Wenn der FC Bayern am Freitagabend den FC Augsburg in der Bundesliga empfängt, ist das viel mehr als das Duell des Spitzenreiters gegen den Tabellen-13. „Es ist ein Derby. Letzte Saison haben sie noch um Europa gespielt. Sie haben eine sehr gute Entwicklung genommen. Augsburg war in den letzten Jahren immer ein schwieriges Spiel für Bayern“, weiß FC Bayern-Trainer Vincent Kompany. Doch kann man aufgrund der geografisch deutlich näher liegenden Vereine wie 1860 München oder der SpVgg Unterhaching überhaupt von einem Derby sprechen? „Für mich ist das ein Derby“, sagt Bayern-Legende Raimond Aumann, der in Augsburg geboren wurde und in Jugendjahren auch für den FCA aktiv war. Im Gespräch mit dem 61-jährigen Weltmeister von 1990 wird zudem deutlich, dass das Freitagabendspiel sogar noch ein wenig mehr ist als "nur" ein bayerisches Nachbarschaftsduell – es ist auch das Aufeinandertreffen zweier (Fußball-)Welten.
Aumann wechselte von Augsburg nach München
Den in Oberbayern ansässigen Münchnern sagt man Stolz und Selbstverständnis des Erfolgs nach, während die bayerischen Schwaben angeblich Pragmatismus und ihre unermüdliche Leidenschaft einbringen, um den großen Nachbarn zu ärgern. „Ich fühle mich nun mehr als Münchner als als Augsburger. Trotzdem schlägt mein Herz auch für den FC Augsburg. Für mich als FCA-Jugendspieler war der FC Bayern damals schon das Nonplusultra“, verrät Aumann. „Ich wurde mit 16 in der Augsburger Jugend von Uli Hoeneß kontaktiert - da kann man sich vorstellen, was das für eine Strahlkraft hatte. Er ist persönlich nach Augsburg gefahren und hat mit meinem Lehrherrn ausgemacht, wie ich rechtzeitig zum Training nach München komme.“ Raimond Aumann, später ein Torwart auf internationalem Top-Niveau und Kapitän des FC Bayern, ist gelernter Einzelhandelskaufmann.
Während der Rekordmeister seinen Status als deutscher Nimbus durch jahrzehntelange Erfolge manifestierte, entwickelte sich auch der weniger als 100 Kilometer entfernt beheimatete FC Augsburg zu einer festen Größe in der deutschen Beletage. „Der FCA kann extrem stolz darauf sein, nun die Nummer zwei in Bayern zu sein“, findet Aumann. „Sie haben sich in der Bundesliga etabliert, das haben sie bravourös gemacht. Augsburg hat keinen medialen Druck, vielleicht gefällt ihnen auch die Rolle im Schatten des großen FC Bayern in der Nähe.“ Die Fuggerstädter wollen den in dieser Spielzeit in der Bundesliga äußerst souverän auftretenden Münchnern am Freitag ein Bein stellen, auch wenn die Favoritenrolle klar verteilt ist.
Mia San Mia vs. Tüftler-Mentalität
„Ich kannte als Spieler Derbys gegen 1860 München und den 1. FC Nürnberg. Augsburg hat sich inzwischen seit über einem Jahrzehnt als Nummer zwei in Bayern etabliert. Wir haben großen Respekt vor dem, was dort geleistet wird.”
Max Eberl, Sportvorstand des FC Bayern
Die Münchner Bayern, die Oberbayern, treten für gewöhnlich so auf, als wäre der Sieg ihr Geburtsrecht, heißt es. Warum auch nicht? Das ist ihr typisches Selbstverständnis. Mit einer prall gefüllten Trophäenvitrine, Spielern mit Weltklasseformat und der Mia San Mia-DNA ist der FC Bayern das Abziehbild des oberbayerischen Selbstbewusstseins. Dagegen stehen die bayerischen Schwaben, der FCA – bodenständig, beharrlich und immer bereit, für eine Überraschung zu sorgen. Sei es auf dem Spielfeld, auf dem Transfermarkt oder in der Tabelle. Der FC Augsburg mag nicht mit globalen Meriten punkten, aber er bringt das mit, was die Schwaben angeblich schon immer auszeichnet: die Tüftler-Mentalität. So setzen sie auf Leidenschaft, Kampfgeist und die Fähigkeit, aus begrenzten Mitteln das Maximale herauszuholen.
Auch Raimond Aumann identifiziert unterschiedliche Mentalitäten: „Augsburger sind zurückhaltender als Münchner. Dennoch sind sie absolut begeisterungsfähig, da denke ich zum Beispiel an die Rückkehr von Helmut Haller 1973 von Juventus Turin nach Augsburg. Da gab es einen riesengroßen Hype.“ Außerdem seien sie anpassungsfähig, wie die erfolgreichen Karrieren der gebürtigen Augsburger Fußballer Haller, Bernd Schuster oder Armin Veh demonstrierten.
Eberl lobt den FCA
„Ich kannte als Spieler Derbys gegen 1860 München und den 1. FC Nürnberg. Augsburg hat sich inzwischen seit über einem Jahrzehnt als Nummer zwei in Bayern etabliert. Wir haben großen Respekt vor dem, was dort geleistet wird", sagte auch Bayern-Sportvorstand Max Eberl am Donnerstag im Pressetalk. Also doch kein Lokalduell, sondern eine Partie der Marke: Derby. Und eine mit zwei Mannschaften mit zwei unterschiedlichen bayerischen Mentalitäten – trotz der geographischen Nähe. Die bayerischen Schwaben wollen am Freitag ihre Ellbogen ausfahren, um den Münchner Oberbayern zu beweisen, dass man auch mit weniger Glanz eine Menge Glorie erreichen kann. Für den in der Bundesliga noch ungeschlagenen FC Bayern gilt es einmal mehr, diese Pläne selbstbewusst zu durchkreuzen.
Alle Infos zu FC Bayern vs. FC Augsburg findet Ihr im Vorbericht:
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