aus unserem Mitgliedermagazin 51. Zur aktuellen Ausgabe:
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