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Pele im Trikot des FC Santos
Imago

Als Pelé fast ein Roter wurde

Er war dreimal Weltmeister, wurde zum besten Spieler des 
20. Jahrhunderts gewählt und gilt für viele bis heute als der größte Fußballer aller Zeiten. Auch der FC Bayern versuchte seinerzeit, Pelé an die Isar zu locken. Präsident Roland Endler hat es beinahe geschafft. Anlässlich Pelés Todestages am 29. Dezember erinnert sich das FC Bayern Mitgliedermagazin „51“ zurück.

Dieses verfluchte Ding, es klebte einfach so sehr, aber das hatte Barbara Götte ja wirklich nicht wissen können. Irgendwann ist immer das erste Mal, und das sechs Jahre alte Mädchen hatte gerade im Garten der Familie Endler in München-Solln eben den ersten Kaugummi ihres Lebens im Mund gehabt. Ein Genuss – bis er nicht mehr schmeckte. Aber weil Roland Endler gerade eine Rede zu Ehren des besonderen Gastes hielt, den er als Präsident des FC Bayern empfangen hatte, konnte Götte nicht aufstehen. Was also tun? Den Kaugummi kurz in die Hände nehmen? Eine schlechte, eine sehr schlechte Idee.

Pele wird am Flughafen München-Riem von Roland Endler empfangen
Regelmäßig war Pelé für Pressetermine in München, pflegte eine enge Freundschaft zu Endler. | Imago

Barbara Götte kann heute lachen, wenn sie die Geschichte erzählt, aber damals, das betont sie immer wieder, „war es mir so furchtbar peinlich“. Denn die Finger gingen, als Endler Applaus geerntet und das Essen eröffnet hatte, tatsächlich nicht mehr auseinander. Mit Messer und Azeton musste die Hausherrin der Familie dem Mädchen helfen, die Klebemasse zu lösen: 
„20 Minuten waren wir auf der Toilette, alle haben sich totgelacht.“ Sauer aber war niemand, eher belustigt – und der guten Stimmung konnte der kleine Zwischenfall sowieso keinen Abbruch tun. Denn der Mann, der an diesem Abend im Mittelpunkt stand, war in Göttes Worten „schüchtern, bescheiden und äußerst freundlich“. Sein Name war Edson Arantes do Nascimento. Besser bekannt als: Pelé.

„Das konkreteste Angebot von Bayern“

Am 23. Oktober dieses Jahres wäre die brasilianische Fußball-Ikone 84 Jahre alt geworden, Fußball-Fans auf der ganzen Welt gedachten wieder dem Ballzauberer und seiner einzigartigen Magie auf dem Platz. Aber Barbara Götte hat ganz andere Erinnerungen an den Stürmer, der bis heute einer der Größten ist. Als die Nachricht seines Todes im Dezember 2022 um die Welt ging, fiel der Münchnerin ein, dass sie da doch noch ein Foto zu Hause hat. Also warum nicht teilen mit dem Verein, bei dem ihr Vater Dr. Karl Wachtel einst als Vizepräsident im Amt war – und in seiner Funktion Ende der 60er Jahre tatsächlich am Versuch beteiligt, Pelé von einem Wechsel zum FC Bayern zu überzeugen?

Cover der FC Bayern Clubzeitung Ausgabe Mai 1961
Im Clubmagazin war Endlers und Wachtels Brasilien-Reise vermerkt. | FC Bayern

Die Aufnahme, die Götte per Mail schickte, zeigt eine Gruppe adrett gekleideter Männer. Unter ihnen: Präsident Endler, Vizepräsident Wachtel und Vertreter des FC Santos. Super Stimmung, die beiden Parteien verstanden sich prächtig. Und das, was sie vereinbart hatten, stimmte vor allem die Münchner Fraktion zufrieden. Die Mission, die im März in den Clubnachrichten mit der kleinen Notiz „Unser Präsident befindet sich zurzeit auf einer Dienstreise in Brasilien und kommt erst in der Osterwoche nach München zurück“ vermerkt war, war eine große – und sie sollte bei dieser Reise nach Brasilien ihren Anfang nehmen. Das Führungsduo kehrte mit der Zusage zurück, dass Pelé, später einmal „Weltfußballer des 20. Jahrhunderts“, sich selbst ein Bild davon machen sollte, ob ihm Deutschland gefällt und er sich ein Leben in der bayerischen Landeshauptstadt vorstellen kann.

