FC Bayern
Das Nachbarschaftsduell gegen den FC Augsburg war eigentlich schon durch, es liefen nur noch die allerletzten Sekunden von der Uhr. In der Südkurve bei den treuesten der Treuen, da hüpften die Bayern-Fans unaufhörlich weiter auf und ab – zum einen vor Glück über den unmittelbar bevorstehenden sechsten Zu-Null-Sieg in Folge. Zum anderen, wie schon in den 90 Minuten zuvor, um sich irgendwie in dieser eiskalten Novembernacht in der Allianz Arena ein wenig warm zu halten. 32 Mal hatte der FC Bayern bereits Richtung Augsburger Tor geschossen, führte angesichts dessen mehr als nur verdient mit 2:0 – da brachte Leon Goretzka noch ein letztes Mal den Ball hoch in den Gästestrafraum.
Die abgeschirmte Tormaschine
Lange Zeit in dieser mehr als nur einseitigen Partie, in der der FC Bayern über 80 Prozent der Spielzeit in Ballbesitz verbrachte, war es den tief stehenden Augsburgern immerhin gelungen, die Münchner Tormaschine Harry Kane irgendwie abzuschirmen. Und trotzdem hatte der 31-Jährige seine Bundesliga-Saisontore zwölf und 13 erzielt - da, wo ihn niemand mehr am Torschuss hindern konnte: vom Elfmeterpunkt.
Nervenstärke und Zielgenauigkeit hatte der Torjäger also bereits bewiesen, indem er den Ball einmal rechts oben in den Winkel setzte (63.), den zweiten Versuch genau entgegengesetzt links unten verwandelte (90.+1). Was aber noch fehlte an diesem Abend von Fröttmaning, das war der Nachweis seiner außergewöhnlichen Klasse, seiner Technik, seiner bemerkenswerten Ruhe und Genialität. All das lieferte Kane noch, in nur einer Aktion auf das feine Zuspiel von Leon Goretzka: Erst stoppte der Engländer das Zuspiel aus der Luft, schickte damit bereits den zuvor so großartig parierenden Nediljko Labrovic traurig mit Hechtsprung auf den Rasen, und köpfelte dann den Ball lässig über die verwaiste Torlinie zum 3:0 (0:0)-Endstand. Ein Tor, so genial wie eine seltene Zirkusnummer.
Zuvor hatte die Show vor 75.000 in der „Manege“ Allianz Arena vor allen Dingen daraus bestanden, aus drückender Überlegenheit warum auch immer bis zur 63. Minute nichts Zählbares zu schlagen. „Es ist normal, dass es nicht einfach ist – es war schließlich ein Bundesligaspiel“, versuchte Vincent Kompany, Chefcoach des FC Bayern, zu erklären.
Von Beginn an hatte sein FC Bayern mit großer Reife, Abgeklärtheit und Ballsicherheit die Begegnung gegen den Tabellen-13., der sich einzig darauf besann, die Räume zuzustellen und mit Mann und Maus jeden Zentimeter vor dem eigenen Tor zu verteidigen, bestimmt. „Wir wussten, dass wir viel aushalten müssen – und wir haben viel ausgehalten“, fand Augsburgs Ex-Nationalspieler Marius Wolf. „Das Positive ist, dass wir gegen Bayern nicht viel zugelassen haben und wenn wir etwas zugelassen haben, waren es nicht die Hochkaräter, die Bayern normal hat“, sagte sein Teamkamerad Elvis Rexhbecaj.
Augsburg musste leiden
Und wirklich: Augsburg musste leiden und dauerhaft hinterherlaufen, das Gegenpressing der Bayern funktionierte nach den wenigen Ballverlusten herausragend, die Defensive stand derart sicher, dass Manuel Neuers größter Gegner zwischen den Pfosten einzig die klirrende Kälte war. Nur eben, ein Bayern-Tor, das fiel so lange nicht. „Aber wir sind geduldig geblieben und haben gezeigt, dass wir Tore schießen wollen“, unterstrich Kompany. Bis zur Pause schon hatte es der FC Bayern 13-Mal probiert. Erst der 22. Torschuss landete dann vom Elfmeterpunkt zum erlösenden 1:0 im Augsburger Tor. „Augsburg ist gut organisiert, stand tief in der eigenen Hälfte und hat es uns so schwer gemacht“, so der Torschütze. „Das haben wir diese Saison schon mehrmals erlebt, aber wir sind ruhig geblieben und haben einfach immer weitergemacht“, freute sich Harry Kane.
Geduld, Kaltschnäuzigkeit, Glaube
„Es hat leider lange gedauert, bis wir das erste Tor erzielen konnten“, fand auch Joshua Kimmich, der es selbst mit fünf Schüssen probiert hatte – so oft wie zuletzt im September 2016 gegen den Hamburger SV nicht mehr: „Aber wir waren über das gesamte Spiel absolut die dominante Mannschaft. Wir haben gar nichts zugelassen, hatten etliche Chancen.“ Was die Entscheidung brachte, war die Geduld der ganzen Mannschaft, die Kaltschnäuzigkeit von Harry Kane - und der unerschütterliche Glaube an die eigene Stärke. Denn, so Kimmich weiter: „Wir wussten, dass die Räume irgendwann aufgehen werden.“ Sein Trainer meinte: „Wenn man so oft im Strafraum ist, ist es normal, dass es irgendwann einen Strafstoß gibt.“
Dass Augsburg letztlich unglücklich mithalf - erst per Handspiel, dann per Foulspiel –, war, so durfte man das verstehen, also eine logische Folge. Erzwungene Unkonzentriertheiten durch unermüdliches Anrennen der Bayern-Offensive, die aber eben lang links und rechts vorbeizielte, auch übers Tor, sogar an die Latte einmal. Und mehrfach bekam der tapfere Augsburger Schlussmann noch die Finger an den Ball.
Mehr Torabschlüsse als beim Elf-Tore-Spiel gegen Zagreb
Bis zum Schlusspfiff zählte der Tabellenführer, der seinen Vorsprung nun vorübergehend auf stolze acht Punkte in der Liga ausbaut, auf 33 Abschlüsse. Das sind mehr noch also als beim munteren 9:2 gegen Dinamo Zagreb zum Auftakt der Champions League-Saison (29). Der allerletzte Torschuss aber, der 33. auf feinem Zuspiel von Leon Goretzka, war am Ende auch der Schönste. Ein Kunstwerk, wenn man so will, als mehr als nur versöhnlicher Schlusspunkt.
Harry Kane erreichte gegen Augsburg einen nächsten Meilenstein:
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