„Ich hatte Angebote von Mailand, Madrid, aber das konkreteste war von Bayern“, hatte Pelé weit nach seinem Karriereende, erst im Jahr 2012, bei einer Talkrunde des Pay-TV-Senders Sky ausgeplaudert – und damit für einen großen Knall gesorgt. Die Nachricht, dass der vielleicht beste Fußballer aller Zeiten beinahe einst in einem Team gespielt hätte, zu dem später Franz Beckenbauer, Sepp Maier und Gerd Müller hinzugestoßen sind, war ein Hammer; für viele, aber nicht für Barbara Götte. Denn sie war als kleines Mädchen ja so gut wie live dabei, nicht nur bei Pelés Besuch im Garten der Endlers, sondern auch davor und danach.

Roland Endler (r.) und Dr. Karl Wachtel (Mitte) im Gespräch mit Santos-Vertretern.
Roland Endler (r.) und Dr. Karl Wachtel (Mitte) im Gespräch mit Santos-Vertretern. | FC Bayern

Bestens erinnert sich Götte noch an das Tonband, das ihr Papa Ende der 60er Jahre in Dauerschleife abspielen ließ. „Jeden Abend“, erzählt sie, „hat mein Vater nach der Arbeit Portugiesisch gelernt. Extra für die Verhandlungen.“ Als die große Reise über den Atlantik anstand, „konnte er es sehr gut. Das hat die Gegenseite schon beeindruckt.“ Endler, der von der Idee, Pelé an die Isar zu locken, regelrecht besessen war, hatte seinen Vizepräsidenten Wachtel (beide waren von 1958 bis 1962 im Amt) mitgerissen. Ein fußballwahnsinniger Unternehmer mit einem Faible für Brasilien, das passte. Auch Pelé selbst war nicht entgangen, was offensichtlich war: „Roland war ein richtiger Fan von mir.“

Ein so großer, dass er eben Ernst machen wollte, und zwar zu einer Zeit, in der Pelé zwar schon Weltmeister war, die längste Zeit seiner einmaligen Karriere aber noch vor sich haben sollte. Götte hat die Sommerpause 1959 noch im Kopf, in der Pelé dem Ruf aus München gefolgt war und ein paar Wochen in Solln verbrachte. „Das erste Mal“, sagt sie, „war der junge Kerl damals aus Brasilien raus“, genauso gab er sich auch. Das ganze Bohei, das um ihm veranstaltet wurde, war ihm „manchmal fast unangenehm“. 
18 Jahre jung, noch ganz unbeholfen und trotzdem umgarnt von einem ganzen Verein. Der Star genoss die Zeit, merkte aber schnell, was er später auch erzählte: „Ich wollte nicht weg aus Brasilien. Ich fühlte mich dort wohl.“ Götte benennt das Gefühl, das ihn beschlichen hatte: „Heimweh.“

Endler finanzierte Pelé die Hochzeitsreise

Die Abreise tat weh, Endler und viele andere hatten sich wirklich ins Zeug gelegt. Aber dass es nicht an München, dem FC Bayern oder gar ihnen lag, konnte das damals starke Duo unseres Vereins im Laufe der kommenden beiden Jahrzehnte verfolgen. Pelé blieb schließlich noch knapp 20 Jahre, bis 1975, bei „seinem“ FC Santos; erst zum Ende seiner Laufbahn, als zehnfacher Meister, zweimaliger Weltpokalsieger und dreifacher Weltmeister, zog es ihn zu Cosmos New York (und Beckenbauer). Der Kontakt mit Endler aber riss nie ab – da war ein Band geknüpft worden.

Pelé berichtete aus den Jahren danach wie folgt: „Als Roland gehört hatte, dass ich heirate, hat er mich zur Hochzeitsreise nach Deutschland eingeladen und dabei immer wieder gesagt: Du musst auch zum FC Bayern kommen zum Spielen.“ Auch da klappte es nicht, was Endler aber nicht daran hinderte, die besondere Freundschaft zu pflegen. Den ersten Mercedes schenkte Endler Pelé, Götte hat ihn noch vor Augen: „Azurblau.“ Und die Einladung zu einer besonderen Tour durch Europa mit seiner frisch angetrauten ersten Frau Rosemeri dos Reis Cholbi nahm Pelé an. Das Paar wohnte in Endlers Privathäusern in Solln und Garmisch-Partenkirchen, besichtigte die Schweißfabrik von Endlers Firma in Neuss, gastierte im italienischen Riccione und machte auch in Österreich und Frankreich Station. Highlight: eine Privataudienz bei Papst Paul VI.

Präsident des FC Bayern war Endler zu dieser Zeit schon nicht mehr. Als er 1962 aus dem Amt ausgeschieden war, laut Clubnachrichten wegen „beruflicher Überlastung“, hatte Endler die Nachricht an einem Abend verkündet, an dem Brasilien wieder eine zentrale Rolle spielte. Joan Mendonga Falcon, der Präsident des brasilianischen Fußballverbandes, war zu Gast in München, als die Pläne im Rahmen eines großen Dinners rauskamen. Eine Seltenheit waren solche Anlässe zu damaligen Zeiten nicht, denn tatsächlich war die Verbindung zwischen dem FC Bayern und Brasilien zu 
Endlers Zeiten auch ohne Pelé-Transfer immer intensiver geworden.

Beim Gastspiel in München fehlte Pelé

Der internationale Fußball hatte es den Führungskräften jener Zeit angetan, allen voran Endler und sein engster Mitarbeiter Wachtel dachten weit über die deutschen Grenzen hinaus. Und dank des Duos – das zwar nur vier Jahre lang gemeinsam die Geschicke leitete, aber den FC Bayern finanziell wie sportlich für 
die 1963 eingeführte Bundesliga aufstellte – kam 
es zu dieser Zeit zu regelmäßigen Freundschaftsspielen. 1959 gastierte der SC Corinthians Paulista in München, 1960 der Esporte Clube Bahia. 1961 dann kam der FC Santos, wo Endler, genau wie beim brasilianischen Verband, längst Ehrenmitglied war.

Seiten der FC Bayern Clubzeitung
In den Clubnachrichten wurden zum Gastspiel des FC Santos ganze vier Seiten gedruckt – eine Seltenheit! | FC Bayern

Das Spiel gegen Pelés Club Santos war freilich das Highlight. Auch wenn der große Star im Sommer 1961 aufgrund einer Schulterverletzung nicht mit in München war, hatte die Flutlichtpartie den gesamten FC Bayern elektrisiert. Ganze vier Seiten – eine echte Seltenheit – waren in den Clubnachrichten geschrieben worden, die einleitenden Worte unterstrichen die Denkweise von Endler und seinen Kollegen. Sie lauteten: „Fußballer brauchen keine Dolmetscherdienste. Der Ball ist der Lehrmeister eines weltumspannenden Esperantos.“ Und weiter: „Der Kosmopolit Fußball war es auch, der Freundschaftsbande von München bis übers weite Meer nach Südamerika knüpfte.“

Die Delegation hatte Endler schon am Tag vor dem Spiel in sein Haus nach Grainau eingeladen, bei einer Mittagstafel im Hotel Marktplatz in Garmisch-Partenkirchen flatterte die brasilianische neben der bayerischen Flagge. „Die Herzlichkeit“, sagte Endler in seiner Rede, „war auch für mich, der ich sehr viel auf Reisen in der weiten Welt bin, ein Höhepunkt in meinem Leben.“ Die Gläser wurden erhoben „auf die Fußball-Freundschaft FC Bayern München – FC Santos!“ Das Spiel am 17. Mai endete 2:3 aus Sicht der Münchner, aber es war knapp. Der „Münchner Merkur“ schrieb: „Die Fußball-Künstler des FC Santos sind eben auch nur Menschen. Diese Erkenntnis machte sie uns eher noch sympathischer.“

Sie alle waren also ein bisschen Pelé. Ein Mann, der in München seine Spuren hinterlassen hat, ohne heimisch zu werden. Einen Auftritt auf dem Platz hatte er übrigens auch noch, 1967, als er mit Santos im Grünwalder Stadion gegen den TSV 1860 München spielte. Endstand: 5:4 für Pelés Team.

Mit Endler hatte er da immer noch Kontakt. Zu Sponsorenterminen war er regelmäßig in München. Und noch heute hängt ein Foto von ihm und Wirtsmann Heigl in der Traditionsgaststätte „Sollner Hof“. Barbara Götte erinnert sich genau, was die einstigen Bayern-Verantwortlichen gerne sagten, wann immer sie später an dieser Aufnahme im Treppenhaus vorbeigingen: „Schau! Da hat er kein Heimweh!“

Der Text erschien in der November-Ausgabe des FC Bayern-Mitgliedermagazins „51“: 

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